Martinshorn im Dauereinsatz, das Feuerwehrboot auf dem Rhein, Hubschrauber über der Brücke – es war ein unruhiger Samstagvormittag in Wiesbaden. Eine Großübung der Wiesbadener Feuerwehr sorgte für Stau und Unruhe. Im Mittelpunkt der Übung: Ausgerechnet die Schiersteiner Brücke. „Brückenunfall“ und „Feuer im Containerdorf“, das waren zwei der Übungsszenarien. Wie schnell ein Brückenunfall passieren kann, haben wir ja im Februar gesehen. Und seit die Brücke beschädigt ist, kommt Rettung nur noch aus Wiesbaden.
Nein, die Mainzer Kollegen seien bei der Übung nicht dabei, räumte Polizeisprecher Tobias Thiele ein: Die Mainzer könnten von ihrer Seite aus nicht mehr zur Hilfe auf die Brücke eilen, die Fahrzeuge seien zu schwer für den beschädigten Teil. „Die haben keine Chance“, sagte Thiele. Ihr erinnert Euch ja: Am 10. Februar krachte in der Nacht ein Teil der Schiersteiner Brücke um 30 Zentimeter nach unten, weil sich ein Pfeiler bei den Bauarbeiten an der Brücke schief gestellt hatte.
Für die Feuerwehr müssen erst die Schikanen weg
Seither ist die Brücke für schwere Lkw komplett gesperrt, der beschädigte Teil verkraftet zwar wieder normale Pkw, nicht aber schwerere Fahrzeuge über 7,5 Tonnen – und das betrifft auch Sprinter. Doch solche Fahrzeuge hat auch die Feuerwehr, ihre Sprinter und vor allem die schweren Löschzüge können deshalb nur noch von Wiesbaden aus auf die Brücke. Und auch dabei müssen erst die Schikanen aus dem Weg geräumt werden, die schwere Lkws an der Auffahrt zur Brücke stoppen.
Man habe noch nie ausprobiert, wie schnell die Feuerwehr mit ihren Löschzügen im Ernstfall auf der Brücke sein könne, wenn der Verkehr normal rolle, sagte Thiele. Am Samstag wurde das nun geprobt: Verkehr stoppen, Schikanen wegräumen, Feuerwehrautos auffahren lassen, dann mitten auf der Brücke die Leitplanke zum Wenden öffnen – so verläuft nun der Rettungsweg.
Szenario Brand in Baucontainer: Schnell geht das nicht
„Brand in einem Baucontainer“, lautete eines der Übungsszenarien am Samstag. Tief unter der Brücke, auf der Rettbergsaue – einer Insel im Rhein – steht das Schlafdorf der Brückenarbeiter. Bricht hier ein Feuer aus, ist der Weg dorthin weit: Die Feuerwehr müsste per Boot über den Rhein fahren, was viel zu lange dauern würde. „Wir haben deshalb dort einen eigenen Container mit Material für einen Erstschlag aufgebaut“, erklärt Thiele, das sei „eine logistische Meisterleistung“ gewesen. So ist das Material schon vor Ort, nur die Menschen müssen noch hinkommen.
„Es wird lange dauern“, räumte Thiele ein, aber mehr gehe unter den Umständen eben einfach nicht. Zudem besprachen sich bei der Übung die Feuerwehrleute vor Ort recht lange, während aus einem Container Rauch und Hilferufe drangen. Es mache keinen Sinn, kopflos loszustürzen, verteidigte Thiele das Vorgehen der Feuerwehrleute. Mit einem 20 Kilogramm schweren Atemschutzgerät auf dem Rücken müsse man sich die Kräfte einteilen, „sonst bin ich fertig, bevor der Einsatz beginnt.“ Das verstehen wir ja, aber das Tempo der Rettungskräfte war wirklich niedrig… Wir nehmen mal an, dass es an der Übung lag 😉
Sieben Szenarien: Schiffsunfall, Personensuche, Pkw im Hafen – und Brückenunfall
Insgesamt sieben Szenarien hatte sich die Feuerwehr Wiesbaden für den großen Übungstag ausgedacht. So wurde auch eine Schiffshavarie an der Theodor-Heuss-Brücke geprobt, die Suche mit Rettungshunden nach Personen auf der Petersaue und ein versunkener Pkw aus dem Schiersteiner Hafen gerettet. Im Mittelpunkt stand aber die Schiersteiner Brücke selbst: „Bauunfall am neuen Brückenbauwerk“ lautete die zentrale Übung auf der Brücke. Zwei Arbeiter verletzt, zwei vermisst, so lautete die Szenario-Ansage.
