Meere voller Plastikmüll, Plastikmüllberge in ärmeren Ländern – in Mainz glauben sie, dagegen ein Mittel gefunden zu haben: Ein geschlossenes Kreislaufsystem mit Plastikflaschen zu 100 Prozent aus recyceltem Hausmüll. 300 Millionen solcher PET-Flaschen aus Recyclat habe man bereits produziert, heißt es stolz beim Mainzer Unternehmen Werner und Mertz: Das sei weltweit einmaliger Rekord. Recyclat-Initiative heißt der Vorstoß der Mainzer, der Plastikflaschen künftig in einen geschlossenen Kreislauf verbannen soll, alle Produkte der Marke Frosch werden bereits in solche Flaschen abgefüllt. Im Mai weihte die Firma dafür ein neues Produktionsgebäude ein – das beeindruckte sogar einen prominenten Gast.
„Es ist ein Verbrechen“, schimpft Hannes Jaenicke. „Die Meere sind eine Müllhalde, die Politik versagt elendiglich“, kritisiert der Schauspieler: „Die Klimakrise ist wirklich schwierig zu lösen, aber die Plastikkrise, die könnten wir mit einem Schnipp lösen.“ Vor zehn Jahren startete der in Los Angeles und Köln lebende Schauspieler seinen ganz persönlichen Kampf gegen die Verschmutzung der Weltmeere mit Plastik, nun sitzt er bei Werner und Mertz in Mainz, denn hier glauben sie, an einer Lösung des Problems ganz nah dran zu sein.
„Wenn wir so weiter machen, wird es 2050 mehr Plastik als Fische im Meer geben“, sagt Reinhard Schneider, und dem habe man den Kampf angesagt. Schneider ist der Chef von Werner und Mertz, die Mainzer Firma produziert seit über 150 Jahren Reinigungsmittel, vor allem mit den Marken Erdal und Frosch. Im Mai weihte das Unternehmen ein 30 Millionen Euro teures Produktionsgebäude ein, ein hochgradig nachhaltiger Bau aus Recycling-Beton mit 455 Solarmodulen auf dem Dach, Fernwärmeanschluss und Wärmerückgewinnung sowie begrünter Fassade und grünem Innenhof im japanischen Stil.
Plastikflaschen aus recyceltem Material als Markenzeichen
Das Herzstück aber ist die Fertigung der Plastikflaschen und ihre Abfüllung. „Wir haben jetzt alle Materialströme in einem Gebäude“, sagt Werksleiter Guido Gneist stolz: „Im Erdgeschoss die Flaschenproduktion, im ersten Stock die Flaschenabfüllung – seither sparen wir enorm an Transportkosten.“ Plastikflaschen aus recyceltem Material, das haben sie hier bei Frosch als Markenzeichen entwickelt. Die hellen oder grünen Plastikflaschen werden als Kunststoffgranulat oder als kleine Kunststoffröhrchen von einer Firma in Kaiserslautern angeliefert, bei Werner und Mertz werden sie zu Flaschen aufgeblasen.
Das Material bestehe zu 100 Prozent aus recyceltem Hausmüll, betont Schneider, 20 Prozent kämen aus dem gelben Sack, der Rest aus haushaltsnahem Plastikabfall – etwa alten Trinkflaschen. 2008 setzte Werner und Mertz erstmals recycelten Kunststoff in Frosch-Flaschen ein, 2012 startete man die Recyclat-Initiative, 2015 wurden erstmals Plastikabfälle aus dem Gelben Sack verwendet. Inzwischen meldet das Unternehmen Weltrekord: Mit 297 Millionen abgefüllten PET-Flaschen zu 100 Prozent aus Altplastik sei man Weltmarktführer, betont Schneider.
„Die Qualität ist top, die neue Flasche nicht von einer zu unterscheiden, die aus Rohöl gemacht wurde“, schwärmt Schneider. Die Herstellung sei eine technische Herausforderung, „aber wir können das inzwischen nicht nur mit PET, sondern auch mit PE.“ Gerade habe man als erste Firma weltweit eine Flasche für Kosmetikprodukte zugelassen bekommen, in den USA fülle Werner und Mertz bereits Mineralwasser in die Flaschen aus Recyclat ab.
