Der Künstler ist ein Phantom, seine Kunst ziert Straßenecken oder taucht in U-Bahnen auf, und gleichzeitig ist er der wohl politischste Künstler unserer Zeit: Banksy heißt der britische Street Art-Künstler, dessen Werke Millionen Menschen berühren. Kapitalismuskritik und Überwachungsstaat, Affen-Parlament und Ratten-Aufstand – mit seinen Werken legt Banksy stets den Finger dahin, wo es am meisten wehtut. Die Ausstellung „The Mystery of Banksy“ entführt seit Freitag im alten Mainzer Karstadt-Haus in die Gedanken- und Bilderwelt des britischen Künstlers – und ja, das geschredderte Gemälde des Mädchens mit dem Luftballon ist auch dabei.

Nachgebaute Hotellobby des Walled Off-Hotels in Bethlehem in der Ausstellung "The Mystery of Banksy". - Foto: gik
Nachgebaute Hotellobby des Walled Off-Hotels in Bethlehem in der Ausstellung „The Mystery of Banksy“. – Foto: gik

Die Mauer um Palästina empfängt den Besucher, am Eingang grüßt der Affe als Portiert – und dann steht der Besucher mitten in der Lobby des „Walled Off“ Hotels in Bethlehem. An den Wänden hängen Überwachungskameras und Vorschlaghammer, die Ölgemälde zeigen den romantischen Meeresstrand – und darunter die Rettungswesten ertrunkener Flüchtlinge, typisch für Banksy. Ein paar Räume weiter drängen sich die berühmten drei Geheimdienstmänner um eine Telefonzelle, die ermordete Telefonbox gibt sich ebenso die Ehre, wie die unzähligen Banksy-Ratten, der Kapuzenmann oder das Mädchen mit dem herzförmigen Luftballon.

150 Werke des britischen Künstlers haben die Ausstellungsmacher der Livemacher GmbH zusammengestellt und auf die Wände gehängt, gesprayt oder projiziert. „Alle Werke, die Sie hier sehen, sind eindeutig Banksy-Werke“, betont Kuratorin Virginia Jean, und steckt genau mit diesem Satz schon tief in der Verlegenheit: Nein, offiziell autorisiert ist die Schau nicht, man schmückt sich gar mit dem Label „An Unauthorized Exhibition.“ Alles andere wäre wohl auch schwierig: Die Identität von Banksy ist bis heute unbekannt, der Street Art-Künstler taucht in der Dunkelheit der Nacht oder der Anonymität einer Straßenecke unter, hinterlässt ein Kunstwerk und verschwindet wieder.

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Banksy "Murial" der Blumenwerfer, zu sehen in der Mainzer Ausstellung "The Mystery of Banksy". - Foto: gik
Banksy „Murial“ der Blumenwerfer, zu sehen in der Mainzer Ausstellung „The Mystery of Banksy“. – Foto: gik

Mehr noch: Eine Ausstellung mit Eintritt – einem so hohen wie in Mainz zumal – widerspricht eigentlich komplett der Philosophy des Street Artists, der Kunst im öffentlichen Raum verteilt, kostenlos und für jeden zugänglich. Banksys Leinwände sind für gewöhnlich meterhohe Häuserwände und Mauern, er verziert mit Vorliebe Straßenecken oder Bushaltestellen genau an den Ecken der Städte, wo Kunst und Kommerz normalerweise weit weg sind. Und genau deswegen entfalten Banksys Werke eine so große Magie: Der kleine Junge, der mit dem Hammer scheinbar den Hydranten zertrümmert, der vergessene Liebhaber mit dem welken Blumenstrauß, das Mädchen mit dem Hullahoop-Reifen.

„Sie sehen hier Bilder, für die sie in über 20 Länder reisen müssten“, sagt Kuratorin Jean. Viele Banksy-Werke seien längst wieder zerstört, übermalt oder aus der Wand gerissen worden, auf die sie ursprünglich projiziert wurden. In der Mainzer Ausstellung wurden die Werke nachgeahmt, die großen „Murials“, die Wandgemälde, seien ebenso aufgesprayt worden, wie Banksy es tue, versichert Jean.

