Nach dem Ausstieg der Nachbarstadt Wiesbaden aus dem Fahrrad-Leihsystem meinRad, gibt es nun auch in Mainz Streit um die Zukunft des Mietradelns: Die CDU-Opposition forderte nun, das Angebot auf den Prüfstand zu stellen – die Kosten seien hoch, die Attraktivität schwinde. Bei der SPD weist man das empört zurück, auch bei der Mainzer Mobilität hält man derzeit an dem Mietradsystem fest. Das aber muss sich weiter entwickeln – und ändert zum 1. Juni seine Preisstruktur.

Aus für die orangenen Räder: Wiesbaden steigt aus meinRad aus. - Foto: gik
Aus für die orangenen Räder: Wiesbaden steigt aus meinRad aus. – Foto: gik

Vergangene Woche hatte die Landeshauptstadt Wiesbaden überraschend mitgeteilt, man werde aus dem gemeinsam mit Mainz betriebenen Mietradelsystem meinRad aussteigen: Die Nutzerzahlen seien zuletzt stetig gesunken, der Betrieb des Mietradsystems deshalb nicht mehr wirtschaftlich, argumentierte die ESWE Verkehr. Erst im Sommer 2018 hatten die Wiesbadener sich dem Mainzer Fahrradleihsystem angeschlossen, seit Ende 2018 konnten die Nutzer mit den Mieträdern zwischen Mainz und Wiesbaden pendeln – doch damit ist jetzt Schluss.

Zum 1. Juni 2022 beendete Wiesbaden die Kooperation, bereits seit dem 30. Mai in das Anmieten der orangeroten Räder nicht mehr möglich – dem System brechen nun auf einen Schlag 600 Leihräder weg. Die Wiesbadener argumentierten aber auch: das Leihsystem sei nicht attraktiv genug, die Bedürfnisse der Radfahrer seien heute andere – im bergigen Wiesbaden schielt man nun auf E-Bikes, ein neues Konzept müsse „sinnvoll dazu beitragen, die Autofahrten in Wiesbaden zu reduzieren“, betont man in der hessischen Landeshauptstadt.

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Die Argumente sind pikant, leidet doch auch das Mainzer meinRad-System unter hohen Betriebskosten und zuletzt deutlich sinkenden Benutzerzahlen. Die Mainzer CDU fordert nun, den Ausstieg Wiesbadens zum Anlass zu nehmen, um das Angebot auch in Mainz auf den Prüfstand zu stellen. Mit dem Angebot würden jährlich hohe Verluste zwischen 300.000 Euro und 1,3 Millionen Euro geschrieben, betonte CDU-Chef Thomas Gerster. Die Nutzungszahlen seien aber besonders zuletzt in der Corona-Pandemie hinter den Erwartungen zurückgeblieben.

CDU: Angebot mehr an Bedürfnisse anpassen, E-Bikes prüfen

Die gelben Räder von MVGmeinRad sollen weiter rollen, die CDU macht dahinter nun ein Fragezeichen. - Foto: Mainzer Mobilität
Die gelben Räder von MVGmeinRad sollen weiter rollen, die CDU macht dahinter nun ein Fragezeichen. – Foto: Mainzer Mobilität

„Wir sollten nun die Nutzungsgewohnheiten der ‚meinRad‘-Kunden analysieren und das Angebot an ihre Bedürfnisse anzupassen – oder es aufzugeben“, sagte Gerster. So müsse beispielsweise überprüft werden, wie viele Fahrten überhaupt länger als einen Kilometer getätigt würden. „Ich habe nämlich den Verdacht, dass ein Großteil der Fahrten ohnehin nur Wege ersetzen, die vorher zu Fuß zurückgelegt wurden“, sagte Gerster. Um die Verkehrswende aber „erfolgreich zu gestalten, muss den Menschen eine gute Alternative zum Auto gemacht werden“, betonte er.

Gerster schlägt deshalb vor zu prüfen, ob E-Bikes eine sinnvolle Ergänzung des Angebots darstellen könnten. Womöglich ergebe eine Prüfung aber auch, „dass die eingesetzten finanziellen Mittel für ein defizitäres Leihradsystem an anderer Stelle, wie beispielsweise zur Stärkung des ÖPNV, besser eingesetzt wären“, sagte Gerster weiter: „Am Ende muss es eine Kosten-Nutzen-Abwägung sein und das bestehende System scheint offensichtlich kein adäquates Angebot zu sein, was durch die geringe Nachfrage belegt wird.“

 

Bei der Mainzer Mobilität hält man derweil aber an dem Mainzer Mietradelsystem fest: Nach der Corona-Delle stiegen seit Herbst 2021 die Vermietzahlen wieder, alleine seit Anfang 2022 seien 40.000 Räder im Mainzer System vermietet worden, sagte Unternehmenssprecher Michael Theurer auf Mainz&-Anfrage – das sei ein Vielfaches der Wiesbadener Zahlen. „2019 betrug das Defizit der MVGmeinRad GmbH etwa 369.000 Euro, damals haben wir 270.000 Fahrten im Jahr im Mainzer System registriert“, sagte Theurer weiter.

