Die Kirche St. Christoph gehört ja zu den Zeitzeugen von Mainz, hier wurde Johannes Gutenberg getauft, hier gedenkt Mainz heute in den Ruinen des alten Kirchenschiffs den Gräueltaten der Kriege, insbesondere des Zweiten Weltkriegs. 1942 wurde die hochgotische Kirche durch Bomben zerstört, nun aber tauchte ein Fund auf, der einen Einblick in die Geschichte des Kirchenbaus gewährt: In den Tiefen der Archive fand man beim Bistum Mainz eine Zeitkapsel mit Jahrhunderte alten Urkunden – sie stammen aus dem Turmhahn von St. Christoph.

Die Kirche St. Christoph in Mainz ist heute ein Mahnmal gegen den Krieg. - Foto: Roland Struwe via Wikipedia
Die Kirche St. Christoph in Mainz ist heute ein Mahnmal gegen den Krieg. – Foto: Roland Struwe via Wikipedia

Die rund 20 Zentimeter lange, zylindrische Bleikapsel wurde im Diözesandepot des Bistums gefunden – bei einem Umzug. Ihr Inhalt: fünf ineinander gerollte Pergament- und Papierurkunden aus den Jahren 1700 bis 1900 – und die erlauben nun einen tiefen und unerwarteten Einblick in die Kirche St. Christoph und ihrer untergangenen Pfarrei. St. Christoph gehört zu den ältesten Kirchen der Stadt, um 1140 herum wird sie erstmals urkundlich erwähnt, um 1240 der Nordturm gebaut. Um 1280 herum wird mit dem Bau des Langhauses begonnen, 50 Jahre dauert der Bau im Herzen der Stadt. Hier, wo heute Kaufhof und Volkshochschule stehen, standen Häuser wohlhabender Patrizier, auch das Geburtshaus von Johannes Gensfleisch zu Gutenberg.

1397 wird hier der kleine Johannes geboren, und wohl um 1400 in der Kirche St. Christoph getauft, da ist sich die Wissenschaft ziemlich sicher. Nach der großen Stiftsfehlde 1461/1462 standen rund um die hochgotische Kirche viele der Patrizierhäuser leer – rund 800 Adlige waren wegen der Fehde aus der Stadt geflohen, viele kehrten nie zurück. In die leeren Gebäude zog die neu gegründete Mainzer Universität ein, das Viertel um St. Christoph herum wurde nun Universitätsviertel, St. Christoph selbst Kirche der bis 1823 bestehenden Universität.

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Gähnende Ruine der Anklage: St. Christoph als Mahnmal. - Foto: Immanuel Giel via Wikimedia
Gähnende Ruine der Anklage: St. Christoph als Mahnmal. – Foto: Immanuel Giel via Wikimedia

In den folgenden Jahrhunderten wurde St. Christoph wiederholt um- und ausgebaut, noch 1929 wurden umfangreiche Renovierungsarbeiten durchgeführt. Es sollte nicht lange währen: Bei der ersten Bombennacht von Mainz am 12. August 1942 wurde St. Christoph bereits schwer getroffen: Turm, Sakristei und Pfarrhaus brannten aus, das Langhaus verlor sein Dach. In der großen Feuernacht am 27. Februar 1945 brachten Brandbomben die Gewölbe endgültig zum Einsturz. St. Christoph wurde danach nie wieder aufgebaut, bis heute stehen lediglich die Außenmauern und der alte Kirchturm, das Kirchenschiff aber ist nach oben offen. Am 24. November 1963 wurde St. Christoph als Mahnmal für die Schrecken des Krieges eingeweiht, und in den vergangenen Jahren neu gestaltet.

