Nach der Ohrfeige aus Karlsruhe für das Sondervermögen des Bundes droht nun der Gastronomiebranche ein herber Schlag: Die Anhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent zum Januar 2024. Der Gaststättenverband Dehoga spricht von einer möglichen „fatalen Fehlentscheidung“, die Freien Wähler warnten am Freitag vor einer Pleitewelle. Erst vergangene Woche hatten Gastronome auch in Mainz deutlich gemacht: Eine Anhebung von 7 auf 19 Prozent würde für viele Restaurants und Kneipen das Aus bedeuten – und käme auch die Gäste und die Innenstädte teuer zu stehen.
Am Mittwoch hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Umwidmung des Corona-Sondervermögens in einen Klima- und Transformations-Fond (KTF) für verfassungswidrig erklärt – nun fehlen dem Bund rund 60 Milliarden Euro, die für die Finanzierung von billigerem Strom, für Investitionen in die Bahninfrastruktur, für die Subventionierung von Wärmepumpen und diverse andere Klimavorhaben vorgesehen waren.
Finanzminister Christian Lindner (FDP) machte umgehend klar, der Bund müsse nun eisern sparen und Prioritäten setzen – damit aber steht eine wichtige Entlastung für das Hotel- und Gaststättengewerbe nun wohl auf der Kippe: Zum 1. Januar sollte die zu Coronazeiten auf 7 Prozent abgesenkte Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke wieder auf 19 Prozent steigen. Dagegen lief bereits seit Monaten das Gastgewerbe Sturm: Mit der Kampagne „Die 7 Prozent müssen bleiben“ wies der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga schon seit dem Sommer auf fatale Folgen für die Gastronomielandschaft hin.
Delbasteh: Anhebung der Mehrwertsteuer Existenz-bedrohend
Zum 1. Januar 2024 drohe „eine Katastrophe für die Betriebe und ein Preisschock für die Gäste“, warnte DEHOGA-Chef Gereon Haumann – das hätte fatale Folgen für Gesellschaft, Staat und Gastgeber. Denn trotz der Corona-Hilfen habe die Branche bundesweit in den Jahren 2020 und 2021 rund 36.000 Gastronomiebetriebe verloren. Die finanzielle Situation der Betriebe sei aber auch nach Corona weiter angespannt, wegen der galoppierenden Inflation sowie den stark gestiegenen Energiepreisen blieben die Gäste noch immer weg.
Das bestätigten vergangene Woche auch Gastronome in Mainz: „Nach der Coronakrise, der Inflation, den Kriegen und Krisen, leiden die Menschen unter der Inflation und haben oft kein Geld mehr zum Weggehen“, sagte Ata Delbasteh, Gastronom aus Mainz und Vorsitzender der Mainzer SPD im Gespräch mit Mainz&. Die Zurückhaltung der Menschen beim Ausgehen sei „definitiv zu spüren“, betonte Delbasteh: „Man hat zwar an einem Samstag den Laden komplett voll, aber an einem Dienstag gar keinen Umsatz“, beschrieb er die Lage.
Die Gastronomiebetriebe hätten aber in der Corona-Pandemie „um Überleben zu können, vielfach Kredite aufgenommen“, sagte Delbasteh weiter: „Wir haben hohe Anstrengungen unternommen, neue Leute eingestellt, zahlen Mindestlohn.“ Wenn die Branche jetzt noch 12 Prozent mehr zahlen müsse, „dann ist das definitiv existenzbedrohend“, unterstrich er. Die Umsätze in der Branche seien zwar hoch, aber die Marge gering. Auch Delbasteh befürchtet deshalb, dass eine Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer gravierende Auswirkungen haben könne: „Es wird einen schleichenden Niedergang der Gastronomie geben, die Spirale geht komplett nach hinten los – das könne auch zu einer Verödung von Innenstädten führen“, warnte er.
Dehoga warnt vor Preisschock und Pleitewelle
Tatsächlich hatte schon im Juli der rheinland-pfälzische Dehoga-Chef Gereon Haumann gewarnt, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2024 wäre „eine Katastrophe mit fatalen Folgen.“ Laut einer DEHOGA-Umfrage gaben 97,7 Prozent der befragten rheinland-pfälzischen Unternehmer an, sie wären dann gezwungen, ihre Preise anzuheben. „Nur mit den 7% ist es bisher gelungen, die explodierenden Kosten bei Energie, Lebensmitteln und Personal zumindest teilweise aufzufangen“, betonte Haumann.
