Na, seid Ihr heute Vormittag um 11.00 Uhr gewarnt worden? Es war die wohl meistgestellte Frage am heutigen Donnerstag: Zum zweiten Mal fand ein bundesweiter Warntag statt, und die Spannung war groß. Denn zum ersten mal wurde in Deutschland das Cell Broadcasting-System getestet, bei dem Warnmeldungen unabhängig von Warnapps auf den Handys aufpoppen sollen. Doch das funktionierte nicht überall: Etwa die Hälfte der Mainz&-Leser meldete, ihr Handy sei stumm geblieben – viele davon bewegen sich im Netz der Deutschen Telekom.

Grafik einer Einsatzzentrale. - Grafik: BBK
Grafik einer Einsatzzentrale. – Grafik: BBK

Pünktlich um 11.00 Uhr sollten am Donnerstag Handy-Apps losbimmeln, Sirenen schrillen und Rundfunkstationen ein Warnmeldung herausgeben. Man wolle den gesamten Warnmix erproben, hieß es im Vorfeld beim zuständigen Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) sowie beim Mainzer Innenministerium: Ziel sei, dass alle Bürger über wenigstens ein Warnmittel erreicht werden könnten. Dazu wurde erstmals auch das Cell Broadcasting-System eingesetzt, das unabhängig von Betreiber und Warnapp eine Meldung auf jedes Handy in einer bestimmten Funkzelle schicken sollte – in diesem Fall in ganz Deutschland.

Doch das funktionierte nicht: „Nix kam, und bei der Kollegin macht der normale Klingelton mehr Rabbatz“, berichtete ein Mainz&-Leser via Facebook. „Auf dem Handy war nix“, meldeten auch gleich mehrere andere Leser – etwa die Hälfte der Rückmeldungen lautete: Eine Warnmeldung sei keine eingegangen, obwohl diese zuvor per SMS vom Anbieter angekündigt worden sei. „Ich fühle mich nicht gewarnt“, berichtete eine Leserin: „Ohne um 11.00 Uhr darauf zu achten, hätte ich nichts mitbekommen.“

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Tatsächlich schrillten im Mainzer Stadtgebiet die Sirenen offenbar pünktlich um 11.00 Uhr los, und gaben einen einminütigen Warnton von sich. Zu hören waren Sirenen erstmals auch in Gegenden, wo es bisher keine Sirenenabdeckung gegeben hatte – so etwa in Mainz-Zahlbach. In manchen Gemeinden wie etwa in Ingelheim fuhr zusätzlich die Feuerwehr mit Lautsprecherwagen durch die Straßen und informierte mit lauten Durchsagen über den Probealarm.

Warnung in der Warnapp Nina in Mainz. - Screenshot: gik
Warnung in der Warnapp Nina in Mainz. – Screenshot: gik

Auch die Warnapps auf den Smartphones machten sich bemerkbar – allerdings in höchst unterschiedlichem Maße: In Mainz rappelte die Warnapp Nina lieferte pünktlich um 11.00 Uhr eine „Warninformation“ – wer allerdings die Warntöne in der App nicht auf laut gestellt hatte, bekam nur die stumme Mittelung, und sonst nichts. Auch die Hessen-.eigene Warnapp „Hessenwarn“ rappelte eine Minute später los, lauter Warnton inklusive.

Anders die Warnapp Katwarn: hier hing es deutlich. Die Warnmeldung wurde erst ungefähr 20 Minuten später ausgespielt, die Berichte über den Eingang reichten von 11.19 Uhr über 11.23 Uhr (bei uns) bis hin zu 11.28 Uhr – zum Teil aus ein und derselben Region. Bei manchen zeigte Katwarn gar nur die Entwarnung gegen 12.00 Uhr an – und sonst nichts. Dementsprechend vielfältig waren die Rückmeldungen der Leser: Von „Sirenen gehört, auf dem Handy nichts“, über „Handy laut gerappelt, keine Sirene“ bis hin zu „Zwei Handys, zwei Alarme und ne Stadtsirene; um 10:59 und um 11.00 Uhr – ich kann nicht klagen“, war alles dabei.

