Der neue Weinjahrgang 2019 steht bei den Winzern in den Flaschen – aber probieren kann ihn derzeit kaum einer. Die Coronapandemie hat Weinproben gestoppt und Weinmessen gekippt, Events, bei denen sich Weinfreunde um Flaschen und Gläser drängen – derzeit undenkbar. Doch für die Winzer ist das ein echtes Problem: Wie jetzt den Wein an die Kunden bringen? Wie den neuen Jahrgang erklären? Die Rettung: Virtuelle Weinproben übers Internet. Mainz& hat die Probe aufs Exempel gemacht – hier unsere Reportage über die virtuelle Weinprobe mit Malenka und Niklas Stenner.
„Wir sind ein bisschen aufgeregt“, sagt Malenka Stenner, „es ist super ungewohnt, dass keiner vor uns steht, dass wir gar nicht interagieren können mit Euch.“ Die Jungwinzerin aus Mainz-Hechtsheim steht nicht in ihrer Vinothek, sondern sitzt vor dem Bildschirm, die Weinflasche hält sie in die Kamera, das Zuprosten: virtuell. „Ich hoffe, Ihr habt alle trockene Zungen und wartet darauf, ich kann jetzt einen Schluck vertragen“, sagt Malenka, und stößt mit ihrem Bruder Niklas an: „Prost, auf einen geilen Abend!“
Es ist 19.00 Uhr an einem Donnerstagabend, und statt im Weingut haben sich die Weinfreunde eben vor dem Bildschirm versammelt. Draußen tobt die Coronapandemie, Zuhausebleiben ist angesagt, um nicht zur Verbreitung des höchst aggressiven Coronavirus beizutragen. Doch auf den Weingenuss verzichten? Malenka Stenner stieg vor zwei, drei Jahren immer intensiver im elterlichen Weingut Stenner im Mainzer Vorort Hechtsheim mit ein, vor einem Jahr übernahm sie den Ausbau der Weine im Keller ganz. Jetzt steht die Jungwinzerin mit ihrem ersten vollen Jahrgang da – und kann ihn nicht präsentieren.
„Wir haben ein Jahr an einem neuen Auftritt gearbeitet“, erzählt Malenka im Gespräch mit Mainz& – Etiketten, Design, die Aufstellung via VDP-Klassifizierung Gutswein, Ortswein und Lagen, alles ist neu. „Ich brenne darauf, das meinen Kunden zu präsentieren und auch, ihnen es zu erklären“, erzählt Malenka. Eine Online-Weinprobe war die Lösung – es ist ein Instrument, zu dem derzeit viele Winzer greifen. „Wir sind total gespannt, es ist ja auch für uns das erste Mal“, erzählt Malenka, „wir wollen eben keinen professionellen Videodreh zeigen, sondern die Leute bespaßen und ein bisschen was von uns nachhause rüberbringen.“
Fünf Weinflaschen stehen nun im heimischen Kühlschrank, die Weine kamen mit der Post oder konnten im Weingut abgeholt werden. Eine liebevolle Liste berät, was man noch bereit halten sollte: Snacks für den kleinen Hunger und zum Neutralisieren des Gaumens zwischendurch, Wasser zum Zwischenspülen, und natürlich ein Weinglas – Profis stellen auch gleich mal zwei oder drei Gläser bereit. „Mach es dir bequem, lausche unseren Geschichten und Erklärungen“, empfiehlt die „Gebrauchsanweisung weiter, „und schreib uns viele Fragen, Anregungen oder Bemerkungen durch den Live Chat. Wir werden versuchen alles live zu beantworten.“
Ein Internetfähiges Gerät ist natürlich auch vonnöten, das kann der eigene PC sein oder ein Laptop, ein Smartphone zur Not oder ein Tablet. Der Videostream startet auf der Plattform Youtube, die erlaubt es auch, dass die Zuschauer live Kommentare in ein Fenster reintippen. „Trinken wir jetzt eine Flasche nach der anderen, oder immer nur ein Schlückchen?“, fragt ein Zuschauer – rund 70 Personen haben sich inzwischen in den Livestream eingeklinkt. Malenka erklärt gerade die neuen Etiketten der Weinflaschen mit ihrem Design und den Informationen – dann geht es los, die erste Flasche wird geöffnet. „Ich hoffe, Ihr habt alle trockene Zungen und wartet darauf, ich kann jetzt einen Schluck vertragen“, sagt Malenka.