Eine Drehleiter wird ausgefahren, mit ihr die Lücke zwischen der alten und der neuen Brücke überwunden. Feuerwehrleute können nun auf der neuen Brücke Arbeiter versorgen. Zwei weitere Rettungskräfte seilen sich von der alten Brücke ab in die Tiefe. Dort, auf der Baustelle unter der Brücke, liegen verletzte Arbeiter…
Eigene Einheit für Rettung aus Höhen und Tiefen
Und da kommt der Hubschrauber: Vorsichtig tastet sich das Gefährt an die Stelle heran, steht schließlich genau über dem verletzten Arbeiter in der Luft. „Wir sind eine der wenigen Feuerwehren, die eine Höhenrettungsgruppe haben“, erzählt Thiele stolz. Zwölf Mann stark ist die Einheit für „Spezielle Rettung aus Höhen und Tiefen“, die auch Menschen aus tiefen Kanälen oder auch mal einem Weintank rettet – so geschehen einmal bei der Sektkellerei Söhnlein.
Auf der Brücke klappt alles am Schnürchen: Die Trage wird befestigt und zügig in die Höhe gehievt, wenige Minuten später ist der „Verletzte“ in Sicherheit. Allerdings staut sich derweil der Verkehr in beiden Richtungen. „Wir haben die Brücke gesperrt, weil wir Angst hatten, ein Autofahrer lässt sich vom Hubschrauber ablenken“, betonte Thiele.
Scharfe Kritik auf Facebook an Brückensperrungen diesen Samstag
Auf Facebook hatte es an der erneuten Brückensperrung an einem Samstag scharfe Kritik gegeben. „Warum zur Hölle Samstags wo hier ohnehin jedes Wochenende Der Verkehr regelmäßig zusammenbricht???“, ärgerte sich ein Facebook-User auf der Seite von Wiesbadens Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD). Und ein andere User meinte, klar müsse die Übung sein: „Aber sorry, das Timing zu Johannisfest und bei gleichzeitig stattfindenden Großkonzerten und gerade überstandener Brückensperrung ist eine Frechheit.“
„Solche Übungen sind absolut notwendig, um die Zusammenarbeit für den Ernstfall zu üben“, verteidigte Gerich den Samstagseinsatz. Und schließlich sei es ja gerade Sinn, die Übung bei normalem Verkehr abzuhalten. Der Samstag wiederum sei notwendig gewesen, um die vielen ehrenamtlichen Helfer der Feuerwehr beteiligen zu können. Tatsächlich wurde der Verkehr auf der Brücke nur ein paar Mal für etwa eine Viertelstunde angehalten.
Personensuche mit Rettungshunden
Ziel der Großübung mit ihren vielen Szenarien war denn auch, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Einsatzgruppen zu koordinieren. Dazu gehörte auch eine Staffel der Freiwilligen Feuerwehr mit Rettungshunden. Aufgeregt bellen die sechs tierischen Retter, können es kaum erwarten, loszulegen. „Wenn wir die Klamotten anziehen, wissen die schon Bescheid“, sagt Jutta Klar schmunzelnd. Ihre fünf Jahre alte Schäferhündin Bora-Bora ist mit Begeisterung dabei, zwei Jahre dauere es, bis man einen Hund fit für den Einsatz habe, erzählt Klar.
Warum sie sich ehrenamtlich (!) mit ihrem Hund engagiert? „Weil es einfach Spaß macht, mit den Hunden zu arbeiten, und wenn man auch noch jemanden retten kann…“, sagt Klar. Im ganzen Rhein-Main-gebiet ist die Hundetruppe im Einsatz, auch in der Türkei waren sie schon zur Erdbebenhilfe. Jetzt geht es aber erst einmal mit dem Feuerwehrlöschboot über den Rhein auf die Insel, auch dieser Teil soll geprobt werden, auch wenn die Petersaue über eine Brücke erreichbar ist.
Auf der Insel dann Einsatzbesprechung, Aufteilung der Suchareale. Binnen einer halben Stunde ist die Hundestaffel vor Ort, soll hier nach Personen suchen, die sich möglicherweise bei der Schiffshavarie aus dem Rhein auf die Insel retteten. Der Einsatz klappt, nicht überall ist das der Fall: Bei der Bergung eines Fahrzeugs im Schiersteiner Hafen will der Sack mit der Pressluft einfach nicht am Auto halten. Er soll das Auto in die Höhe ziehen, zweimal rutscht der Sack ab.
„Bei einer Übung kommen auch Fehler vor“, sagte der Leiter der Wiesbadener Berufsfeuerwehr, Harald Müller, beim Fazit nach der Übung. Auch sei „die eine oder andere Alarmierung“ zu spät weiter gegeben worden, das werde man jetzt auswerten. Es sei „eine Riesenherausforderung“ gewesen, alle Szenarien gleichzeitig zu koordinieren. Doch insgesamt war Müller zufrieden mit dem Verlauf: „Wir haben gelernt, dass wir ziemlich gut sind“, sagte er, „die Zusammenarbeit hat gut funktioniert.“ Das hören wir gerne 😉