 

Damit aber steht fest: Bis zu 50 Prozent der Bevölkerung werden nach wie vor von Warnmeldungen auf dem Handy kaum bis gar nicht erreicht – genau das sollte die neue Warnkette aber ändern. Beim BBK zeigte man sich dennoch am Mittag zufrieden: „Nach vorläufigen Erkenntnissen war der bundesweite Warntag 2022 ein Erfolg“, freute sich BBK-Präsident Ralph Tiesler: „Das Zusammenspiel der einzelnen Systeme hat funktioniert, und die Menschen sind auf das wichtige Thema Warnung aufmerksam geworden.“

SWR3 erhält Warnmeldung erst mit 20 Minuten Verspätung

Die Sirenenwarnungen in Mainz funktionierten offenbar einwandfrei. - Foto: gik
Die Sirenenwarnungen in Mainz funktionierten offenbar einwandfrei. – Foto: gik

Nicht funktioniert hatten indes aber wohl auch Warnmeldungen via Medien: Der Radiosender SWR3 meldete um Punkt 11.00 Uhr in seinen Nachrichten – nichts. Erst etwa 20 Minuten später unterbrach der Sender sein Programm, und vermeldete die offizielle Warnmeldung der Behörden. Zur Erklärung sagte eine Moderatorin danach: Der Sinn des Warntages sei gewesen, die offizielle Warnmeldung abzuwarten, und sie genau dann zu verlesen – und diese sei eben erst mit so viel Verspätung eingetroffen.

„Die Probewarnung hat gezeigt, dass unsere technische Infrastruktur robust ist, und die technischen Probleme der Vergangenheit behoben sind“, sagte Tiesler hingegen – wie der BBK-Präsident zu dieser Einschätzung kam, ist unklar. Auf eine Mainz&-Anfrage kam bis Fertigstellung dieses Artikel noch keine Antwort.

Netzbetreiber Ursache für nicht-ausgespieltes Cell Broadcasting?

Derweil kursierten in den sozialen Medien zahlreiche Mutmaßungen, woran es gelegen haben könnte, dass so viele Handys stumm blieben. Eine Erklärung: Handys mit älteren und nicht aktualisierten Betriebssystemen konnten die Cell Broadcasting-Message nicht erhalten – darauf hatten die Netzbetreiber im Vorfeld auch hingewiesen. Ein anderer Verdacht lautete, man müsse bei Geräten der Marke Apple in den „Mitteilungen“ unter Cell Broadcasting einen Schalter für Testwarnungen aktivieren, sonst komme der Alarm nicht an.

Einstellungen im iPhone zu Cell Broadcasting: daran lag's nicht. - Foto: gik
Einstellungen im iPhone zu Cell Broadcasting: daran lag’s nicht. – Foto: gik

Das aber erwies sich als falsch: Das BBK wies explizit darauf hin, dass die CB-Testwarnung in der höchsten Kategorie ausgespielt werden würde, und somit in jedem fall ankommen müsse. Verschiedene iPhone-Besitzer bestätigten das am Donnerstag auch. So könnte das Problem am Ende bei den Netzbetreibern gelegen haben: Auffällig viele Kunden des Netzes der Deutschen Telekom berichteten, bei ihnen sei die Cell Broadcasting-Message nicht ausgespielt worden – trotz neuer Handys und aktuellem Betriebssystem.

Auch bei Mainz& war das der Fall: Unsre Brandneues iPhone blieb stumm. Nutzer von Vodafone oder Eplus-Netzen berichteten hingegen, bei ihnen habe das System problemlos und lautstark gewarnt: „Pünktlich um 11.00 Uhr, der Ton war, wie erwartet, total grauslig“, berichtete eine Mainz&-Leserin. Auch andere meldeten, jetzt seien sie wirklich wach – die Warnsirene bei Cell Broadcasting war nicht zu überhören.

 

Bei der Deutschen Telekom hieß es am Abend auf Mainz&-Anfrage, ein finales Fazit könne man noch nicht geben. „Wir sind noch in einem sehr frühen Zeitpunkt der Analyse“, sagte Telekom-Pressesprecher Philipp Kornstädt gegenüber Mainz&: „Uns haben aber den ganzen Tag über sehr viele Meldungen erreicht, wo es gut geklappt hat.“ Wenn es nun Meldungen gebe, wo es nicht geklappt habe, müsse nachgeforscht werden, was auch geschehe.

