Machtwechsel in Mainz: Zum 1. Juli bekommt Mainz eine neue Sozialdezernentin, ein neuer Baudezernent steht auch in den Startlöchern, und ein altgedienter Dezernent wurde verabschiedet – es ist Zeitenwende in Mainz. Am Montag übergab der scheidende Sozial- und Schuldezernent Eckart Lensch den Schlüssel zum Sozialdezernat an seine Nachfolgerin Jana Schmöller (SPD), die 33-Jährige dürfte die jüngste Dezernentin sein, die je in Mainz ihr Amt antrat. Endlich rechtssicher gewählt ist nun auch Baudezernent Ludwig Holle: Der CDU-Mann wurde vergangenen Mittwoch im Mainzer Stadtrat zum zweiten Mal ins Amt gewählt.

Der Machtwechsel zieht sich allerdings gehörig: Im Juni 2024 war die alte Ampel-Koalition in Mainz nach 15 Jahren abgewählt worden, vor allem, weil SPD und FDP in der Wählergunst verloren. Im November 2024 dann einigten sich Grüne, SPD und CDU auf eine neue Kenia-Koalition, die seither darauf wartet, ihre neuen Dezernenten endlich ins Amt heben zu können – wegen der ungewöhnlich langen Amtszeit von acht Jahren für Dezernenten in Rheinland-Pfalz, zieht sich die Neubesetzung der Ämter noch schlimmstenfalls bis Ende 2026 hin – das wären dann mehr als 2,5 Jahre nach der Kommunalwahl.
Schlimmer noch: Auch die Neuaufteilung der Geschäftsbereiche kann nicht neu geregelt werden, solange die alten Dezernenten noch im Amt sind, darauf einigte sich die Kenia-Koalition – und darunter leidet die Politik in der Stadt. Denn manche scheidende Dezernenten – wie etwa Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) – haben bereist einen gewählten Nachfolger vor der Tür sitzen, andere kommen ins Amt, dürfen aber Geschäftsbereiche noch nicht übernehmen – oder müssen gar komplett auf ihren Amtsantritt warten obwohl sie längst gewählt sind.
Schlüsselübergabe von Lensch an Schmöller im Sozialdezernat
Das betrifft etwa die Dezernentin, die am 1. Juli 2025 ihr neues Amt antritt: Die Mainzer SPD-Chefin Jana Schmöller wurde Anfang Februar 2025 im Mainzer Stadtrat zur neuen Mainzer Dezernentin für Soziales, Familie und Jugend gewählt, ihr Amt tritt sie indes jetzt erst an: Am Montagabend übergab ihr Vorgänger Eckart Lensch (SPD) symbolisch den Schlüssel für das Mainzer Sozialdezernat an Schmöller. Die wiederum soll eigentlich gar nicht für den Bereich Schule zuständig sein, muss ihn aber noch leiten, bis ihr im Mai gewählter Kollege Ata Delbasteh sein Amt als Schul- und Kulturdezernent antreten darf – was erst im Frühjahr 2026 der Fall sein wird, wenn Vorgängerin Grosse aus dem Amt scheidet.