Im Glas funkelt eine Scheurebe 2019, trocken. „Richtig schön fruchtig, Maracuja, Litschi, man hat gleich richtig Fruchtpower dabei“, beschreibt Malenka den Wein, „man ist einfach sofort direkt am Strand – wo man jetzt gerne wäre. Tropische Früchte, Sommer, Spaß haben – lauter positive Attribute.“ Was die Zuschauer am anderen Ende des Bildschirms machen – die Winzerin selbst sieht es nicht. Dann aber kommen die ersten Rückmeldungen via Chat: „Der ist soooo lecker“, kommentiert eine Teilnehmerin, „Hmmmm! Könnt Ihr uns noch ne Flasche bringen? Die hier ist leer“, schreibt ein anderer.
Bruder Niklas erklärt inzwischen die neue Weinkarte des Weinguts, wie die Qualitätspyramide funktioniert. „Ich bin der Jungspund“, sagt der Junior, mittlerweile 22 Jahre alt und inzwischen im dritten Lehrjahr in der Ausbildung zum Winzer. „Wir bauen hauptsächlich im Edelstahl aus, bei Lagenweinen auch einen Teil im Holz und im Barriquefass, Rotweine hauptsächlich im Barrique“, erklärt Niklas. „Wir arbeiten am liebsten mit französischer Eiche“, ergänzt Schwester Malenka, das seien aber nicht alles neue Barriquefässer, damit der Geschmack nach Holz nicht zu intensiv werde. „Holz darf gerne Begleiter sein“, sagt Malenka, „aber man soll ja nicht das Gefühl haben, dass man in Holz beißt – man will ja Wein trinken.“
Inzwischen ist der zweite Wein im Glase, ein Bodenheimer Riesling trocken, natürlich auch Jahrgang 2019. „Prost in die zweite Runde“, ruft Malenka. Der Wein ist intensiver, mineralischer, hat mehr Säure – Riesling eben. „Man hat das Grüne dabei, wie wenn man über eine Wiese läuft, mit Aromen von saftigem Gras und Heu“, schwärmt Malenka: „Wenn es auf Steine frisch geregnet hat, diesen Duft merkt man hier auch.“ So langsam trudeln die ersten Fragen ein. Es geht darum wie es derzeit im Weinberg aussieht, wo die Weinberge überhaupt sind. Zehn Hektar Weinberge haben sie inzwischen, erzählt Malenka, die Lagen sind in Hechtsheim, Laubenheim, Ebersheim und Bodenheim verstreut, auch im berühmten Hechtsheimer Kirchenstück haben Stenners Weinbergsstücke.
Reberziehung, die Lehm-Löß-Böden, die Pflege im Weinberg, später der Ausbau im Keller – Malenka und Niklas plaudern locker, berichten von ihrem Alltag. „Wir bauen jede Parzelle einzeln aus“, erklärt Malenka, „jeder Wein schmeckt einfach anders, je nachdem, ob er im Weinberg in einer Kuhle steht, der andere hat mehr Winddurchzug.“ Ausbeute, Öchslegehalt und auch der Klimawandel spielen eine Rolle – es wird immer wärmer in den Weinbergen, so steigt auch der Alkoholgehalt der Weine. Auch das Fehlen der Erntehelfer durch die Coronakrise spielt eine Rolle. „Wir hoffen, dass es möglich sein wird, dass unser polnischer Helfer wiederkommen kann“, sagt Niklas, momentan bleibe da nur: „Abwarten und Wein trinken.“
Das ist das Stichwort für Wein Nummer drei, ein Grauburgunder. Cremig ist der Wein, schmilzt geradezu auf der Zunge. „Bananig, nussig, nicht weich und fruchtig, sondern ein kräftiger Typ“, beschreibt ihn Niklas, „man merkt, dass das eher der Powerwein ist.“ In der heimischen Küche wird’s gerade ein bisschen stressig. Der Vorgängerwein muss aus dem Glas, das will durchgespült werden – und der neue Wein steht noch im Kühlschrank. Jetzt aber hurtig. „Ich hoffe, der Wein ist kalt, aber nicht zu kalt“, flötet Malenka. Der Weingast vor dem Bildschirm guckt betreten, aber das sieht ja zum Glück niemand – und warm wird der Wein schließlich irgendwann von allein. Die Geschmacksvarianten lassen sich aber sehr gut nachvollziehen – und man kann ja mehrfach probieren… der Trend geht zum Zweitglas.
