Das Thema Ultrafeinstaub im Umfeld von Flughäfen hat nun auch die Bundesregierung erreicht: 37 Fragen haben die Grünen im Bundestag der Bundesregierung gestellt, die Grünen wollten wissen, ob das Problem Ultrafeinstaub beim Bund bekannt ist und was die Regierung dagegen unternimmt. Die Antwort der Bundesregierung, die Mainz& exklusiv vorliegt, fällt dünn aus: Zwar hat man grob schon mitbekommen, dass ultrafeine Partikel eine erhebliche Gesundheitsgefahr darstellen – Anlass für sofortige Maßnahmen sieht man aber nicht. Die Auswirkungen auf die Gesundheit seien noch zu wenig erforscht, die wissenschaftliche Informationsbasis „noch nicht ausreichend, um jetzt schon tätig zu werden“, heißt es in der Antwort. Die Grünen zeigten sich entsetzt: Seit mehr als zehn Jahren sei bekannt, wie gefährlich Ultrafeinstaub für den Menschen sei, seit Jahren wisse man auch, dass Flughäfen „Ultrafeinstaub-Hotspots“ seien – der Bund müsse nun endlich handeln. Es brauche Messungen an Flughäfen und dringend Maßnahmen zur Reduzierung der Ultrafeinstaub-Belastung. Die Mainzer Initiative gegen Fluglärm lädt ganz aktuell zu einem Informationsabend am 08.11.2018 um 19.00 Uhr, Infos unten.
Seit 2015 berichtet Mainz& bereits über die Warnungen von Experten der Mainzer Initiative gegen Fluglärm vor Gesundheitsgefahren durch Ultrafeinstaub rund um den Frankfurter Flughafen. Die Ingenieure Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein hatten bereits 2015 mit eigenen Messgeräten horrend hohe Konzentrationen ultrafeiner Partikel im Umfeld des Flughafens gemessen – noch in Mainz-Hechtsheim stiegen die Werte auf bis zu 16.000 Partikel pro Kubikmeter Luft. 2017 bestätigte sich das: Offizielle Messungen des Hessischen Landesamtes für Umwelt zeigten in Raunheim beim Überflug von Maschinen Partikelkonzentrationen von 20.000 bis 145.000 Partikel an – das Dreifache einer Belastung durch Silvesterfeuerwerk. „Die Abgasfahnen der Flugzeuge“, warnte Alt, „kommen in den Wohngebieten an.“
Ultrafeine Partikel (UFB) sind eine Art Mini-Feinstaub, 1.000 mal kleiner als die üblicherweise als Feinstaub bezeichneten Partikel. Die winzigen Rußpartikel entstehen bei Verbrennungsprozessen, etwa durch Autoabgase oder in Flugzeugturbinen, weil sie so winzig sind, können sie tief ins Lungengewebe und in die Bronchien eindringen und dort heftige Entzündungen verursachen. Schon Feinstaub gilt als gefährlich, Ultrafeinstaub aber halten viele Mediziner für noch gefährlicher: Ultrafeine Partikel gelangten direkt in die Blutbahn, sowohl eine kurzfristig erhöhte Konzentration als auch eine Langzeitexposition erhöhten das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzversagen, heißt es etwa in Studien aus dem Jahr 2015.
