Vier Monate lang war das Mainzer Fastnachtsmuseum geschlossen, rechtzeitig zur fünften Jahreszeit haben die Fans und Interessierten es nun wieder: Am Freitag – natürlich pünktlich um 11.11 Uhr – wurde das kleine Museum im Proviantamt wieder eröffnet. Und die Frischzellenkur hat sich gelohnt: Aus einem doch ziemlich verstaubten Vitrinen-Museum wurde ein modernes Mitmach-Haus. Aufgeräumt, hell und mit Hunderten spannender Objekte – das neue Fastnachtsmuseum könnte ein echter Besuchermagnet werden. Rolf Brauns Brille könnt Ihr hier ebenso bestaunen wie Herbert Bonewitz‘ Büttenreden oder Ernst Negers Lederschürze. Dazu Orden, Gardeuniformen, aber auch jede Menge historischer Originale wie Illustrationen oder den ältesten Mainzer Orden von 1837 – ein Kamel-Orden. Ein Museum zum Staunen und Schmunzeln, natürlich.

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Rosenmontagszug zum Nachlaufen, Narrenkappen, Gutenberg: Kuratorin Marianne Jacoby und Innenarchitekt Peter Kneip im neu gestalteten Fastnachtsmuseum – Foto: gik

Gleich am Anfang steht der Besucher mitten in der Straßenfastnacht: „Gutenberg mit Narrenkappe vor dem Dom“, schwärmt Marianne Jacoby, „da haben sie schon alles drin.“ Im September schloss das kleine Museum seine Pforten, seither hat Kuratorin Jacoby gemeinsam mit dem Innenarchitekten Peter Kneip intensiv die Ausstellung umgearbeitet und neu geordnet. Aus den früheren Durchgängen wurden Schaufenster der Fastnacht, die sich um insgesamt fünf Themengruppen ranken: Die Straßenfastnacht natürlich, dazu die Kinderfastnacht, Saalfastnacht, die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ und natürlich die Garden, Schwellköppe und der Rosenmontagszug. Mehr als 25.000 Exponate hütet das kleine Museum samt angeschlossenem Fastnachtsarchiv, auf 400 Quadratmetern werden die spannendsten Stücke nun in moderner Form präsentiert.

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Die Original-Lederschürze des singenden Dachdeckers Ernst Neger – Foto: gik

Es sei „nicht das größte Museum“ von Mainz, dafür aber „allemal das lustigste“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Freitag bei der Wiedereröffnung. „Auf Rosen gebettet“ sei das kleine Haus nicht gerade, räumte er ein – die Stadt gibt für den Unterhalt des von einem privaten Verein getragenen Hauses keinen müden Cent. Nun aber gebe es „eine neue Epoche“ mit einer „unglaublich schönen, veränderten Ausrichtung, die mehr Besucher anziehen soll“, sagte Ebling.

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In der Tat lädt das neu gestaltete Museum nun zum Mitmachen ein: Da kann man gleich zu Beginn den Mainzer Rosenmontagszug nachschreiten, auf einem Stadtplan auf dem Boden und in nur 30 Sekunden. Daneben präsentieren die Macher die Geschichte der Narrenkappe von den allerersten Anfängen bis heute. In den 1820er Jahren sei die Narrenkappe von einem preußischen General in Köln erfunden worden, berichtet Jacoby, und zwar als Eintrittskarte für die dortigen Veranstaltungen. „Am Anfang waren die Kappen aus Papier und wurden an Aschermittwoch verbrannt“, weiß die Kuratorin. Heute wäre das ein Alptraum für Fastnachter, sind Narrenkappen doch innig gehegte und stolz getragene Rangesabzeichen. Die alten Narrenkappen und Orden zeigten die uralte Tradition der Fastnacht, sagt Jacoby. Und so ist denn auch in einem Schaufenster der älteste Orden von Mainz zu sehen: Ein Kamel-Orden aus Papier aus dem Jahr 1837.

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Der älteste Mainzer Orden von 1838 und ein Carnevals-Almanach von 1839 – Foto: gik

1837, da wurde in Mainz der „Krähwinkler Landsturm“ ins Leben gerufen, es war die Geburtsstunde des Rosenmontagszuges, der ab 1838 unter diesem Namen durch Mainz zog. Ein kleines Büchlein erinnert stolz an die Tradition im 19. Jahrhundert: Das Leporello aus dem Jahr 1857 bildet den kompletten Zug als Malerei ab, ausgestreckt misst das Werk 6,40 Meter. „Das ging in den alten Vitrinen komplett unter“, sagt Jacoby. Für die neue Ausstellung wurde das Werk digitalisiert, nun kann sich der Besucher mit einer Kurbel durch das ganze Leporello blättern.