Im September 2020 dann die Überraschung beim Bistum Mainz: Beim Umräumen des Diözesandepots fand Konservatorin Diana Ecker von der Kirchlichen Denkmalpflege eine alte Zeitkapsel, in dem Depot werden ausrangierte Kunst- und Ausstattungsgegenstände aus verschiedenen Kirchen der Diözese gelagert. In der Kapsel fanden sich fünf alte Urkunden, zusammengerollt und zum Teil aus Pergament, ihr Inhalt machte schnell deutlich, woher sie stammten: aus dem alten Turmhahn von St. Christoph stammen. So berichtet eine Pergament-Urkunde, datiert auf den 10. April 1846, von der Neuanfertigung des Hahns auf dem Turm von St. Christoph, zwei weitere Papier-Urkunden aus dem Oktober 1868 berichtet von der erneuten Neuanfertigung und Vergoldung des Hahns.

Urkunde von 1868 aus dem Turmhahn von St. Christoph. - Foto: Bistum Mainz
Urkunde von 1868 aus dem Turmhahn von St. Christoph. – Foto: Bistum Mainz

Offenbar war der Turmhahn erheblichen Witterungsunbillen ausgesetzt, denn auch das Jüngste Dokument widmet sich der Hahn-Pflege: Eine Pergament-Urkunde vom 1. August 1896, ausgestellt vom Kirchenvorstand von St. Christoph, berichtet von der Neuanfertigung des Turmkreuzes und der Neuvergoldung des Hahns. Das älteste Pergament stammt aber vom Ende des 17. Jahrhunderts, die Forscher schätzen seine Entstehungszeit auf zwischen 1695 und 1700. Die Urkunde ist beschädigt ihr Alter erschließt sich aus ersten sichtbaren Angaben: dort werden Papst Innozenz XII. (1691-1700) und Erzbischof Lothar Franz von Schönborn (1695-1729) genannt.

Einige der Urkunden sind ausgesprochen gut zu lesen, so etwa die Urkunde vom 21. Oktober 1868, die vom Umbau der Kirche und der finanzkräftigen Hilfe von Spendern berichtet. Zwei Urkunden seien denn auch bereits transkribiert, teilte das Bistum mit, zwei weitere Urkunden wiesen aber starke Schäden durch Hitzeeinwirkung auf und seien derzeit noch zu fragil, um sie komplett aufzufalten. Um sie zu entziffern, wäre eine Restaurierung notwendig, so das Bistum.

Beschädigte Urkunde aus der Zeitkapsel des Turmhahns von St. Christoph. - Foto: Bistum Mainz
Beschädigte Urkunde aus der Zeitkapsel des Turmhahns von St. Christoph. – Foto: Bistum Mainz

Wie und wann die Kapsel in das Diözesandepot gelangt sei, lasse sich nicht mehr nachvollziehen, heißt es beim Bistum weiter: In den wohl seit den 1970er Jahren angelegten Depots habe zu Beginn keinerlei Dokumentation der eingelagerten Objekte stattgefunden. Darüber hinaus sei das Depot zwischenzeitlich auch mindestens zwei Mal umgezogen. Die Kapsel sei vielleicht bei den Luftangriffen auf Mainz am 12. und 13. August 1942 herausgeschleudert und von einem aufmerksamen Finder geborgen worden, liefert das Bistum eine Erklärung. Möglicherweise sei die Zeitkapsel dann später über ein ausrangiertes Möbelstück aus dem Pfarrhaushalt in das Depot gelangt. Die Kapsel und die Urkunden wurden zur dauernden Aufbewahrung an das Mainzer Dom- und Diözesanarchiv übergeben, dort können die Unterlagen künftig auch eingesehen werden.

Info& auf Mainz&: Mehr über die Geschichte von St. Christoph könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Die Geschichte von St. Christoph erzählt zudem die kleine Broschüre: „St. Christoph kompakt. Kleiner Kirchenführer – Inklusive Lageplan und Zeittafel.“ Das Heftchen ist im Bonewitz-Verlag erschienen, der auch noch zwei weitere Publikationen zu St. Christoph im Angebot hat – alle Infos dazu findet Ihr hier im Internet.

 

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