Die Grünen schickten deshalb der Bundesregierung nun einen Katalog mit 37 Fragen, unter anderem zu Messungen, Forschungsvorhaben und zur Einschätzung der Gefährlichkeit ultrafeiner Partikel. „Ultrafeinstaub stellt eine zusätzliche, bislang nicht berücksichtigte Belastung für das engere und das weitere Flughafenumfeld dar“, heißt es zur Begründung. Die Betreiber von Flughäfen aber teilten bis heute regelmäßig mit, dass die Luft im Umfeld „völlig in Ordnung sei“, kritisiert die Grünen-Bundestagsabgeordnete Daniela Wagner: „Das kann nicht angehen.“
Die Antworten des Bundes auf die zum Teil sehr detaillierten Fragen fallen indes dünn aus: Zwar räumt die Bundesregierung selbst ein, dass es für feinen Feinstaub „keine Schwelle gibt, unterhalb derer eine Belastung der menschlichen Gesundheit unbedenklich ist“. Auch heißt es, ultrafeine Partikel seien wohl toxischer als der „reguläre“ Feinstaub, gemessen würden sie im Umfeld von Flughäfen regulär und flächendeckend aber bisher nicht. Gleichzeitig aber sieht man keine Notwendigkeit, sofortige Maßnahmen zu ergreifen: Flughafenmitarbeiter übten „keine Tätigkeit mit Gefahrstoffen aus“, schreibt das zuständige Bundesumweltministerium, allgemeine Maßnahmen zur Verringerung der Feinstaubbelastung kämen auch ihnen sowie den Menschen im Umfeld der Flughäfen zugute. „Im Hinblick auf Ultrafeinstäube“, heißt es, „ist die wissenschaftliche Informationslage noch nicht ausreichend, um jetzt schon tätig zu werden.“
Die Grünen widersprechen: Die besonderen Risiken von Ultrafeinstaub für die menschliche Gesundheit seien bereits seit mehr als zehn Jahren bekannt. So habe etwa das Münchner Helmholtz Zentrum 2005 in einer Broschüre „Aerosolforschung in der GSF“ die besonderen Risiken von Ultrafeinstaub für die menschliche Gesundheit ausführlich beschrieben. Die Weltgesundheitsorganisation habe schon 2013 das gesamte Feinstaub-Gemisch als eindeutig krebserregend eingestuft. Feiner Feinstaub könne laut WHO Herz-Kreislauf- sowie Atemwegserkrankungen und Lungenkrebs verursachen. Dazu nähmen die negativen gesundheitlichen Effekte zu, je kleiner die Partikel seien – ultrafeine Partikel könnten gar die die Barriere zwischen Lunge und Blut überwinden und alle Organe erreichen, zitieren die Grünen aus medizinischen Studien.
Bei der Verbrennung von Kerosin in Flugzeugen entstehe aber eine besonders große Anzahl von Partikeln, so die Grünen weiter. Seit einer Studie des Airports Council International (ACI) Europe von 2012 wisse die Fachwelt zudem, „dass es sich bei den von Flugzeugtriebwerken ausgestoßenen Partikeln fast ausschließlich um Ultrafeinstaub handelt.“ An Flughäfen werde aber nun einmal besonders viel Kerosin verbrannt, sie seien deshalb Ultrafeinstaub-Hotspots. Das habe im Übrigen auch die Europäische Kommission erkannt: Sie stelle in ihrer „Luftfahrtstrategie für Europa“ vom 7. Dezember 2015 fest, dass die Bevölkerung im Umfeld von Flughäfen auch schlechter Luftqualität ausgesetzt sei. „Dabei sind ultrafeine Partikel der Faktor mit den größten Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit“, heißt es bei der EU wörtlich.