Am Freitag warnte Haumann erneut, eine Rückkehr zu den 19 Prozent werde deutschlandweit zu rund 12.000 Betriebsschließungen führen, davon allein zwischen 750 und 1.000 in Rheinland-Pfalz. Das Bundesverfassungsgericht habe „der Bundesregierung ein vernichtendes Arbeitszeugnis ausgestellt“, die „Fehlerkorrektur“ solle nun aber „das deutsche Gastgewerbe ausbaden“, schimpfte Haumann: „Tausende kleine familiengeführte Betriebe des Gastgewerbes müssen nun unter den Taschenspielertricks der Grünen leiden, die das Bundesverfassungsgericht als rechtswidrig entlarvt hat.“
Es sei „ein fataler Irrweg, als Reflex auf das vernichtende Urteil des Bundesverfassungsgericht nun das Gastgewerbe heranzuziehen und bluten zu lassen“, kritisierte Haumann weiter. Die Politik lege damit „die Axt an den Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält: unsere öffentlichen Wohnzimmer“ und nehme sehenden Auges „durch die Steuererhöhung Insolvenzen, Ausbildungs- und Arbeitsplatzverluste im ländlichen Raum und die Verteuerung von Speisen in fast allen Lebensbereichen in Kauf!“ Und das, obwohl gerade die FDP aber auch die SPD die Verlängerung der Absenkung gerade noch gut geheißen hätten.
Streit: Mainzer Ampel gefährdet Arbeitsplätze und Lebensqualität
Tatsächlich hatte sich auch die Mainzer FDP für die Beibehaltung der 7 Prozent ausgesprochen: Er stehe hinter dem Beschluss der Berliner Bundestagsfraktion für die Entfristung, „die 7 Prozent sollen bleiben, da stehe ich hinter“, sagte FDP-Fraktionschef David Dietz bei einer Aktion in der Mainzer Innenstadt. „Wenn Gastronomiebetriebe wegfallen, leidet de die Attraktivität der Innenstädte“, warnte auch Dietz: „Attraktive Innenstadt bedeutet vielfältige Gastronomie.“
Die Freien Wähler (FW), die das Thema im Juli bereits im Mainzer Landtag thematisiert hatten, kritisierten am Freitag die nun geplante Wiederanhebung scharf: „Mit der Rückkehr zum Vor-Corona-Steuersatz sehen sich beide Seiten der Theke mit unzumutbaren Preisen konfrontiert“, warnte FW-Fraktionschef Joachim Streit. Neben den Gastronomen werde damit „ebenfalls der ‚kleine‘ Mann getroffen, auch der soll sich doch mit der Familie künftig noch den Besuch unserer Gastronomie leisten können“, betonte Streit.
Auch die Ampel-Regierung in Mainz habe jedoch den Antrag der Freien Wähler im September im Landtag abgelehnt und damit „eine große Chance vertan, die rheinland-pfälzische Gastronomie zu unterstützen, den Tourismus-Standort Rheinland-Pfalz zu stärken und den Bürgern ein Stück Lebensqualität zu erhalten“, kritisierte Streit: „Wir sind enttäuscht über die fehlende Initiative der Mainzer Ampel und über die Entscheidung der Berliner Ampel – zumal in den meisten EU-Staaten ein reduzierter Mehrwertsteuersatz gilt.“ Die Anhebung muss im Zuge der Haushaltsberatungen im Bundestag noch beschlossen werden.
Update&: Am Abend meldete sich auch die CDU.-Opposition zu Wort: „Die jetzt eintretende Preissteigerung ist von den Ampel-Regierungen in Mainz und Berlin gewollt und durchgedrückt“, kritisierte die tourismuspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Petra Schneider. Die Ampel setze damit „in unseren Städten und Dörfern die Gastwirtschaft als Kulturgut aufs Spiel, nimmt den Existenzverlust von tausenden Gastronomen billigend in Kauf und trägt die Verantwortung dafür, dass sich gerade in dieser Zeit immer weniger Menschen einen Restaurantbesuch leisten können.“
Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema, wie sich die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent auf Pizza & Co auswirken könnte, und welche Positionen die Parteien der Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz einnahmen, lest Ihr hier bei Mainz&.