Was für ein nettes Gedränge heute vorm Staatstheater! Mainz erlebte die partielle Sonnenfinsternis – und einige Hundert Leute taten das auf dem Gutenbergplatz gemeinsam. Fröhlich, neugierig und begeistert. Da wurden SoFi-Brillen bereitwillig geteilt, und die fünf Teleskope der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft Mainz (AAG) waren von Trauben Neugieriger umringt. Gekommen waren Stadtbummler, SoFi-Begeisterte – und ein Lehrer mit seiner 10. Klasse aus Wiesbaden.
Um 9.30 Uhr ging es los, der Mond schob sich ganz langsam vor die Sonne, knabberte ein immer größeres Stück ab, bis die Sonne aussah wie eine Mondsichel. Die Sonnenfinsternis kam vom Nordmeer, 100 Prozent Verdunkelung hättet Ihr wohl in Island und auf den Faröer Inseln gehabt.
Aber auch in Mainz war das Naturschauspiel beeindruckend: Bis zu 80 Prozent der Sonne wurden am Höhepunkt um 10.37 Uhr verdeckt, das Licht auf einmal ganz schummrig. Als hätte jemand einen Schleier vor die Umgebung gehalten, wurde das Licht seltsam blass – und es wurde beinahe schlagartig merklich kühler. Kein Wunder, dass unsere Vorfahren sich gefürchtet haben…
Fürchten musste sich auf dem Mainzer Gutenbergplatz keiner: Die AAG betreute ihre Teleskope, ihre Mitglieder erklärten unglaublich geduldig alle Fragen zur Sonne, der Finsternis und ihren Teleskopen – Danke dafür! Mehrere kleine Teleskope erlaubten den geschützten Blick auf die Sonne, an einer Stelle war aus einem Refraktor eine Projektion der sich verfinsternden Sonne auf ein simples Stück Pappe projiziert – faszinierend.
„Wir haben für unsere Schule bedauerlicherweise keine Brillen bekommen“, erzählte Rolf Traue, der mit seiner 10. Klasse sogar aus Wiesbaden gekommen war. „Das hier ist eine Alternative, und eine phantastische dazu“, schwärmte Traue, der gar nichts mit Physik oder Astronomie zu tun hat, sondern Politik, Deutsch und Geschichte an der Albrecht-Dürer-Realschule unterrichtet. „Das hat sich total gelohnt, die Schüler sind total begeistert“, freute er sich. Was für ein toller Lehrer!
Ob denn seine Schüler auch nicht in die Sonne blicken und ihre Augen gefährden würden? „Ach, was“, sagte Traue, „die sind alle vernünftige Menschen.“ Bei der Stadt Mainz hatte man offenbar weniger Vertrauen in seine Mitarbeiter: Mainz& erreichte am Nachmittag die Email eines Vaters, der berichtete, die Kinder im Kindergarten seien vor der Sonnenfinsternis richtiggehend weggesperrt worden – sogar Rolläden und Vorhänge waren zu.
Und wir bekamen ein offizielles Schreiben der Stadt Mainz an die Kindergärten, in der die Einrichtungen aufgefordert wurden, genau das zu tun. „Bitte tragen Sie Sorge, dass sich die Kinder (…) nicht im Außengelände aufhalten. Bleiben Sie mit den Kindern in der Einrichtung, bis die Sonnenfinsternis vorbei ist“, heißt es da. Also bei aller Liebe und Verständnis für Fürsorgepflichten – wir finden: das geht zu weit!
Wir haben nämlich heute mal versucht, mit offenem Auge in die Sonne zu blicken – es ging nicht. Viel zu hell, viel zu diffus – die Augen weigerten sich aufzubleiben, der Lidreflex – über den Ihr hier nachlesen könnt – schloss sie einfach. Keine Chance. Und gerade auf dem Gutenbergplatz heute mit der AAG wäre die Versuchung winzig gewesen – der Blick durch Brillen und Teleskope war viel spannender, für Kinder und Erwachsene.
„Unsere SoFi-Brillen waren in zehn Minuten weg“, berichtete Jan-David Förster Mainz&, und war selbst ganz aus dem Häuschen: „Unfassbar, dass so viele Leute gekommen sind, das war ganz unerwartet“, freute sich der Vorsitzende der AAG. Also für uns war das nicht so erstaunlich 😉 „Es ist toll, wie viele Leute man für Astronomie begeistern kann“, schwärmte Förster: „Es funktioniert, die Leute haben Spaß!“
„Ich finde das super interessant“, sagte Joao aus Brasilien, der gerade in Mainz in Byzantinistik promoviert. Das Ereignis bewege ihn so sehr, dass er einfach mehr wissen wolle, verriet Joao Mainz&. „Ich finde es total schön, dass alle ihre Brillen teilen“, sagte eine Zuschauerin strahlend. Sprach’s – und lieh sich unsere SoFi-Brille 😉 Haben wir natürlich gerne getan.
Am Rande der Menge auf dem Gutenbergplatz standen zwei Jungen, 12 und 13 Jahre alt – und hielten ein langes Papprohr in Richtung Sonne. Nanu, dachten wir, das sieht doch so aus, wie der Bastelsatz, den wir Euch präsentiert haben! Und tatsächlich: „Es war zu spät für eine SoFi-Brille, da hat mein Vater die Bauanleitung im Internet gefunden“, erzählte uns Kai. Daraufhin hätten sie schnell heute Morgen noch das Rohr gebastelt. Wie lange sie gebraucht haben? „Och, zwei Minuten“, sagt sein Kumpel Luis.
„Das ist ja wie ein Halbmond“, sagte ein Zuschauer begeistert. „Wow….“, ergänzte eine Frau, die ganz überwältigt war. „Beim letzten Mal 1999 war ich gerade erst sechs Jahre alt“, erzählte sie uns. Auch ein älteres Ehepaar war aus Bischofsheim zum SoFi-Gucken nach Mainz gekommen. „Wir hatten noch die Brillen von 1999“, erzählen sie, und dass es ihnen wichtig war, das Event zu erleben, sagten die Mitt-60er: „Wir meinen, dass wir beim nächsten Mal nicht mehr da sind.“ Was für ein erschreckender Gedanke…
Aber wir können Euch beruhigen, ein bisschen wenigstens: Eine totale Sonnenfinsternis erreicht Deutschland zwar erst wieder im Jahr 2081 – das ist in 66 Jahren. Aber in Süd-Spanien gibt es auch noch eine totale Sonnenfinsternis, und zwar schon 2026. Na, die elf Jahre halten wir doch noch durch, oder?
Info& auf Mainz&: Unser Dank gilt ganz ausdrücklich und dicke der Astronomischen Arbeitsgemeinschaft Mainz (AAG) und ihrem Vorsitzenden Jan-David Förster, die Mainz und auch Mainz& so umfassend und spannend mit Infos versorgt haben – und heute auch noch mit sensationellen Fotos. Und für das tolle Foto von der SoFi-Brille mit dem Mainzer Dom danken wir ganz herzlich dem Fachjournalisten Martin Frey.
Mehr zu AAG findet Ihr unter www.astronomie-mainz.de oder hier auf Facebook. Die AAG plant übrigens derzeit den Bau einer neuen Sternwarte in Stadecken-Elsheim, und das Projekt könnt Ihr unterstützen! Alles über die still gelegte Sternwarte am Naturkundlichen Museum in Mainz und die Pläne für die neue Sternwarte lest Ihr natürlich bei Mainz& – genau hier.