Berühmte Banksy-Szene rund um eine Telefonzelle, zu sehen in der Mainzer Ausstellung "The Mystery of Banksy". - Foto: gik
Berühmte Banksy-Szene rund um eine Telefonzelle, zu sehen in der Mainzer Ausstellung „The Mystery of Banksy“. – Foto: gik

„Banksy liebt es, sich zu dokumentieren, auch wie er arbeitet“, erklärt sie, auf seiner Homepage und in den sozialen Netzwerken poste er Videos von der Entstehung seiner Kunstwerke, so könne man „bis ins Detail nachempfinden, wie er gearbeitet hat.“ Und genau so seien denn auch die Kunstwerke in der Mainzer Ausstellung entstanden: Nachgearbeitet, nachempfunden den Originalen, die Banksy an Mauern und Straßenecken in Städten rund um den Globus hinterließ. „Es ist eine reine Replikenausstellung, und das soll auch so sein“, betont die Kuratorin, schließlich wolle man keine „gestohlene“ Kunst zeigen.

Die Ausstellung im Mainzer „Lulu“ spannt dabei einen weiten Bogen von einem von Banksys ältestem Werk „The Mild Mild West“ über die „Kissing Coppers“ und die Beschäftigung mit dem Krieg in Palästina bis hin zu den berühmten Werken der heutigen zeit – allen voran dem „Gange Changer“, jenem Gemälde eines kleinen Jungen in der Corona-Pandemie, dessen Heldenpuppe eine Krankenhausschwester ist. Auch dieses Bild ist nicht echt, sondern „nachgemalt“, ziemlich unspektakulär hängt es am Eingang zu einem der hinteren Räume. Anderes ist spektakulär in Szene gesetzt, wie etwa das überdimensionale „Devolved Parliament“, das in Ölgemälde-Manier das britische Unterhaus zeigt – voller Affen. Das Gemälde hat in der Ausstellung in Mainz eine eigene Nische und wird mit Light-Effekten aufgepeppt, eine Hommage an die jüngeren Ausstellungsbesucher.

"The Elephant in the Room": Nachgebildete Banksy-Szene in der Mainzer Ausstellung "The Mystery of Banksy". - Foto: gik
„The Elephant in the Room“: Nachgebildete Banksy-Szene in der Mainzer Ausstellung „The Mystery of Banksy“. – Foto: gik

Ein Raum ist „Dismaland“ gewidmet, jener Banksy-Parodie eines Disneyland-Freizeitparks, die im Sommer 2015 fünf Wochen lang im britischen Seebad Weston-super-Mare jedes Prinzip der Vergnügungsindustrie mit dem unfreundlich-trostlosen Park auf den Kopf stellte. Das ist typisch Banksy: er hält der Gesellschaft den Spiegel vor, bringt Kritikpunkte auf den Punkt – und stellt schon mal den sprichwörtlichen Elefanten im Raum ganz buchstäblich in selbige. Im Mainzer „Lulu“ steht der rote Elefant mit Blümchentapen-Muster nun im 3. OG des alten Kaufhauses, Hommage an Banksys Ausstellung „Barely Legal“ in Los Angeles. 2006 ließ Banksy mitten in die Show zwischen Blümchentapete und Plüschsofa einen waschechten Elefanten platzen, die Szene ist nun in der Ausstellung nachgebildet.

Und so schafft „The Mystery of Banksy – a Genius Mind“ selbst ein Kunststück: Die Schau nimmt den Besucher mit auf eine Reise in die Welt und das Gedankenuniversum des Street-Artists. „Wir wollen Banksys Message an die Leute bringen und seine Inhalte transportieren“, betonte Kuratorin Jean, und so flaniert der Besucher an Banksys Venedig-Anklage gegen die großen Kreuzfahrtschiffe ebenso vorbei wie am überlebensgroßen Blumenwerfer auf der Wand und durch den Nachbau jener Londoner U-Bahn, die Banksy mit seinen Corona-Ratten im Lockdown verzierte. Nicht fehlen darf bei all dem ein Nachbau jener Banksy-Toilette, die der Künstler in der Coronazeit ironisch zu seinem Atelier erklärte.

