Die Sommerferien sind da – und mit ihnen die Sommerbaustellen. Als hätte Mainz noch nicht genug offene Löcher, sind mit dem ersten Ferienmontag noch einige dazu gekommen – und was für welche. Seit dem 3. Juli ist nun auch die Theodor-Heuss-Brücke nur noch einspurig befahrbar, ebenso die Binger Straße in Höhe des Hotelneubaus. Auch die Parcusstraße bleibt ein einspuriger Slalomparcour, dazu ist jetzt auch die Große Bleiche verengt – in der Schillerstraße werden die Straßenbahngleise neu gemacht. Und als wäre das noch nicht genug, trifft es auch noch die Pariser Straße: Die Betonleitwand in der Mitte muss ausgetauscht werden. Dazu ist auch noch der Rheingauwall dicht, und die Elly-Beinhorn-Straße in Hechtsheim einspurig – Leute, fahrt in Urlaub!
2.000 Baustellen zählt Mainz im Laufe dieses Jahres, das ist Rekord. Und in diesem Sommer trifft es Mainz besonders dicke: Praktisch alle Einfallstraßen nach Mainz sind derzeit mit Baustellen mehr oder weniger lahm gelegt. Ganz dicke trifft es die Saarstraße: Zwischen der Autobahnausfahrt Mainz-Finthen und dem Europakreisel erneuert der Landesbetrieb Mobilität die Fahrbahndecke wegen Schlaglöchern und massiver Spurrinnen – Dauer: Bis Ende August 2017. Grund für den Zeitpunkt jetzt: Man will die Spielpause des Fußball-Bundesligisten Mainz05 nutzen und mit den Arbeiten bis zum Saisonstart der Bundesliga fertig werden.
Ab dem 5. Juli wird der Verkehr hier für rund sechs Wochen komplett auf die Südfahrbahn umgelegt – mit erheblichen Staufolgen. Dadurch ist dann auch die Ausfahrt Richtung Gonsenheim nicht mehr benutzbar. Und in der Folge geht es gleich weiter mit Behinderungen auf einer der Haupteinfallrouten nach Mainz: Am Binger Schlag wird der Verkehr ab dem 4. Juli wieder einmal einspurig an der Baustelle für das neue Trigon-Hotel vorbei geführt. Der Grund: „Die brauchen ja Strom“, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) bei einer Pressekonferenz vergangene Woche. Das Bauvorhaben sei ein privates, die Stadt könne die Herstellung des Hausanschlusses nicht ablehnen – bis zum 15. Juli wird der Binger Schlag deshalb zum Flaschenhals.
Stadt fährt bewusst „Strategie Flaschenhals“ mit Baustellen-Reihung an Saarstraße
Die „Strategie Flaschenhals“ sei bewusst gewählt, sagte Eder weiter: „Wenn wir oben eine Engstelle haben, tröpfelt nur wenig Verkehr rein, damit können wir eine Einspurigkeit an der Binger Straße besser verkraften.“ Will sagen: Die Stadt reiht bewusst eine Baustelle an die andere auf der Achse Saarstraße – Binger Schlag – Parcusstraße, weil sie kalkuliert, dass ohnehin weniger Verkehr auf der Achse unterwegs ist. Allerdings wird damit eine Hauptroute in Mainz komplett lahm gelegt – auch für Anwohner und Verkehrsteilnehmer aus den angrenzenden Wohngebieten.
Denn die einspurige Verkehrsführung in der Parcusstraße bleibt noch während der gesamten Sommerferien, während die Große Bleiche nun ebenfalls weiter verengt wird: Bis 15. August weitete sich die Baustelle hier noch einmal aus. Die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) tauscht nämlich während der Sommerferien die Straßenbahngleise in der Schillerstraße zwischen Münsterplatz und Proviantamt aus. Das sei unbedingt notwendig und nicht mehr aufzuschieben, sagte MVG-Geschäftsführer Jochen Erlhof: „Die Gleise sind abgefahren, der Schienenkopf ist zu 90 Prozent weg“, sagte Erlhof, und untermauerte das mit eindrucksvollen Fotos. Mehr noch: „Durch den Schienensteg scheint die Sonne, vom Schienenfuß ist nicht mehr als die Hälfte noch da“, erklärte er: „Die Gleise sind einfach durch.“
Schienen in Schillerstraße zu 90 Prozent abgefahren
Seit Schillerplatz und Schillerstraße umgebaut wurden, sei an den Gleisen nichts mehr gemacht worden, die Schienenstränge seien einfach alt und verbraucht, erklärte der MVG-Geschäftsführer weiter: „Wir sind in einem Bereich, wo wir sehr schnell den Betrieb einstellen müssten.“ Die Gleissanierung sei eigentlich für 2015 geplant gewesen, doch damals kam die Schiersteiner Brücke dazwischen – die Sanierung wurde verschoben. Möglich sei das gewesen, weil es an dieser Stelle geradeaus gehe und ohnehin langsam gefahren würde, sagte Erlhof weiter, nun aber müsse gehandelt werden – auch weil die sanierte Bahnhofstraße neue Gleise bringt. Auch in der Parcusstraße werden neue Gleise Richtung Bahnhof eingebaut.