E-Scooter sowie der Run auf E-Bikes haben sich zur starken Konkurrenz für die Leihräder entwickelt. - Foto: gik
E-Scooter sowie der Run auf E-Bikes haben sich zur starken Konkurrenz für die Leihräder entwickelt. – Foto: gik

Durch Corona und das geänderte Mobilitätsverhalten seien die Vermietungszahlen in den Jahren 2020 und 2021 allerdings auf etwa die Hälfte gesunken. Entscheidend dafür sei der „Online-Betrieb“ von Universität und Fachhochschule gewesen, da Studierende einen erheblichen Anteil an der Nutzung hätten, betonte Theurer weiter: „Diese Corona-Delle haben wir überwunden.“

Zudem reiche der reine Blick auf die Fahrten-Kosten-Zahlen „unserer Ansicht nach nicht aus“, betonte Theurer weiter. Das Fahrradvermietsystem müsse zwar grundsätzlich auch die Wirtschaftlichkeit im Blick haben, die gelben Räder stellten darüber hinaus aber eine wichtige Säule im Umweltverbund dar. „Sie ergänzen das Angebot von Bus- und Straßenbahn hervorragend, und passen prima zu weiteren neueren Angeboten wie MainzRider und Carsharing“, sagte Theurer.

 

Der Ausstieg der Wiesbadener sei zwar bedauerlich, man gehe aber davon aus, dass die Zahl der Nutzer, die von Mainz mit dem Rad bis nach Wiesbaden gefahren seien (oder umgekehrt) doch eher überschaubar gewesen sei. „In Mainz stehen wir jetzt vor einem Ausbau und einer Attraktivierung des Fahrradvermietsystems“, betonte Theurer. Genaueres will die Mainzer Mobilität dazu am Donnerstag vorstellen.

Neue Preisstruktur und neue App zum 1. Juni bei meinRad

Bei der Mainzer Mobilität hält man am Leihsystem MVGmeinRad fest. - Foto: gik
Bei der Mainzer Mobilität hält man am Leihsystem MVGmeinRad fest. – Foto: gik

Klar ist schon jetzt: MVGmeinRad bekommt mit dem heutigen 1. Juni eine neue Preisstruktur und eine Menge weiterer Neuerungen. Im Mittelpunkt stehen dabei ein neues Hintergrundsystem und eine neue App, die den Mietvorgang einfacher machen soll. Die neue App sollen die Nutzer zum 1. Juni 2022 mit einem Update der aktuellen meinRad-App direkt aufs Handy erhalten, damit einher geht indes auch ein neues Preismodell: Künftig gilt nun ein 30-Minuten-Takt bei der Abrechnung.

Das entspreche mehr dem Verhalten der Mietradler, die in der Regel eher kurze Strecken zurücklegten, hieß es bereits im April bei der Ankündigung des neuen Modells. Für viele Kunden werde das Mieten damit günstiger, da kurze Fahrten ab Juni weniger kosteten als bisher. „Wer länger als 30 Minuten fährt, ist ab Juni zwar teurer als bisher unterwegs – wir wissen aber durch unsere Nutzungsstatistiken, dass dies sehr selten passiert“, betonte das Unternehmen weiter.

 

Durch den neuen Tagespreis radele man zudem nie für mehr als 9,-  Euro pro Tag, das sei ideal für Tagesausflüge. Dazu kehrt nun zum 1. Juni endlich die Mehrfachausleihe wieder zurück, die sich viele Mietradler gewünscht hätten: Mit ihr können nun wieder bis zu vier Räder gleichzeitig gemietet werden. Bei der FDP heißt es, die Neuerungen hätten „auf jeden Fall das Potenzial, die Erfolgsgeschichte der Fahrradvermietung in Mainz fortzuschreiben“, sagte Fraktionschef David Dietz: „Wir glauben, dass sich die Beliebtheit des Systems dadurch steigern lässt.“

FDP: Gemeinsame Sammelstellen für Mieträder und Escooter

Lastenräder sollen künftig auch teil des Fahrradmietsystems werden. - Foto: HMUKLV
Lastenräder sollen künftig auch teil des Fahrradmietsystems werden. – Foto: HMUKLV

Dietz schlug zudem vor zu prüfen, ob nicht durch verschlankte Ausleihstationen von meinRad künftig an derselben Stelle nicht auch gleich Platz für die Ausleihe von E-Scootern geschaffen werden könne: „Warum sollten so nicht Sammelstellen entstehen, bei denen Kunden das Fortbewegungsmittel ihrer Wahl einfach aussuchen können?“, schlug Dietz vor.

Auch bei der SPD begrüßt man das Festhalten am Mainzer Fahrradleihsystem: Klar sei doch, dass die Mobilitätswende Geld koste und es sie nicht zum Nulltarif gebe, sagte SPD-Verkehrsexperte Erik Donner: „Jeder Euro, den die Landeshauptstadt Mainz und die Mainzer Stadtwerke in MeinRad investieren, ist sehr gut angelegtes Geld.“ Dazu reagiere meinRad „auf die Zeichen der Zeit“, entwickele sich technisch weiter und werde so bestehende Probleme besser in den Griff bekommen, unterstrich Donner.

So werde es künftig auch Lastenräder im Ausleih-Angebot geben, dazu dürfen seit dem 1. März alle städtischen Mitarbeiter meinRad zu dienstlichen sowie privaten Zwecken die ersten 60 Minuten kostenfrei nutzen. Dazu habe jüngst der Landkreis Groß-Gerau die Ausweitung von meinRad auf den früheren Mainzer Stadtteil Bischofsheim beschlossen. „Das nützt auch den Mainzern“, freute sich Donner, „meinRad ist Teil der Mobilität der Zukunft in unserer Region.“

Info& auf Mainz&: Alle Informationen zu Neuerungen bei MVGmeinRad findet Ihr zudem hier im Internet. Mehr zum Aus des Fahrradleihsystems in Wiesbaden lest Ihr hier bei Mainz&:

Wiesbaden stellt Mietradel-System meinRad ein – Nutzerzahlen stetig gesunken – Folgen für Mainz?