Die verschwundenen Unterlagen im Mainzer Wirtschaftsdezernat haben am Mittwoch auch den Mainzer Stadtrat beschäftigt. Mit Spannung erwartet: Die Reaktion von Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Der regierte zurückhaltend: Er habe am 19. Dezember 2018 das Revisionsamt der Stadt mit einer Sonderprüfung beauftragt, deren Ergebnis wolle er jetzt erst einmal abwarten. Der CDU-Opposition reichte das nicht: „Es handelt sich offensichtlich um eine Straftat“, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig und forderte, die Staatsanwaltschaft einzuschalten. Verwirrung gibt es indes um den dritten Geschäftsführer-Posten der ZBM. Bürgermeister Günter Beck (Grüne) dementierte eine Benachteiligung der neuen Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) und betonte, Matz‘ Vorgänger Christopher Sitte (FDP) sei nicht als Wirtschaftsdezernent Geschäftsführer der ZBM gewesen, „sondern als Person“. Die Wiederbesetzung des Postens wurde verschoben.
Am 10. Dezember hatte die neue Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) ihr Amt angetreten – und zu ihrer Überraschung vor leeren Schränken gestanden. Akten, Unterlagen und Kontaktdaten waren verschwunden, sogar das Dezernatslaufwerk gelöscht gewesen, berichtete Matz gegenüber Mainz&. In seiner schriftlichen Stellungnahme im Mainzer Stadtrat spricht auch OB Ebling von einem „beispiellosen Vorgang“ – wer dafür verantwortlich sein könnte, diese Frage beantwortetet Ebling indes nicht. Die CDU hatte einen umfangreichen Fragenkatalog eingereicht, wollte wissen, wer an der Vernichtung der Unterlagen im Wirtschaftsdezernat beteiligt gewesen sei und wer die Weisung dazu erteilt haben könnte – und ob die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde.
Die Antwort fiel schmallippig aus: Er sei am 17. Dezember durch ein Schreiben von Matz über den Sachverhalt informiert worden und habe am 19. Dezember das Revisionsamt mit einer Sonderprüfung beauftragt, teilte Ebling mit. Die elektronischen Daten des Dezernats hätten umgehend wiederhergestellt werden können und dem Dezernat ab dem 20. Dezember wieder zur Verfügung gestanden. „Eventuelle Konsequenzen“ könnten aber erst nach Abschluss der Sonderprüfung und der Vorlage des Abschlussberichtes gezogen werden. Auf Nachfrage der CDU teilte der Verwaltungszuständige im Stadtrat am Mittwoch mit, man rechne mit einem Abschluss der Prüfung in etwa sechs Wochen.
Schönig kritisierte die schleppende Aufklärung: „Man will hier offenbar auf Zeit spielen, es soll wohl Gras drüber wachsen“, sagte er Mainz&. Die Verwaltung habe diverse Fragen der CDU überhaupt nicht beantwortet, auch sei er verwundert, dass die Staatsanwaltschaft nicht eingeschaltet worden sei. „Es sind Akten im Eigentum der Stadt Mainz“, betonte Schönig, und niemand wisse derzeit, ob diese vernichtet worden seien oder noch irgendwo lägen. Ex-Dezernent Sitte sagte dazu der „Allgemeinen Zeitung“, von gelöschten Daten wisse er nichts. Er habe „lediglich veranlasst, dass Unterlagen, die als Kopie oder im Original in der Stadtverwaltung an anderer Stelle nochmals vorhanden seien, entfernt wurden“, sagte er laut dem Zeitungsbericht.
Sollte Sitte Originaldokumente vernichtet oder entfernt haben, könnte das durchaus strafrelevant sein: Das Strafgesetzbuch kennt unter Paragraph 133 den Straftatbestand des „Verwahrungsbruchs“, der unter Strafe stellt, „wer Schriftstücke oder andere bewegliche Sachen, die sich in dienstlicher Verwahrung befinden (…) zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht oder der dienstlichen Verfügung entzieht.“ Und unter Paragraph 274 „Urkundenunterdrückung“ heißt es gar: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Urkunde oder technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt.“ Auch der Versuch sei strafbar, fügt das Strafgesetzbuch noch hinzu.