Andere kleine Kästen verbergen Tafeln zum Herausziehen, dort erfährt der Besucher dann etwa, dass Carl Zuckmayer einst als Klepperbub durch Mainz schritt, woher das Zugplakettche kommt, und wie der Fastnachter Seppel Glückert in seinen Büttenreden den Nazis trotzte. Glückert, Sohn eines Schreibwarenhändlers aus der Augustinerstraße, wurde zum großen Virtuosen der politisch-literarischen Fastnacht und traute sich gar, in seinen Reden selbst an den Nazis Kritik zu üben, wenn auch versteckt. 1838 gab aber auch er notgedrungen auf, an einer Hörstation kann man Glückerts Reden noch einmal lauschen. Um die Ecke zeigt ein Fernseher Büttenreden von Fastnachtsgrößen wie Herbert Bonewitz – die großen Redner von „Mainz bleibt Mainz“ spielen natürlich eine zentrale Rolle im Fastnachtsmuseum.

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Rolf Brauns Brille, die weißen Handschuhe von Roth und die Gans vom Bonewitz – das Mainzer Fastnachtsmuseum hat tolle Objekte – Foto: gik

Da ist die berühmte Hornbrille des legendären Sitzungspräsidenten Rolf Braun, aber auch die Lederschürze des singenden Dachdeckermeisters Ernst Neger samt seinem Klavier und den Noten des berühmten „Heile Gänsje“, des Liedes, das im Nachkriegsdeutschland Mainz und die Republik zu Tränen rührte. Das „Heile Gänsje“ wurde zu DEM Identifikationslied in Mainz, aber natürlich dürfen in dem Schaufenster auch Margit Sponheimer und ihre unvergessenen Hits oder die Mainzer Hofsänger nicht fehlen. Die Fastnacht sei eben auch ein wichtiges Stück Mainzer Stadtgeschichte, sagte  der Vizepräsident des Bundes Deutscher Karneval, Peter Krawietz. Und das Fastnachtsmuseum beherberge eben „keinen dumpfen Mief und auch keinen alten Krempel“, sondern sei „DIE Mainzer Bildungsstätte schlechthin.“

„Wenn de Määnz meenst, meenste Määnzer Fastnacht“, sagte Krawietz und erinnerte mit Goethe daran, dass „das närrische Spiel eigentlich nur als begrenztes Spiel Sinn macht.“ Krawietz erinnerte auch an Carl Zuckmayer und dessen Fastnachtsbeichte und berichtete, wie fasziniert der Schriftsteller von der „völligen Freiheit der Maskenzeit“ war, deren „Grazie“ (sic!) als volksnahes Fest ihn an klassisch-römische Heiterkeit erinnerte. „Die Fastnacht ist nicht durchgehend laut, brüllend und lachend“, unterstrich Krawietz, „sie macht nicht nur besoffen und ausgelassen, sie hat auch einen deutlich spürbaren melancholischen Bezug.“

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Leporello vom Mainzer Rosenmontagszug von 1857 im Original (rechts) und digital zum Blättern (links) – Foto: gik

Nachdenklich, eulenspiegelhaft der Gesellschaft den Spiegel vorhaltend, auch das ist eben Fastnacht, wenn sie auf Meenzer Art gefeiert wird. „Wenn’s endlich wieder Fastnacht ist, und freundlich uns die Muse küsst“, reimte Krawietz, „dann scheuen wir nicht Müh‘ und Plag für einen Mainzer Sitzungstag.“ Gehaltvoll und auch kritisch – „und die, die ohne Meinung sind, ihr Fähnchen hängen nach dem Wind, sind ganz, ganz arme Deifel.“

Zur Ironie der Mainzer Fastnachtsgeschichte gehört natürlich auch, dass der einst als Nestbeschmutzer geschmähte Bonewitz heute mit seinem Prinz Bibi zu den Stars des Museums und zu den Erneuerern der Mainzer Fastnacht zählt. Seine Gänsje-Parodie hängt gleich neben den weißen Handschuhen von Norbert Roth und den Kostümen der berühmtesten Putzfrauen der Fastnachtsgeschichte: Fraa Babbisch und Fraa Struwwelisch. „Steigen Sie in die Bütt“, empfiehlt Innenarchitekt Peter Kneip, der die Ausstellung gestaltete, „wenn Sie gut sind, gibt’s auch den Narren-Tusch.“ Die Original-Eulen-Bütt stammt aus der Fernsehsitzung, eingebaute Knöpfe lassen Tusch, Narhallamarsch oder Uiuiui erklingen. Das Einzigartige an der Mainzer Fastnacht? „Dass ihre Form mit der Fernsehsitzung heute in ganz Deutschland verbreitet ist“, sagt Jacoby: „Wenn man irgendwo Fastnacht feiert, dann auf Mainzer Art.“

Info& auf Mainz&: Das neu gestaltete Mainzer Fastnachtsmuseum ist seit heute immer dienstags bis sonntags von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Ihr findet es im Proviantamt in der Schillerstraße, der Eingang ist auf der Rückseite, dort, wo ein Bajazz die Laterne hebt. Infos unter www.mainzer-fastnachtsmuseum.de.

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