Jetzt ist es amtlich: Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal geht in die Verlängerung. Der Ausschuss beschloss am Freitag, seine Beweisaufnahme wiederaufzunehmen. Am 27. November soll nun Experte Dominic Gißler sein im Auftrag der Staatsanwaltschaft Koblenz erstelltes Gutachten zu Führungsleistungen der Einsatzleitung der Kreisverwaltung Ahrweiler im Ausschuss erläutern. Damit dürfte sich der Abschlussbericht deutlich ins Frühjahr 2024 verzögern – nach Mainz&-Informationen bereiten die Oppositionsfraktionen bereits weitere Zeugenvernehmungen vor.
Seit Oktober 2021 tagt der Untersuchungsausschuss im Mainzer Landtag, der klären soll, welche Versäumnisse es in der Landespolitik bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 gab. Ende April 2023 hatte der U-Ausschuss seine Beweisaufnahme eigentlich abgeschlossen, im Dezember sollte der Abschlussbericht im Mainzer Landtag beraten werden. Doch daraus wird nun nichts: Am Freitag beschloss der U-Ausschuss, die Beweisaufnahme noch einmal wieder aufzunehmen.
Der Anlass: Das Gutachten „Führungsleistungen der Einsatzleitung der Kreisverwaltung Ahrweiler“, das der Berliner Professor für Führung im Bevölkerungsschutz, Dominic Gißler, im Auftrag der Staatsanwaltschaft Koblenz erstellt hat. Gißler sollte untersuchen, welche konkreten Handlungsoptionen die Verantwortlichen im Krisenstab der Kreisverwaltung Ahrweiler in der Flutnacht hatten, und ob ein besser aufgestellter Katastrophenschutz einen Unterschied bei der Rettung von Menschenleben gemacht hätte.
Gißler soll Gutachten vorstellen und Fragen beantworten
Gißler kommt, kurz gesagt, zu dem Ergebnis: Die Technische Einsatzleitung in Ahrweiler war völlig unzureichend aufgestellt und gerüstet für die Aufgabe, eine „ausreichende Führungsleistung“ sei so in einer Katastrophe dieser Größenordnung nicht möglich gewesen. Doch gleichzeitig betont Gißler ausdrücklich: Eine professionelle Aufstellung mit einem leistungsfähigen Führungssystem hätte durchaus einen Unterschied gemacht. „Mit einem ausreichend gereiften Führungssystem hätten Chancen bestanden, um eine nicht zu bestimmende Anzahl Menschenleben zu retten.“
Die Opposition im Mainzer Landtag sieht darin gehörigen Sprengstoff, die Freien Wähler hatten deshalb die Anhörung Gißlers im U-Ausschuss beantragt – auch, weil nur ein im Verfahren des Ausschusses eingeführtes Gutachten bei der abschließenden Bewertung eine Rolle spielen darf. Nun steht fest: Am 27. November 2023 werde der U-Ausschuss ab 9.00 Uhr den Berliner Professor Dominic Gißler hören.
Gißlers Gutachten solle in dieser Sitzung zunächst durch Verlesung einer kurzen Zusammenfassung in das Untersuchungsverfahren des Ausschusses eingeführt werden, sagte Ausschussvorsitzender Martin Haller. Im Anschluss daran soll es eine mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen geben.
Neue Zeugen als Konsequenz aus dem Gutachten wahrscheinlich
„Ich freue mich, dass wir heute beschlossen haben, das Gutachten von Professor Gißler in den Untersuchungsausschuss einzuführen“, reagierte am Freitag der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid: „Nun bekommen die Obleute des Untersuchungsausschusses die gebotene Möglichkeit, sich mit dem Gutachten im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des auseinandersetzen, und dem Sachverständigen Professor Gißler hierzu auch Fragen stellen zu können.“ Von besonderem Interesse sei dabei für ihn „neben dem Krisen- und Katastrophenmanagement im Landkreis Ahrweiler auch die Rolle des Landes“, betonte Wefelscheid.
Die Auswertung des Gutachtens dürfte spannend werden, spricht es doch ganz viele unterschiedlichen Ebenen an. Die Folge könnte denn auch sein, dass der Ausschuss erneut Zeugen einbestellt und führende Politiker erneut vernimmt – nach Mainz&-Informationen dürfte das vor allem den Chef der ADD, Thomas Linnertz, aber womöglich auch Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz betreffen. Denn auch Fragen wie Hochwassereinsatzpläne streift das Gutachten, in den Oppositionsfraktionen werden deshalb bereits weitere Anträge auf erneute Zeugenvernehmung vorbereitet.
U-Ausschusses erst beendet, „wenn keiner mehr Fragen hat“
Ausschussvorsitzender Haller sagte deshalb am Freitag, die ursprünglich im Dezember-Plenum angedachte Behandlung des Abschlussberichts müsse auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Grundlage ist „der Bericht des Vorsitzenden“ über den Beratungsstand des Untersuchungsausschusses mit Stand vom 20. Juli 2023, dieser müsse dann noch einmal aktualisiert werden. Der Berichtsentwurf des Vorsitzenden besteht aus den Berichtsteilen A. Einsetzung, Untersuchungsauftrag und Konstituierung, B. Verlauf und Verfahren sowie C. Zusammenfassung der Beweisaufnahme. Er dient den Fraktionen als Grundlage für ihre eigenen Stellungnahmen und Schlussfolgerungen.
Die weitere Terminplanung des Ausschusses wurde nun aufgrund der neuen Entwicklungen erst einmal zurückgestellt und soll am 27. November 2023 erneut im Ausschuss beraten werden. Ein schnelles Ende ist nicht zu erwarten: Der Ausschuss werde seine Arbeit so fortsetzen wie bisher auch, betonte Haller – und das heiße vor allem „gründlich“. Wenn es neue Themen gebe, werde man die aufgreifen, das habe immer gegolten, unterstrich Haller. Der Ausschuss sei „erst beendet, wenn die Abgeordneten dieses Gremiums keine weiteren Fragen mehr haben.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Fortsetzung des Untersuchungsausschusses und den Begründungen der Parteien lest Ihr hier bei Mainz&. Eine ausführliche Analyse des Gutachtens von Professor Dominic Gißler lest Ihr hier bei Mainz&.