Seit einer Woche beschäftigt ein anonymes Schreiben mit umfangreichen Vorwürfen gegen die Stadtverwaltung Mainz die politische Szene der Landeshauptstadt, am Montag nahm Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in einer Pressekonferenz ausführlich Stellung zu allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Ebling zitierte dabei selbst ausführlich aus dem anonymen Schreiben und machte damit selbst Sachverhalte öffentlich, die bislang noch nicht in der Öffentlichkeit bekannt gewesen waren. Sein Tenor: Alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe seien haltlose Unterstellungen und schlicht falsch. „Das anonyme Schreiben enthält haltlose Unterstellungen und Behauptungen“, denen „auch nur der Anschein eines Beleges fehlt“, betonte Ebling.
Mit fast denselben Worten hatte Ebling schon vor einer Woche die Vorwürfe gegen seine Person aus dem Schreiben zurückgewiesen. Gleichzeitig hatte der OB angekündigt, er werde die Vorwürfe nicht weiter kommentieren – nun tat er es doch: In einer großen Pressekonferenz arbeitete Ebling minutiös alle in dem anonymen Schreiben enthaltenen Vorwürfe gegen seine Person ab. Ebling wirkte dabei durchaus angespannt, seine Stellungnahme verlas er wörtlich aus einem vorbereiteten Redemanuskript.
Die Verfasser des anonymen Briefes werfen Ebling sowie knapp einem Dutzend weiterer leitender Personen aus der Stadtverwaltung sowie von stadtnahmen Gesellschaften nichts weniger als Vorteilsnahme im Amt und Untreue vor, von Vetternwirtschaft und der Anordnung von Dienstvergehen ist die Rede. Die Stadt Mainz mit ihrem „undurchsichtigen Geflecht an Gesellschaften“ sei „zu einem Selbstbedienungsladen mit Vollversorgung mutiert“, heißt es in dem Schreiben, es herrsche „Günstlingswirtschaft“ und ein Geflecht von „Freundschaftsdiensten“, in dem Vorteilsnahmen durch fingierte Rechnungen gedeckt würden. Zehn Jahre nach der Wohnbau-Affäre wird Mainz damit erneut von Vorwürfen der Korruption und Vetternwirtschaft erschüttert.
Im Zentrum der Vorwürfe steht Oberbürgermeister Ebling persönlich, acht Wochen vor der Kommunalwahl kommen die Vorwürfe für die SPD zur Unzeit. Ebling will zudem Ende Oktober erneut als Oberbürgermeister gewählt werden, sein Wiesbadener Amtskollege Sven Gerich (SPD) – ein Freund Eblings – zog gerade wegen ähnlicher Vorwürfe seine erneute Kandidatur als OB zurück. Die Vorwürfe sind auch deshalb pikant, weil sie teilweise auf Ebling selbst und seine Amtsführung zielen. Die Verfasser werfen Ebling selbstherrliches Gebaren und Abgehobenheit vor, er lasse Mitarbeiter der Stadtverwaltung nur für seine Darstellung arbeiten, darunter leide die Steuerung der Stadt. Eblings „Hemmschwelle, Dienstvergehen anzuordnen, wird immer geringer“, werfen ihm die Briefeschreiber vor.
Ebling selbst zitierte diesen Satz heut ein der Pressekonferenz, und sagte dazu: „Die Behauptung weise ich mit aller Entschiedenheit zurück, sie entbehrt jeder Grundlage.“ Fast mit dem gleichen Wortlaut wies er auch die übrigen Vorwürfe zurück. Zu den Vorwürfen sagte Ebling im Einzelnen:
Eigentumswohnung im Zollhafen, der Vorwurf: Billigerer Preis, individuelle Extras
„Ich habe keine Eigentumswohnung am Zollhafen und bin auch nicht Miteigentümer einer Immobilie im Bereich des Zollhafens“, betonte Ebling. Er besitze in der Tat einen Bungalow in Mainz-Mombach, den er gemeinsam mit seinem Lebensgefährten, dem Bauingenieur Andreas Schulz, bewohne. Schulz habe aber in der Tat im Jahr 2015 eine „Eigentumswohnung im Bereich des Zollhafens“ erworben, dies sei aber zu marktüblichen Konditionen und „über den Markt“ geschehen. Der Preis der Wohnung sei von der LBBW Immobilien Development GmbH festgesetzt, er selbst oder auch Schulz habe keinerlei Einfluss auf die Preisbildung ausgeübt.
Auch als Verwaltungsratschef der Sparkasse Mainz sowie als Aufsichtsratschef der Mainzer Stadtwerke AG „wäre ich nicht in der Lage, auf die Preisbildung des Projektentwicklers Einfluss nehmen zu können“, betonte Ebling weiter. Die Mainzer Stadtwerke sind Eigentümer und Projektentwickler des Zollhafen-Areals, der anonyme Brief hatte Ebling unterstellt, „am preis gedreht“ zu haben, zudem seien Extras für die Wohnung nicht berechnet worden. Ebling betonte, es habe individuelle Änderungswünsche bei der Wohnung gegeben, etwa eine Veränderung des Raumzuschnitts eines Abstellraumes. „Diese geringfügigen Extras wurden von meinem Lebensgefährten bezahlt“, auf die Preise sei kein Einfluss genommen worden. All das lasse sich „durch eine lückenlose Dokumentation“ und Rechnungen belegen.