Damit aber fahren die Busse mal wieder anders als sonst und müssen durch die Große Langgasse rollen, bis zum 11. August will die MVG in der Schillerstraße fertig sein. Dann fehlt noch ein kleines Gleisstück zwischen dem Proviantamt und dem Innenministerium auf dem Schillerplatz, das soll aber in Absprache mit den Geschäftsleuten am Schillerplatz terminiert werden, versprach Erlhof.
Überhaupt bemühen sich Stadt Mainz und MVG verstärkt, auf Anwohner und Mainzer zuzugehen: Vergangene Woche startete Dezernentin Eder eine Kommunikationsoffensive, ausführlich wurde dabei über die anstehenden Sommerbaustellen und ihre Gründe informiert. „Wir können die Baustellen nicht wegreden, ihre Einrichtung ist auch keine politische Entscheidung“, sagte Eder dabei: „Aber wir können die Baustellen besser erklären.“ Es sei einfach über Jahrzehnte hinweg „fast nichts“ investiert worden, die Infrastruktur sei erheblich in die Jahre gekommen. „Das ist definitiv kein Wunschkonzert“, betonte Eder – und verwies auf die Notwendigkeit, die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser sicher stellen zu müssen.
Versicherer: Mainz ist rheinland-pfälzische Hauptstadt der Rohrbrüche
„Wir erschließen neue Wohngebiete und müssen Versorgungsleitungen in die Gebiete legen“, sagte Eder, dazu aber kämen auch Notgrabungen, wo etwa Wasser aufbreche. Tatsächlich meldete der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft just an diesem Montag, Mainz sei die rheinland-pfälzische Hauptstadt der Rohrbrüche: In keiner anderen Region in Rheinland-Pfalz platzten so häufig Rohre und leckten Armaturen wie in Mainz. Die Stadt liege mit einem Index von 155 deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 100 – das allerdings ist ein berechneter Index, keine absolute Zahl.
Und es geht noch deutlich schlimmer: Mannheim kommt auf einen Index von 189, Köln ist mit 263 bundessdeutscher Spitzenreiter. Frankfurt hingegen liegt mit einem Index von 133 deutlich unter Mainz – am niedrigsten ist die Quote in den östlichen Bundesländern, wo nach der Wende viel in die Infrastruktur investiert wurde. Auch diese Erneuerungsarbeiten tragen nun zum Baustellenchaos in Mainz und anderen Städten bei. Mainz sei da beileibe kein Einzelfall, betonte Eder denn auch, „es ist überall so.“
Eder: Sind keine Masochisten, Baustellen nicht aus ideologischen Gründen
Und die Verkehrsdezernentin unterstrich auch noch einmal, im Verkehrsdezernat werde durchaus nachgedacht, welche Baustellen jetzt sein müssten und welche verschoben werden könnten. So sei die Erneuerung der Kaiserstraße verschoben worden, ebenso der Umbau der Bushaltestelle in der Rheinallee. „Jede Baustelle ist der Feind eines jeden Verkehrsflusses – und auch der Feind eines jeden Verkehrsdezernates“, betonte Eder. Auch die städtischen Mitarbeiter stünden im Stau und säßen in heißen Bussen. „Wir sind keine Masochisten“, sagte Eder, „und es ist definitiv absurd, ich würde das aus ideologischen Gründen tun.“
Allerdings räumte Eder auch ein, dass es heute zwar deutlich mehr Baustellen im Stadtgebiet gebe, die Strukturen bei der Koordinierungsstelle aber immer noch die gleichen seien. Drei Stellen gebe es in der Koordinierung, ihr Antrag auf zwei Stellen mehr, sei abgelehnt worden, sagte Eder. Nun sei der Auftrag an eine Beratungsfirma vergeben, die „einen kritischen Blick von außen“ auf die Koordinierungsstrukturen werfen solle. Dazu gehöre, ob die Abläufe richtig funktionierten, aber auch, wie man Firmen besser verpflichten könne, nahtlos aneinander anschließend an Baustellen zu arbeiten – um Baustellen „an denen sich nichts tut“ zu vermeiden.