Der Vorteil der Weinprobe daheim ist schließlich: Man muss nicht mehr fahren, sitzt gemütlich am eigenen Tisch und genießt zwischendurch den Griff zum Snack oder gleich zum vollwertigen Abendessen. Auf dem Bildschirm geht es inzwischen um einen halbtrockenen Weißburgunder mit viel Blütenduft. „Ein Gemütlichkeitswein für laue Terrassenabende“, schwärmt ein Mitprobierer. Die Weinprobe auf dem Bildschirm ist inzwischen ein integrierter Teil des Zimmers geworden, die jungen Winzer plaudern entspannt und flüssig – es ist beinahe, als würden die beiden mit am eigenen Tisch sitzen. „Es ist super entspannt, hier zu reden, ich find’s mega, mega cool, toll, dass Ihr alle da seid und Euch so rege beteiligt“, freut sich Malenka, „wir sind fasziniert davon, wie gut das funktioniert.“
Inzwischen geht es um die Frage Schraubverschlüsse versus Korken, und um die Aromen im Wein und die zur Gärung verwendeten Hefen. „Ich arbeite fast nur noch mit Spontangärung“, erzählt Malenka, „die Weine entwickeln sich mega, zeigen viel mehr das Terroir vom Weinberg.“ Das junge Stenner-Duo ist inzwischen die vierte Generation im Weingut, der Opa hatte noch Vieh, Pferde und Hühner. Vater Bernhard war einer der ersten, der eine Zeitlang auf Bioweine setzte, und von einem Trip nach Südafrika die Begeisterung für Syrah-Weine mitbrachte – die er prompt in Mainz anpflanzte.
Im Glas funkelt derweil der Rosé, eine Cuvee aus Spätburgunder, Portugieser, Cabernet Sauvignon und ein bisschen Syrah, ein würziger Wein, kräftig, mit viel Rotweinaroma. „Beerig, ein perfekter Sonnenwein, aber auch würzig, ein Topwein zum Grillen“, sagt Malenka, und irgendwie sind Corona, der Shutdown und die Pandemie ganz weit weg. „Im Weinberg merkt man gar nicht, dass die Welt draußen stillsteht“, erzählt Malenka, „und wir eröffnen jetzt auch bald die Grillsaison.“ Die Welt des Genusses und der Weine – sie steht auch trotz Corona-Shutdown nicht still.
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„Wir sind super happy, ich hätte echt nicht damit gerechnet, dass es so viele Teilnehmer werden“, berichtet Malenka im Gespräch mit Mainz&, und dabei habe das Ganze nur einen Vorlauf von einer Woche gehabt. Ein Mailing an alle Kunden, Werbung über Social Media Kanäle und auf der eigenen Homepage – das reichte. Eine Fortsetzung soll es bereits am Donnerstag, den 16. April geben, dann sollen auch Rotweine auf den Tisch kommen. „Es war sooo toll“, schwärmt Malenka noch, „ich hätte nicht gedacht, dass das so ein toller Abend wird! Prost, auf Euch!“
Info& auf Mainz&: Wer an einer virtuellen Weinprobe teilnehmen möchte, muss sich vorher natürlich das Weinpaket besorgen oder bestellen, die nächste Weinprobe findet am Donnerstag, den 16. April 2020 statt, alle Infos und Kontaktdaten dazu findet Ihr hier auf der Homepage des Weinguts Stenner oder hier bei Facebook. Malenka und Niklas Stenner sind beileibe nicht die einzigen Winzer, die virtuell ins Netz gehen – das Deutsche Weininstitut (DWI) hat inzwischen eine Liste mit Weingütern erstellt, die solche Online-Weinproben anbieten, es sind mehr als 100 Weingüter, Ihr findet sie hier im Internet. Mehr zum Trend zur virtuellen Weinprobe lest Ihr hier bei Mainz&.