Die Grünen kritisieren, die Bundesregierung bleibe konkrete Antworten auf allzu unangenehme Fragen schuldig. Viele Fragen wie die nach der Menge des Kerosinausstoßes an Flughäfen, nach Messverfahren, der Menge ausgestoßener Partikel oder nach toxischen und krebserregenden Substanzen in Flugzeugabgasen würden unvollständig oder gleich gar nicht beantwortet. „Der Bundesregierung ist offensichtlich daran gelegen, dass das Ultrafeinstaubproblem an Flughäfen nicht in vollem Umfang sichtbar wird“, kritisiert Wagner. Das Thema Ultrafeinstaub an Flughäfen, aber auch an stark befahrenen Straßen, „ist aber ein Thema, das erstens in aller Deutlichkeit benannt und zweitens dringend aktiv angegangen werden muss“, fordert sie. Es sei „nicht legitim, das Problem unter dem Deckel zu halten, weil man im Augenblick keine technischen Lösungen bei der Hand hat.“
Das Bundesumweltministerium müsse nun „endlich einen klaren Fahrplan im Umgang mit Ultrafeinstaub entwickeln“, fordert auch die Mainzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rössner. Es brauche Messungen, weitere Forschung und konkrete Maßnahmen auf EU-Ebene. „Die Bundesregierung muss darauf hinwirken, dass Ultrafeinstaub im Umfeld großer Flughäfen endlich gemessen wird“, fordert auch Wagner – und im Sinne des Vorsorgeprinzips „schon jetzt auf eine Reduzierung des Ultrafeinstaub-Ausstoßes hinwirken.“
Vom Bund heißt es, derzeit befinde sich die Luftgüteempfehlung der WHO in der Aktualisierung, dabei werde auch geprüft, ob man Empfehlungen zur Regulierung der Ultrafeinstäube zum Schutz der Gesundheit aussprechen könne. Erst nach den Festlegungen der WHO aber könnten „im Rahmen der mittelfristigen Novellierung der Luftqualitätsrichtlinie“ eine EU-weite Abstimmung über mögliche Grenzwerte und Messverpflichtungen von Ultrafeinstaub angestoßen werden. Man „begrüße“ aber Überlegungen der Bundesländer zur Einrichtung von Messstationen für ultrafeine Partikel im Umfeld von Flughäfen – selbst messen tue man dort aber nicht.
Rößner betonte deshalb, der Bund müsse nun alles tun, um Wissenslücken zu schließen, „es kann nicht sein, dass dieses Thema weiterhin als große Unbekannte behandelt wird!“
Übrigens räumte der Bund auch ein, dass sich derzeit Anfragen zu der Belastung mit und den gesundheitlichen Auswirkungen von Ultrafeinstäuben häuften. Deshalb werde derzeit vom Umweltbundesamt eine „Frequently asked Question“-Rubrik für die Internetseite des Amtes vorbereitet. Damit wolle man die Bevölkerung über „den aktuellen Stand zu den unterschiedlichen Aspekten der Belastung der Atemluft mit UFP informieren.“ Wir checken das dann gerne nach….
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Messungen rund um den Frankfurter Flughafen sowie die Warnungen von Alt und Schwämmlein von der Mainzer Initiative gegen Fluglärm findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel: „Hier ist Gefahr im Verzug“. In einer Zwischenbilanz ihres eigenen Messverfahrens räumte die Hessische Landesregierung im Juni sogar ein: Ja, der Frankfurter Flughafen ist eine maßgebliche Quelle für Ultrafeinstaubbelastung. Mehr dazu sowie zu Studien über Gesundheitsgefahren und die Forderungen nach Warnungen der Bevölkerung lest Ihr hier bei Mainz&. der Mainzer Kardiologe Thomas Münzel warnt eindringlich vor den gesundheitlichen Gefahren und fordert Grenzwerte für Ultrafeinstaub – und hat ein eigenes Forschungsprojekt dazu gestartet, mehr dazu lest Ihr hier.
Ergänzung& auf Mainz&: Die Bürgerinitiative gegen Fluglärm Mainz lädt am Donnerstag, den 08. November 2018 zu einem Informations- und Diskussionsabend: 19.00 Uhr, Hotel INNdependence, Gleiwitzer Straße 4, in der Mainzer Oberstadt. Thema: Ultrafeinstaub, Fluglärm und mehr. Ankündigungstext der BI: „Joachim Alt und Wolfgang Schwämmlein berichten von Ihren Aktivitäten in Sachen Ultrafeinstaub im Jahr 2018, von ihren Kongressen und Vorträgen in ganz Deutschland und von ihren Schwierigkeiten, die Politik (auch in Mainz und Rheinland-Pfalz) für das Thema Ultrafeinstaub, das in ganz engem Zusammenhang mit Flugzeugabgasen und Treibhauseffekt steht, zu sensibilisieren. Anschließend besteht die Möglichkeit zur Diskussion. Gäste sind herzlich willkommen.“