Dunkelziffer von 500-600 ungemeldeten Baustellen
Dazu komme: „Wir haben eine Dunkelziffer von 500-600 Baustellen, die uns nicht gemeldet werden“, sagte Eder auch – da reiße einfach eine Firma etwa im Bereich Telekommunikation die Straße auf, ihre Mitarbeiter müssten dann den Verursacher ausfindig machen. „Es gibt Fälle, wo wir bis heute nicht wissen, wer da gegraben hat“, sagte der Leiter der Straßenverkehrsbehörde, Udo Beck, „da gibt es ein deutliches Zusammenbrechen von Seriosität und Berechenbarkeit.“
Die Umbauarbeiten in der Bahnhofstraße und kommendes Jahr in der Großen Langgasse seien im Übrigen die einzigen original-städtischen Baustellen im Bereich Stadtreparatur, sagte Eder noch: Mainz werde derzeit eben auch schöner und zudem zukunftsfest gemacht. Allerdings räumte Axel Strohbach, Leiter des Stadtplanungsamtes auch ein, dass die Stadt für diese Baustellen nach Genehmigung der Mittel durch das Land einige Jahre Zeit hätte. „Wenn wir alle Maßnahmen nacheinander abarbeiten wollen, bleibt uns aber nichts anders übrig, als 2018 mit der Großen Langgasse zu beginnen“, sagte Strohbach aber auch – denn danach stehe noch die Boppstraße an.
Hechtsheimer Straße einspurig, Rheingauwall komplett gesperrt
Die anderen Sommerbaustellen sprießen ja auch noch: In der Hechtsheimer Straße müssen Rohre für Fernwärme für das neue Wohngebiet Heilig-Kreuz-Areal verlegt werden, die Straße wird deshalb ab dem 3. Juli für vier Wochen nur noch einspurig befahrbar, der Verkehr durch eine Baustellenampel geregelt. Die Fernwärme ist auch der Grund für eine Sperrung auf der anderen Seite der Stadt: Der Rheingauwall, die Querspange zwischen Mombacher Straße und Hattenbergstraße, ist ebenfalls während der Sommerferien komplett gesperrt – hier muss ein Schacht zurückgebaut werden. „Das geht nur außerhalb der Heizperiode“, betonte Eder, die Umleitung laufe über den Goethetunnel, auch wenn das leider größere Umwege für die Autofahrer bedeute.
Und dann ist da noch die Pariser Straße: Hier müsste eigentlich die Betonmittelleitplanke dringend ausgetauscht werden, das Gebilde sei so marode, dass bei Tempo 70 „die Brocken fliegen“, sagte Eder. Trotzdem habe die Stadt beschlossen, die Leitplanke erst einmal nur in zwei bis drei Tagen Bauzeit herauszunehmen, um nicht noch eine Einfallstraße mit einer Dauerbaustelle zu belasten. Allerdings müsse deshalb auf der Pariser Straße das Tempo auf 50 reduziert werden. „Wir werden die Leitplanke zu einem späteren Zeitraum einbauen und dann natürlich wieder auf Tempo 70 hochgehen“, versprach Eder.
Für Staus in diesem Bereich sorgt ohnehin eine andere Baustelle: Der Landesbetrieb Mobilität hat mit der Sanierung des Autobahnkreuzes Mainz-Süd begonnen, drei Jahre (!) lang wird hier der Bau zweier Brücken für erhebliche Behinderungen sorgen. Und wo wir gerade bei Brücken sind: Die Theodor-Heuss-Brücke sorgt ebenfalls für massive Probleme: Wegen Erneuerung der Fahrbahn ist die Brücke derzeit nur auf einer Seite benutzbar, der Verkehrs rollt einspurig, auch Fußgängern und Radfahrern steht nur die südliche Seite der Brücke zur Verfügung. Dauer: Die ganzen Sommerferien… Wie sagte Jochen Erlhof doch so schön: „Das Ende der Ferien ist das Licht am Horizont.“
Info& auf Mainz&: Wo es gerade überall in Mainz Baustellen gibt und warum, das könnt Ihr auf dem interaktiven Baustellen-Stadtplan der Stadt Mainz sehen – genau hier im Internet. Wo und warum die Stadtwerke gerade buddeln, dazu gibt es eine Liste hier im Internet. Und schließlich bietet auch die MVG eine detaillierte Übersicht über die Mainzelbahn-Baustellen – hier entlang bitte. Mehr zum Mainzer Baustellenchaos und der Kritik am Management der Stadt lest Ihr in diesem Mainz&-Artikel sowie in unserem Artikel CDU will Eder Verkehrsressort entziehen. Ihr habt die Nase voll von Baustellen? Da haben wir etwas zu Eurer Erheiterung: den närrischen Baustellen-Pin mit Narrenkappe! Und den könnt Ihr jetzt direkt auf Mainz& kaufen – genau hier.