Wein ist ein Kultthema in Mainz, die Weinhauptstadt der Republik huldigt dem Rebensaft und seiner Herstellung. Doch vielen Weintrinkern reicht der reine Genuss des Weines schon lange nicht mehr: Weinwissen boomt, die Nachfrage nach Hintergründen und Herstellungsarten wächst. In Rheinhessen kann man dem seit zwei Jahren besonders intensiv frönen: Bei dem Projekt „Winzer für ein Jahr“ erleben Weininteressierte ein Jahr lang hautnah mit, wie Wein entsteht und welche Arbeitsschritte alle dahinter stehen – am Ende steht der selbst hergestellte Wein und die Erkenntnis, wie wertvoll doch so eine Flasche Wein ist…

Kultur- und Weinbotschafter Wolfgang Thomas erfand das Projekt "Winzer für ein Jahr". - Foto: gik
Kultur- und Weinbotschafter Wolfgang Thomas erfand das Projekt „Winzer für ein Jahr“. – Foto: gik

Reben schneiden, auch bei Minustemperaturen, eine Cuvee machen, die Lese miterleben – und am Ende eine eigenen Wein machen: Seit 2017 können Interessierte in Rheinhessen den Alltag eines Winzers hautnah miterleben. „Wir wurden immer nach noch mehr Informationen gefragt über das Weinmachen, die Leute wollen tiefer gehen“, erzählt Wolfgang Thomas, „also erfanden wir das Projekt ‚Winzer für ein Jahr‘.“

Thomas ist einer der rund 200 Wein- und Kulturbotschafter in Rheinhessen, die Weinliebhaber informieren, ehrenamtlich und in ihrer Freizeit. Die Weinbotschafter informieren über rheinhessische Kultur und Lebensart, organisieren Führungen zu Sehenswürdigkeiten oder zur Geologie der Gegend. Vor allem aber klären sie über die Weinregion Rheinhessen auf, über Rebsorten und Weingüter – und über das Weinmachen allgemein.

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Es war 2016, als Thomas und seine „Ideenschmiede“ die Idee für einen Workshop hatten, der das ganze Weinjahr abdeckt. „Wir wollten den Leuten die Gelegenheit geben, ein Jahr lang kennenzulernen, was der Winzer so macht „, sagt Thomas. Wir sitzen in der Vinothek des Weinguts Kern im rheinhessischen Wallertheim, nebenan lernen die Teilnehmer gerade alles über Rebenzucht, Rebschule und Klone – die Kerns haben neben ihrem Weingut eine Rebenaufzuchtstation.

Entdecken, Lernen, Fotografieren - die Teilnehmer von "Winzer für ein Jahr" in der Rebschule des Weinguts Kern. - Foto: gik
Entdecken, Lernen, Fotografieren – die Teilnehmer von „Winzer für ein Jahr“ in der Rebschule des Weinguts Kern. – Foto: gik

Der „Winzer für ein Jahr“ war zunächst nur als Versuchsprojekt gedacht, 52 Teilnehmer kamen gleich im ersten Jahr. „Die Leute tauchen wirklich tief in den Alltag des Winzers ein – komplett mit Wetter und Familie“, sagt Thomas: „Weinmachen zum Anfassen.“ Dafür bekamen die Weinbotschafter in diesem Jahr denn auch prompt den Best of Wine Tourism Award der Great Wine Capitals im Bereich Nachhaltigkeit.

32 Teilnehmer starteten in diesem Jahr in fünf Weingütern ihre Entdeckungsreise in die Welt des Weinmachens. Viermal im Jahr trifft sich jede Gruppe für einen ganzen Tag zum Workshop. „Mit dem Rebstock sprechen“ markiert den Start ins Jahr, hinaus in den Weinberg, Reben schneiden und binden steht dann auf dem Plan. „Wir hatten minus 12 Grad beim ersten Mal“, erinnert sich Thomas, „trotzdem waren die Leute begeistert – und beeindruckt.“

Die meisten Menschen wüssten einfach wenig über die Techniken des Weinmachens, den Einsatz von Hightech etwa auch beim Schneiden. Die Rebschere wird heute elektrisch betrieben, der Apparat dazu sitzt auf dem Rücken – die schiere Menge der zu schneidenden Reben ist geblieben. „Man bekommt dann einen ganz anderen Zugang zum Wein“, sagt Thomas: „Draußen können die Leute wirklich sehen, was die ‚Handschrift des Winzers‘ bedeutet.“ Im Weinberg wird das Thema Terroir ganz real, die Arbeitsmenge des Winzers auch. „Die Leute sagen hinterher immer, wir verstehen jetzt das Produkt in der Flasche viel besser“, sagt Thomas, „und dass man für einen handwerklich gemachten Wein einfach mehr als zwei Euro ausgeben muss.“

Winzer Volker Kern erklärt in seiner Rebschule die Aufzucht junger Rebstöcke.- Foto: gik
Winzer Volker Kern erklärt in seiner Rebschule die Aufzucht junger Rebstöcke.- Foto: gik

Nebenan lauscht Hubert Schneider intensiv den Erklärungen von Winzer Volker Kern über das Propfen von Reben und die Aufzucht der jungen Triebe. „Ich bin passionierter Weintrinker“, sagt Schneider, „und ich wollte besser verstehen, wie dieses Naturprodukt gemacht wird.“ Im Sommer steht „Eine Cuvee entsteht“ auf dem Stundenplan, dann machen die Teilnehmer bei einer „grünen Lese“ – dem Entblättern im Weinberg – mit, lernen den richtigen Umgang mit dem Weinmost und diskutieren die Frage der richtigen Erntezeitpunkts.

Im Herbst dann steht die Lese an, eine echte Handlese im Weinberg, die Arbeit an der Weinpresse, die Kunst des Weinvergärens und den Einsatz der Hefen im Keller. „Man kann den Wein viel bewusster genießen, wenn man die Arbeit dahinter kennt“, sagt Monika Menschel: „Jeder Tropfen ist etwas Wertvolles.“ Menschel ist Weinbotschafterin an der Nahe, das Projekt „Winzer für ein Jahr“ würde sie gerne auch an der Nahe installieren. Die Nahe wäre nicht die einzige Region, auch Gegenden aus Australien und Großbritannien fragten schon nach dem Konzept. „Wir werden schon kopiert“, sagt Thomas, „da bin ich schon stolz drauf.“

Nach der Ernte im vergangenen Jahr bekam jeder Teilnehmer fünf Liter Weinmost in einem Glasballon, dazu Schlauch und Weinhefe. „Die Leute haben sich richtig reingekniet in die Aufgabe, ihren eigenen Wein herzustellen“, erzählt Thomas, „manche haben sogar nasse Handtücher zur Temperaturkontrolle bei der Vergärung genutzt – das hat funktioniert.“ Im Januar dann traf sich die Gruppe für eine ganz spezielle Weinverkostung ihrer selbst hergestellten Weine. „Es war genial“, sagt Thomas, so viele verschiedene Ergebnisse habe es dabei gegeben. Am Ende aber war der beste Wein „der des Buchhändlers.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Kultur- und Weinbotschaftern und ihrem Projekt „Winzer für ein Jahr“ findet Ihr hier im Internet. Mainz& berichtet immer wieder über die mit den Best of Awards ausgezeichneten Betriebe – der Grund: Mainz&-Chefin Gisela Kirschstein ist auch die Autorin des offiziellen Blogs der Great Wine Capital Mainz – mehr dazu findet Ihr hier. Nicht wundern, wenn der Text für das Jahr 2017 gilt – die Blogserie setzte sich auch 2018 und 2019 fort 😉

 

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