Kreislaufwirtschaft gegen Abfallberge
Im Gebäude nebenan zeigt Werksleiter Gneist eine Abfüllmaschine für Standbodenbeutel, typische Nachfüllbeutel für Reinigungsmittel. Ende des Jahres steht die Markteinführung des neuen Beutels an, auch er soll dann zu 100 Prozent aus recyceltem Plastik sein – rund 30 Millionen solcher Beutel verarbeitet Werner und Mertz pro Jahr. Von einem kompletten Plastikverbot hält der Firmenschef nichts: „Plastik“, sagt Schneider, „hat in unserer Zivilisation einen so hohen Stellenwert eingenommen, dass die Leute nie ganz davon werden lassen können.“
Ziel des Unternehmens stattdessen: eine geschlossene Kreislaufwirtschaft in der das genutzte Plastik komplett wiederverwertet wird, anstatt wie derzeit in Müllverbrennungsanlagen zu laden – oder eben im Meer. „Wenn wir eine Kreislaufwirtschaft etablieren, dann gibt es keinen Abfall mehr“, wirbt Schneider. Plastik an sich sei keineswegs „böse“, es könne sogar das Ökomaterial der Zukunft werden – „wenn wir es richtig behandeln“, betont Schneider, und fordert: „Wir müssen nur radikal den Umgang damit ändern.“
Das Problem dabei: Die neue Technik ist teurer als die alten Verfahren, und das liege vor allem an der Politik. „Rohöl ist immer noch das billigste Material – denn auf Rohöl fällt keine Steuer an“, sagt Schneider. Zwei Ausnahmen gebe es bei der Besteuerung: Kerosin für Flugzeuge und Plastik aus Öl. Letzteres verursache auch noch eine Menge schädlicher Emissionen und sei sehr energieintensiv, trotzdem hielten die meisten Konkurrenten daran fest. „Sie haben Angst, durch Veränderung zu Verlierern zu werden“, sagt Schneider.
Frosch will Thema Recyclat aus der Öko-Nische holen
Ja, bei Werner und Mertz verzichte man durch die höheren Kosten auf mehr Umsatz, sagt Schneider: „Unser Gewinn ist schmaler, aber das können wir uns leisten, weil wir in Generationen planen.“ Ein reiner Philanthrop ist der Firmenchef gleichwohl nicht: Seitdem Frosch mit den Flaschen aus recyceltem Kunststoff wirbt, verzeichnet die Marke ein Umsatzwachstum von 10 bis 15 Prozent, sagt Schneider: „Dem Konsumenten ist es eben doch wichtig, woraus die Verpackung gemacht ist.“ Etwa 1.000 Beschäftigte hat die Firmengruppe europaweit, 500 arbeiten am Standort Mainz. Allein in Deutschland stieg der Umsatz der Marke Frosch Firmenangaben zufolge von 2016 bis 2018 um 21 Prozent, der Marktanteil um 14 Prozent. Der Gesamtumsatz der Werner & Mertz Gruppe betrug 2018 399 Millionen Euro.
Schneider würde seine Initiative gerne ausweiten, es sei Zeit, das Thema Recyclat „aus der Nische der verrückten Ökoleute herauszuholen“, sagte er am Dienstag vor gut 130 Bloggern und Experten aus ganz Europa. Mehr Mitstreiter wünscht er sich, eine Wiederaufbereitungsanlage für Abfall aus dem Gelben Sack könnte sich Schneider in Mainz vorstellen, es gäbe Synergien in der Region, eine gute Verkehrsanbindung.
Die Politik könnte helfen, sagt Schneider, etwa ein Bonus-Malus-System einführen mit Boni für diejenigen, die Flaschen mit echtem recycelten Material in Umlauf bringen, und einem Malus für die anderen. „Die Politik hört nicht zu“, seufzt Schneider, Hannes Jaenicke wird da noch deutlicher: „Die Politiker sind Marionetten der Lobby“, schimpft der Schauspieler, „wir müssen die Menschen informieren, was Lüge ist und was nicht.“ Die entscheidende Rolle komme deshalb den Verbrauchern zu, sagt Jaenicke: „Meine potenteste Waffe in diesem Kampf – ist mein Geldbeutel.“
Info& auf Mainz&: Mehr zu Hannes Jaenicke und seinem Kampf gegen Plastik (nicht nur) in den Weltmeeren lest Ihr in diesem Mainz&-Interview. Über das Unternehmen Werner & Mertz könnt Ihr Euch hier im Internet weiter informieren, die Kampagne „What the Frog“ mit Hannes Jaenicke findet Ihr hier.