Banksy Murial aus Venedig, Ausstellung "The Mystery of Banksy". - Foto: gik
Banksy Murial aus Venedig, Ausstellung „The Mystery of Banksy“. – Foto: gik

Der Brite schafft Werke voller beißender Kritik und großer Poesie zugleich, kulminiert in jenem Gemälde des kleinen Mädchens mit Ballon, das sich 2018 bei einer Auktion in London vor den Augen der entgeisterten Käufer selbst schredderte  auch das ist natürlich in der Ausstellung zu sehen. Zwei Stunden Zeit sollte man sich für den Rundgang durch die 1,400 Quadratmeter sehen, will man richtig eintauchen all diese Drehungen und Windungen der Banksy-Welt.

Der Rundgang endet im Mittelmeer und bei dem von Banksy finanzierten Rettungsschiff, der „MV Louise Michel“, die seit 2020 bei der Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer hilft – die Besucher können hier sogar für die Aktion spenden, das Geld erreiche die Rettungsmission selbstverständlich auch direkt, versichern sie hier. In München und Dresden ist die Ausstellung bereits zu sehen, rund 250.000 Besucher sollen sie schon besucht haben – bei den „Livemachern“ hat man Erfahrung mit großen Shows: Seit zehn Jahren produziert die Firma auch die „Körperwelten“ von Gunther von Hagens.

Banksys Corona-Toilette, Ausstellung "The Mystery of Banksy". - Foto: gik
Banksys Corona-Toilette, Ausstellung „The Mystery of Banksy“. – Foto: gik

Am Ende aber bleibt vor allem die gewaltige, eindrucksvolle Bildsprache des anonymen Zeitkritikers im Gedächtnis hängen – Banksys Farben, Formen, Aussagen, sie brennen sich ein. Ein Gang durch die Galerie sei im Grunde „wie Zeitungslesen“, sagt Jean: „In erster Linie geht es uns darum, Banksys Gedanken und Werken Gehör zu verschaffen.“

Info& auf Mainz&: Die Ausstellung „The Mystery of Banksy – A Genius Mind“ findet Ihr im alten Karstadt-Gebäude auf der Mainzer Ludwigsstraße, im 3. OG des heutigen „Lulu“, und zwar noch bis zum 16. Januar 2022. Geöffnet ist täglich 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr, donnerstags bis samstags und feiertags auch bis 20.00 Uhr. Der Eintritt kostet für Erwachsene 17.- Euro an Werktagen und 18,- Euro am Wochenende, Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre zahlen 9,- bzw. 10,- Euro, Studierende und andere Gruppen mit ermäßigtem Eintritt 13,- bzw. 14,- Euro. Eine Voranmeldung im Internet wird dringend empfohlen – alle Infos dazu und zur Ausstellung selbst findet Ihr hier im Internet. Einen Film, der Banksys Werk zusammenfasst, und der in der Ausstellung selbst gezeigt wird, findet Ihr hier auf unserer Mainz&-Facebookseite.

Ein Tipp noch: Die Mainzer Gästeführer der Mainzplus Citymarketing bieten von Samstag, den 9. Oktober an Führungen durch die Banksy-Ausstellung, dabei erfahrt Ihr viele Hintergründe zu Künstler und Werken – zur Info und Buchung geht es hier entlang.

UPDATE&: Gute Nachrichten für alle Banksy-Fans: Die große Ausstellung im Mainzer Lulu wird verlängert. Bis zum 30. Januar ist die große Schau des Banksy-Replikate nun noch zu sehen, Grund sei das große Besucheraufkommen der vergangenen Wochen, teilten die Veranstalter mit. Mainz ist im Banksy-Fieber: Im „Me and All“-Hotel findet sich ein Banksy-Zimmer, in „Gutenbergs Werkstatt“ in der Lulu kann man sich seinen ganz persönlichen Banksy herstellen. Und: Die Mainzer Uniklinik bekam nun ein ganz besonderes Werk des Streetart-Künstlers überreicht – den „Game Changer“. Mainz ist definitiv im Banksy-Fieber.

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