Für Schmöller geht es jetzt wenigstens schon mal los: Die gerade einmal 33 Jahre junge Politikerin und Mutter einer kleinen Tochter hatte gemeinsam mit Delbasteh nach der für die SPD desaströsen Oberbürgermeisterwahl Anfang 2023 den Vorsitz der Mainzer SPD übernommen. Gemeinsam schaffte es das Duo, die SPD nach dem Verlust des OB-Postens in Mainz wieder aufzurichten und einen Absturz bei der Kommunalwahl im Juni 2024 zu verhindern. Trotz leichter Stimmenverluste konnte sich die SPD bei 12 Sitzen halten, damit ist sie weiter drittstärkste Kraft im Rat.
Erfahrung als Führungskraft hat Schmöller – jenseits der Parteiarbeit – aber keine: Hauptberuflich arbeitete sie bisher als Referentin im Mainzer Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit, und war dort zuständig für Verträge zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und Religionsgemeinschaften. In ihrer Bewerbungsrede im Stadtrat legte Schmöller den Schwerpunkt auf typisch sozialdemokratische Themen wie bezahlbares Wohnen und die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz. Ihr Credo: „Sozialpolitik muss den Menschen in den Mittelpunkt stellen“, die Frage des bezahlbaren Wohnens sei „die zentrale soziale Frage unserer Zeit“, und ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz werde eine wichtige Rolle spielen.
Bezahlbares Wohnen, steigende Sozialausgaben, Kitaplätze
Gerade im Bereich bezahlbares Wohnen hat die SPD in den vergangenen Jahrzehnten allerdings kein besonders glückliches Händchen gehabt: Mainz gehört inzwischen zu den fünftteuersten Städten der Republik, gebaut wurden gerade unter der Ägide von Ex-OB Michael Ebling (SPD) hochpreisige Luxuswohngebiete am Winterhafen, am Zollhafen sowie in der Mainzer Oberstadt. Ein Mittel gegen explodierende Mietpreise und Immobilienkosten hat die SPD bislang nicht gefunden – allen Beteuerungen zum Trotz, man wolle mit der Mainzer Wohnbau als städtische Gesellschaft genau das erreichen.

Viel zu tun also für die Neue im Amt, die mit massiv steigenden Sozialausgaben, dem Management von Flüchtlingsunterkünften sowie Rechtsansprüchen auf Kitaplatz und künftig Ganztagsbetreuung in Grundschulen konfrontiert ist – bei gleichzeitig steigenden Preisen für das Mittagessen in Kitas und gekürzten Öffnungszeiten wegen des neuen Sparprogramms. Die Mainzer Linke kritisierte die Sparpläne der Kenia-Koalition bei den Kitas jedenfalls schon mal scharf – bei den Eltern dürfte der Unmut noch nicht einmal angekommen sein.
Schmöllers Vorgänger Eckart Lensch wurde vergangenen Mittwoch im Mainzer Stadtrat mit viel warmen Worten verabschiedet: Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) lobte den Sozialdemokraten als uneitlen und engagierten Streiter für Soziales und Menschlichkeit, und ehrte ihn mit der Verleihung des Ehrenrings der Stadt Mainz. „Sie haben nie groß Aufhebens um Ihre Arbeit gemacht“, sagte Haase, „aber Sie waren immer der Fürstreiter der Menschen in den 20 Jahren ihres Engagements.“
Lensch war acht Jahre lang Mainzer Sozialdezernent und davor Fraktionschef der SPD im Mainzer Stadtrat, Haase machte auch klar: Es waren keine einfach Jahre. Lenschs Amtszeit wurde erst durch die Flüchtlingskrise 2015 geprägt, dann von der Corona-Pandemie, „Sie haben oft mehr Zeit in Krisenstäben verbracht als in ihrem Büro“, erinnerte Haase.
Lenschs Amtszeit: Flüchtlingskrise und Corona-Pandemie
Gleichzeitig musste Lensch Herausforderungen wie den Bau neuer Schulen und den massiven Ausbau der Kitaplätze stemmen, den Digitalpakt Schule und die integrierte Jugendhilfeplanung. „Da brauchte man jemanden, der die Ruhe behält – und das waren sie“, lobte Haase, Lenschs Markenzeichen sei das „unglaublich bedachte und besonnene“ Agieren gewesen, dass mancher Kritiker als Zögern missverstanden habe. Lensch aber habe die Kunst beherrscht, „Dingen auch mal Zeit zu geben, und erst abzuwägen und dann zu entscheiden – das ist eine ganz große Qualität.“

