29 verletzte Passagiere, eine defekte Straßenbahn, ein beschädigtes Gleisbett – der Straßenbahnunfall im April in Mainz-Zahlbach gehörte zu den schwersten Straßenbahnunfällen der vergangenen Jahre in Mainz. Nun teilte die Mainzer Staatsanwaltschaft mit: Schuld war eine defekte Spannfeder an der Weiche im Gleisbett. Die Feder habe nicht die volle Spannkraft gehabt, dadurch sei die Weichenzunge nicht bündig an die Backenschiene gepresst worden. Das Ergebnis: ein Spalt von etwa zehn bis elf Millimetern – und genau daran entgleiste die Straßenbahn. Die Straßenbahnfahrerin trage keine Schuld, auch wenn sie an der Stelle in bisschen zu schnell gefahren sei. Die Frau habe aber keine Chance gehabt, den winzigen Spalt zu erkennen, die Geschwindigkeitsüberschreitung sei auf keinen Fall Ursache für den Unfall gewesen, befand die Staatsanwaltschaft.
Gegen 7.30 Uhr, mitten im morgendlichen Berufsverkehr, war am 11. April eine Straßenbahn im Mainzer Stadtteil Zahlbach entgleist. Das Gefährt der Linie 52 sprang an einer Weiche auf der Unteren Zahlbacher Straße in Höhe der Lindenmühle aus den Gleisen und rutschte ins Gleisbett. Die dreiteilige Bahn stellte sich quer, durch ihr abruptes Abbremsen wurden 29 Passagiere verletzt, darunter auch Schulkinder auf dem Weg zur Schule sowie die Straßenbahnfahrerin selbst. Der Unfall legte für Stunden das Straßenbahnnetz lahm, die Bergung erfolgte erst am späten Nachmittag, spektakulär mittels mehrerer Kräne. Die Mainzer Mobilität hatte wochenlang zur Unfallursache geschwiegen.
Nun kam die Erklärung von der Staatsanwaltschaft Mainz: Die Bahn sei über eine sogenannte Rückfallweiche gefahren, bei der werde im regulären Fahrbetrieb durch die Vorspannkraft einer Spannfeder die richtige Weichenstellung automatisch herstellt. „Nach den Feststellungen eines Gutachters hatte diese Mechanik zum Unfallzeitpunkt jedoch eine Fehlfunktion“, heißt es in der Mitteilung weiter: Die Fehlfunktion habe dazu geführt, dass „die Weichenzunge nicht bündig an die Backenschiene gepresst wurde und dadurch ein Spalt von etwa zehn bis elf Millimeter verblieb.“ An diesem Spalt seien die Räder der Straßenbahn beim Überfahren der defekten Weiche aus der Führung gesprungen, die Straßenbahnahn entgleist.
Die Fahrzeugführerin trage dabei keine Schuld, betont die Staatsanwaltschaft weiter, auch wenn sie eigentlich zu schnell gefahren sei. An der Weiche gelte nämlich eine Höchstgeschwindigkeit von 15 Kilometer pro Stunde, die Fahrerin war an dem Morgen aber mit 22 kmh unterwegs – sieben Kilometer pro Stunde zu schnell. „Durch das eingeholte Kraftfahrzeugsachverständigengutachten konnte jedoch ausgeschlossen werden, dass diese Geschwindigkeitsüberschreitung unfallursächlich war“, betont die Staatsanwaltschaft. Die Entgleisung wäre auch geringerer Geschwindigkeit erfolgt – und vom Fahrersitz aus sei die Fehlstellung der Weichenzunge mit ihren elf Millimetern beim besten Willen nicht zu erkennen gewesen. Die Straßenbahn mit ihrem Leergewicht von 31.500 Kilogramm hätte auch bei 15 kmh einen Anhalteweg zwischen 10,17 Metern bis 7,74 Metern gehabt, die Fahrerin also auf keinen Fall rechtzeitig bremsen können.
„Der Führerin der Straßenbahn kann daher kein strafrechtliches Verschulden an dem Straßenbahnunfall und den damit verbundenen Verletzungen der Fahrgäste angelastet werden“, so das Fazit der Staatsanwaltschaft. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei auch keine Ordnungswidrigkeit. Wann die Fehlfunktion der Weiche entstanden sei, habe sich nicht klären lassen, es lasse sich daher auch nicht ausschließen, dass die Fehlfunktion „zum Unfallzeitpunkt erstmalig auftrat“. Auffälligkeiten oder Mängel an der Stellmechanik oder der Feder habe der Gutachter ebenfalls nicht feststellen können. „Bei dieser Sachlage kann auch dem für die Instandhaltung und Kontrolle der Gleise zuständigen Personal und der zuständigen Aufsichtsbehörde kein Verschulden nachgewiesen werden“, fügte die Staatsanwaltschaft hinzu.
Info& auf Mainz&: Unseren Bericht über den Straßenbahnunfall vom April 2018 findet Ihr hier auf Mainz&.