Schönig sagte gegenüber Mainz&, die CDU überlege nun, selbst Strafanzeige zu erstatten. Je mehr Zeit verstreiche, umso schwerer lasse sich die Tat vielleicht aufklären. Der Vorgang um die verschwunden Unterlagen „passt zu den anderen Geschehnissen, die den Amtsantritt der neuen Wirtschaftsdezernentin überschatteten und behinderten“, sagte unterdessen der parteilose OB-Kandidat der CDU, Nino Haase: „Man schädigt aus parteipolitischen Interessen mutwillig weiter die Stadtentwicklung und versucht darüber hinaus, die nötige Aufarbeitung nur intern abzuwickeln“, kritisierte Haase auf seinem Facebook-Profil. „Ganz egal, ob der Ex-Dezernent dies selber war oder es auf Aufforderung aus der Stadtspitze geschah – eines ist klar: Verloren hat das Vertrauen in Verwaltung und Kommunalpolitik in Mainz“, betonte Haase.
Die „anderen Geschehnisse“ sind vor allem die Vorgänge rund um die Geschäftsführer-Posten der ZBM, der zentralen Beteiligungsgesellschaft der Stadt, die für Stadtentwicklung, Stadtmarketing und die Stadtwerke zuständig sind. Der CDU zufolge soll es kurz nach der Wahl von Manuela Matz zur neuen Wirtschaftsdezernentin „Absprachen“ in der ZBM-Spitze gegeben haben, nach denen Matz nicht Nachfolgerin Sittes auf dem Posten des dritten ZBM-Geschäftsführers werden solle. Stattdessen solle Franz Ringhoffer, Chef der Mainzer Wohnbau den Posten bekommen, Ringhoffer ist wie Sitte FDP-Mitglied.
Auch die ÖDP-Opposition schimpfte am Mittwoch im Mainzer Stadtrat, es gehe doch „nur darum, die Posten unter der Ampel-Koalition aufzuteilen.“ Die beiden anderen Geschäftsführerstellen sind vom Grünen-Bürgermeister und Beteiligungsdezernenten Günter Beck sowie von Stadtwerke-Vorstand Daniel Gahr – einem SPD-Mitglied – besetzt. Bei der Schaffung der ZBM sei vorgesehen gewesen, dass die drei Personen in der Geschäftsführung „zusammenarbeiten sollten, die am meisten damit zu tun haben: Stadtwerke, Beteiligungsdezernent und Wirtschaftsdezernent“, sagte CDU-Stadtrat Thomas Gerster gegenüber Mainz&: „Das war eine logische Zusammensetzung.“
Beck widerspricht indes: „Die Geschäftsführung der ZBM ist nicht an das Wirtschaftsdezernat gekoppelt“, betont er. Sitte sei „nicht als Wirtschaftsdezernent Mitglied der Geschäftsführung“ gewesen, „sondern als Person“, sagte Beck gegenüber Mainz&, eine „natürliche Nachfolge“ der neuen Wirtschaftsdezernentin sei deshalb nicht gegeben. Sitte habe mit Schreiben vom 30. November 2018 die Geschäftsführung der ZBM zum 7. Dezember 2018 niedergelegt. Nach Mainz&-Informationen gab es noch vor dem Amtsantritt von Matz eine Aufsichtsratssitzung der ZBM, in der das Thema nachfolge aber nicht behandelt worden sein soll.
Beck sagte weiter, aus Sicht der Verwaltung wäre eine Berufung des Wohnbau-Chefs in die Geschäftsführung „naheliegend“, da demnächst Gesellschaftsanteile der Wohnbau auf die ZBM GmbH übertragen werden sollten. Da sich diese Übertragung aber verzögere und nicht mehr im ersten Halbjahr 2019 vollzogen werden könne, habe man jetzt auch die Besetzung der Geschäftsführerstelle „zurückgestellt“. Die Besetzung der Posten muss durch den Mainzer Stadtrat beschlossen werden.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den verschwundenen Unterlagen im Wirtschaftsdezernat lest Ihr hier bei Mainz&.