Schulz habe „außer dass er mit mir zusammen ist, keine Verbindung zu diesen Unternehmen“, sagte Ebling weiter. Daraus eine Verbindung zu knüpfe, „das führt mir zu weit“, betonte er. Auch er selbst sei Kunde der Wasserwerke und anderer städtischer Unternehmen, das seien „naturgemäße Beziehungen“, wenn man in einer Stadt lebe. Schulz habe „die Wohnung „zu einem Preis erworben, der am Markt platziert war und zu dem sie jeder andere auch hätte erwerben können.“
Dienstwagen für private Treffen
Ebling bestätigte erneut, er habe in der Tat seinen Dienstwagen gelegentlich für private Fahrten genutzt – das sei aber nach der Dienstwagenverordnung des Landes Rheinland-Pfalz rechtens – ausführlich findet Ihr dazu hier unseren Mainz&-Artikel. Die private Nutzung müsse er als geldwerter Vorteil versteuern, dies sei auch „von der Verwaltung im Rahmen der Abrechnung meiner monatlichen Bezüge“ erfolgt. Derzeit würden monatlich 1094,08 Euro als geldwerte Vorteile bei ihm versteuert.
Essen, Einladungen, private Treffen
Im Februar war bekannt geworden, dass Ebling und sein Partner regelmäßige Jahresabschlussessen mit Gerich und dessen Ehemann abhielten, Ebling betonte am Montag erneut, er habe seinerseits diese Treffen stets privat bezahlt. Vorwürfe, Schulze hätte als „Dankeschön“ für Aufträge diese Essen bezahlt, seien falsch. Tatsächlich ist Schulz als Bauingenieur mit seiner Firma an Dutzenden Bauvorhaben der Stadt Wiesbaden und deren Tochtergesellschaften beteiligt gewesen und bis heute beteiligt. Ebling bestätigte dies, betonte aber zugleich, Einfluss habe er darauf nicht und auch nie genommen. Schulz bewerbe sich wie viele andere Unternehmen auch und habe sich im Übrigen seit Amtsantritt Eblings als OB niemals auf öffentliche Aufträge der Stadt Mainz beworben – eben „um jeglichen Anschein eines bösen Glaubens in dieser Hinsicht zu vermeiden.“ Weitere gemeinsame Reisen oder Wochenendtripps habe es „in diesem Personenkreis nie gegeben.“
Taubertsbergbad, Abfindung eines Mitarbeiters
In dem anonymen Brief wird Ebling zudem vorgeworfen, er habe „als oberster Dienstherr kein Machtwort“ in Sachen Taubertsbergbad gesprochen, als die gravierenden Baumängel bekannt geworden seien. Stattdessen habe er Bürgermeister Günter Beck (Grüne) gewähren lassen, der „nie einer Baumängelverfolgung“ nachgegangen sei. Beck hat diese Vorwürfe zurückgewiesen, Näheres lest Ihr dazu hier. Ebling sagte dazu nun lediglich, er habe die Mainzer Stadtwerke AG beauftragt, ein Konzept zur Übernahme des Taubertsbergbades als kommunale Einrichtung für den Mainzer Schwimm- und Schulsport zu entwickeln. Auch auf explizite Nachfrage von Mainz& wollte sich Ebling zur Frage der Baumängel und ob er in dieser Frage eingeschritten sei oder nicht, nicht äußern.
Auch zu dem Vorwurf, er habe einen städtischen Mitarbeiter der Stadtgesellschaft Mainzplus Citymarketing mit einer üppigen Abfindung versorgt, obwohl sich dieser Verfehlungen habe zuschulden kommen zu lassen, äußerte sich Ebling nur ausweichend: Es habe einen gerichtlich protokollierten Vergleich über die Aufhebung des Dienstverhältnisses gegeben, das sei Aufgabe der Geschäftsführung. Er selbst habe auf diesen Vergleich „keinen Einfluss genommen“, betonte Ebling, „und auch nicht eine Abfindung draufgelegt oder angewiesen.“ Der Aufsichtsrat habe dem Vorgehen der Geschäftsführung aber zugestimmt. Die Frage, ob dieser Mitarbeiter zuvor selbst gekündigt habe, beantwortete Ebling nicht.
Konsequenzen: Strafanzeige und neuer Michael-Ebling-Blog
Ebling kündigte zudem an, er habe am Montag Strafanzeige gegen die Verfasser gestellt wegen übler Nachrede möglicher Straftaten. „Es ist kein Scherz und kein Kavaliersdelikt, einfach mal was auf fünf Seiten zusammenzustellen und zu behaupten, und das ohne Anschein eines Belegs“, sagte Ebling. Wenn jemand in der Stadtverwaltung „Ärger mit dem Chef hat, gibt es Mittel und Wege, das zu adressieren“, betonte er. Die Stadt Mainz habe klare Vorschriften gegen Korruption, es gebe einen Antikorruptionsbeauftragten. Ob es Mitarbeiter der Verwaltung seien, wisse er nicht, als Whistleblower sehe er diese Menschen aber nicht. „Ich möchte deutlich machen, ich gehe mit den Vorwürfen transparent um“, unterstrich künftig in einem eigenen Blog unter www.michael-ebling-blog.de auf Vorwürfe und Fragen persönlich antworten.
Info& auf Mainz&: Mehr zu dem anonymen Brief lest Ihr hier auf Mainz&, die Frage von Whistleblowern und ihrem Schutz haben wir hier mal ausführlich beleuchtet.