Lensch hinterlasse ein gut bestelltes Feld, dazu eine Führungskultur voller Respekt und Empathie. „Sie waren sich nie zu fein, sich für Menschen einzusetzen, die nicht behütet aufgewachsen sind“, sagte Haase, und dankte Lensch gerade auch dafür, ihm als neuem OB im Amt mit Vertrauensvorschuss entgegen gekommen zu sein: „Mir war es eine ganz große Ehre, mit Ihnen in den vergangenen zwei Jahren zusammenarbeiten zu dürfen“, betonte Haase. Lenschs Verabschiedung sei deshalb „nicht nur eine Zäsur für Sie und Ihre Frau, sondern auch für die Stadt und die Menschen.“
Lensch selbst bilanziert, er als Mediziner habe in der Politik viel gelernt – erst durch die Stadtratsarbeit, später in der Koalition. Die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern zu verbessern, sei ihm ein Anliegen gewesen, manches in der Politik habe ihn auhc befremdet – etwa, dass Fragen nicht als Anregung gesehen würden, sondern als Mittel, andere zu verunsichern. „Der schriftliche Umgangston war für mich zum Teil fremd und hart – aber das hat sich gebessert: vom Azubi bis zum OB“, bilanzierte Lensch. Und noch eines habe ihn irritiert: „Ich habe nie einen Rechenschaftsbericht ablegen müssen“, sagte Lensch: „Ich rege mal an, dass die jetzt neu kommenden Dezernenten sich diese Gelegenheit schaffen.“
Holle zum zweiten Mal zum Baudezernenten gewählt
Das Kuriose in der Stadtratssitzung am Mittwoch: Ludwig Holle (CDU), eigentlich schon im Mai zum neuen Mainzer Baudezernenten gewählt worden, musste sich noch einmal zur Wahl stellen – ein Formfehler machte es nötig. Holle will das wichtige Baudezernat im Ehrenamt führen, weil die Stadt Mainz keinen weiteren hauptamtlichen Dezernenten schaffen durfte – aus der CDU heißt es dazu, das sei bei einer Größe wie der Stadt Mainz schlicht nicht mehr zeitgemäß: Als das Kommunalwahlrecht in Rheinland-Pfalz geschaffen wurde, hatte die größte Stadt 140.000 Einwohner, heute umfasst die Stadt Mainz mehr als 220.000.

Holle wurde vergangenen Mittwoch unspektakulär mit 37 Ja-Stimmen der Kenia Koalition noch einmal gewählt, bei gerade einmal 49 anwesenden Stadträten – von eigentlich 60 – entspricht das 75,5 Prozent. Bei der ersten Wahl im Mai waren es bei 51 abgegeben Stimmzetteln noch 76,4 Prozent und 39 Ja-Stimmen gewesen. Holle sagte, er nehme die Wahl „immer noch an“, bei seiner Bewerbungsrede im Mai hatte der 52 Jahre alte Wirtschaftsingenieur betont, er wolle „an der Zukunft dieser Stadt bauen“ helfen. Als Schwerpunkte nannte er die Entwicklung neuer Flächen für Wohngebiete, die Sanierung von Altgebäuden sowie Weichenstellungen für die Zukunft: „Der Klimawandel ändert, was wir bauen und wie wir bauen“, unterstrich Holle.
Zuständig wird der neue CDU-Dezernent zudem für den Bereich des „Historischen Erbes“ sein: Es gelte, die reiche Vergangenheit von Mainz von den Römern über das Mittelalter und die jüdischen SchUM-Städte bis hin zur Erinnerung an den Nationalsozialismus zu bewahren, unterstrich Holle. Mainz dürfe „nicht vergessen, wie wichtig das historische Erbe für den Tourismus unserer Stadt sein kann“, mahnte er zugleich: „Wir haben hier die Chance einen bedeutenden Wirtschaftszweig zu entwickeln.“ Umsetzen kann auch Holle das aber erst ab Frühjahr 2026: Dann übernimmt er das Amt von Grosse.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den neuen Dezernenten für Mainz, ihrem Hintergrund und ihren Zielen, lest Ihr hier bei Mainz&.