Funkmast der Deutschen Telekom. - Foto: Telekom
Funkmast der Deutschen Telekom. – Foto: Telekom

„Wir können nur überprüfen, ob unsere Stationen das Signal ordnungsgemäß versendet haben“, sagte Kornstädt weiter – eine technische Rückmeldung, wo das Signal ankomme und wo nicht, bekomme der Netzbetreiber zunächst nicht. „Wir können noch kein abschließendes Fazit geben“, betonte Kornstädt deshalb, „wir ermutigen aber alle Kunden, sich an der Umfrage des BBK zu beteiligen.“

Tatsächlich hat das BBK großflächig um Rückmeldungen gebeten, wo der Alarm funktioniert hat, und wo nicht: Unter warntag-umfrage.de gibt es einen Fragebogen, bei dem man seine Erlebnisse schildern kann. Der Fragebogen wurde vom renommierten Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen im Auftrag des BBK erstellt und wird dort auch ausgewertet, noch bis zum 15. Dezemberkönnt Ihr dort antworten – für die Behörden ist die Rückmeldung ausgesprochen wichtig.

 

„Die Erkenntnisse aus dieser ersten bundesweiten Erprobung von Cell Broadcast und den übrigen Warnmitteln gehen nun in die Weiterentwicklung ein“, betonte BBK-Präsident Tiesler – für abschließende Ergebnisse sei es noch zu früh. Man werde die Rückmeldungen auswerten und damit das System weiter optimieren. Auch bei der Telekom betont man: „Das war ein erster Probelauf und Test.“ Und wie bei jedem Test erhoffe man sich, daraus wichtige Erkenntnisse, betonte Kornstädt weiter: Der volle Cell Broadcasting-Dienst solle im Februar 2023 starten.

Rückmeldungen zum Warntag 2022 auf dem Mainz&-Facebook-Account. - Foto: gik
Rückmeldungen zum Warntag 2022 auf dem Mainz&-Facebook-Account. – Foto: gik

Und noch ein Problem müssten die Behörden bis dahin lösen: Ältere Handys können die Cell Broadcasting-Message in Deutschland grundsätzlich nicht empfangen. Das liege an den Vorgaben für die IT-Messages, erklärte Kornstädt gegenüber Mainz&: Die Bundesnetzagentur habe nämlich eine Richtlinie für CB-Messages in Deutschland definiert – und danach werde für den Versand eine vierstellige Message benutzt.

Ältere Handys könnte aber nur eine dreistellige Nachricht empfangen, wie sie etwa CB-Dienste in anderen Ländern nutzten. Wie viele Handys es in Deutschland geben, die die vierstelligen Warnmeldungen empfangen könnten, könne in Deutschland deshalb derzeit niemand sagen, fügte Kornstädt hinzu.

Falschmeldung des BBK: Kein Hinweis auf Deutsche Telekom?

Korrektur&: Das BBK hatte am Donnerstagabend zunächst Mainz&-Recherchen scheinbar bestätigt, nach denen es ein Problem mit dem Netz der Deutschen Telekom gegeben haben könnte: „Zu Ihren Fragen nach möglichen Problemen mit Apple-Geräten oder dem Netz der Telekom liegen uns derzeit Erkenntnisse vor, die das generell bestätigen würden“, teilte das BBK am Abend auf Mainz&-Anfrage wörtlich mit.

Am Freitagvormittag dann aber meldete sich das BBK erneut: Die Meldung sei leider falsch gewesen, es habe sich „der Fehlerteufel“ eingeschlichen – es müsse leider heißen: „liegen uns derzeit KEINE Erkenntnisse vor, die das generell bestätigen würden.“ Damit brauchte das BBK nicht nur rund 16 Stunden, um die eigene Falschmeldungen zu korrigieren – das BBK kann auch weiter nicht erklären, woran es denn nun gelegen hat, dass rund die Hälfte der Handys von der Cell Broadcast-Message nicht erreicht wurde. Wir haben die Stelle hi4er im Artikel korrigiert.

Info& auf Mainz&: Die Umfrage zu Euren Erfahrungen mit dem bundesweiten Warntag 2022 heute findet Ihr hier im Internet – macht mit! Nur so erfahren die Behörden, wer was wann wo heute gehört hat – oder eben nicht. Und nur so kann das Warnsystem verbessert werden!