Der Feldversuch mit Tempo 30 in der Rheinstraße ist beendet, kommende Woche – am 2. September – stellt Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) die Ergebnisse vor. Und ausgerechnet heute, wenige Tage vorher, übergaben Anwohner der Rheinallee in der Neustadt 173 Unterschriften an die Dezernentin – gegen den Lärm vor ihren Fenstern. Eder kündigte an, sie würde Tempo 30 ja gerne ausweiten – etwa auf die Rheinallee (und NICHT auf die Kaiserstraße). Die Kaiserstraße wiederum könnte Flüsterasphalt bekommen – wenn das finanziell geht. Doch das Hauptproblem der Anwohner: Schlaglöcher, scheppernde Lkw und Schaulaufen-fahrende Motorräder und aufgemotzte Autos aus Wiesbaden…
„Es ist der mangelnde Schlaf“, sagt Daniel Waldvogel, der ihn getrieben habe, Unterschriften zu sammeln, irgendwann habe ihm einfach die Erholung gefehlt, auf der Arbeit sei er nicht mehr leistungsfähig genug, seinen Job ausüben zu können. Waldvogel ist Bauingenieur, seit dreieinhalb Monaten haben er und seine Partnerin Alexandra Jagd ihre Tochter Momo.
Die junge Familie wohnt in der Rheinallee in Höhe der Mainzer Neustadt, etwa an der Frauenlobstraße, und trotz allerbester Schallschutzfenster sei inzwischen der Lärm unerträglich geworden. Also sind es die täglichen Blechlawinen der Autos, die stören? „Nein, eigentlich nicht“, sagt Waldvogel, die Fenster schluckten „das Grundrauschen“ komplett.
Problem: Schlaglöcher, scheppernde Lkw, Auto-Prolls
„Das Problem ist der schlechte Zustand der Rheinallee“, erklärte Waldvogel Verkehrsdezernentin Eder: Die vielen Schlaglöcher ließen vor allem leere Lkws dermaßen scheppern, „das macht die Kulisse noch lauter.“ Gerade frühmorgens um 4.00 Uhr donnerten alle zehn Minuten Lkws die Rheinallee entlang, und wenn sie ein Schlagloch erwischten, „das sind Schläge, da vibriert bei uns im 5. Stock der Boden“, berichtet der Familienvater. Wieder einschlafen – unmöglich, denn der nächste Lkw ist schon da.
60 bis 65 Dezibel kämen im 5. Stock noch am Fenster an, sagt Waldvogel. Das zweite große Problem seien Motorräder, die an der Ampel im Leerlauf das Gas aufdrehten, gerade am Samstag und Sonntag. „Und die Mercedes, oft mit Wiesbadener Kennzeichen, die da Schaulaufen machen“, fügte er hinzu. In der Tat, die illegalen Autorennen, oft mit 100 kmh, hört man weit über den Rhein und auch quer durch die Stadt. Geht gar nicht.
Binnen drei Monaten 170 Unterschriften gesammelt
Also startete Waldevogel eine Online Petition und sammelte binnen drei Monaten 173 Unterschriften, die er nun an Eder übergab. Zum Teil sei er dafür von Haus zu Haus gezogen, sagte Waldvogel, die Unterzeichner konnten zudem schriftlich Kommentare abgeben. Die könnt Ihr, wie natürlich die ganze Petition hier nachlesen. Von den 173 Unterzeichnern kamen übrigens 150 aus Mainz.
Dezernentin Eder zeigte sich beeindruckt von der Initative und betonte, das sei „natürlich Wasser auf unsere Mühlen.“ Der Pilotversuch mit Tempo 30 in der Rheinstraße zwischen Fischtorplatz und Holztor ist nämlich gerade zuende gegangen, kommenden Mittwoch, den 2. September, stellt Eder die Ergebnisse gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Umweltstaatssekretär Thomas Griese (Grüne) vor.
Eder will Tempo 30 ausweiten, Flüsterasphalt auf Kaiserstraße
„Ich halte Tempo 30 für eine geeignete Maßnahme zur Lärmreduzierung“, betonte Eder – und sie würde es gerne ausweiten – auf die Rheinallee in der Neustadt etwa. Mainz& hatte ja zuerst geschrieben, Eder wolle Tempo 30 auch für die Kaiserstraße, doch da hatten wir wohl etwas falsch verstanden: die Kaiserstraße soll, wenn finanzierbar, Flüsterasphalt bekommen! Cool. Für eine Ausweitung des nächtlichen Tempo 30 brauche es den entsprechenden politischen Rückhalt in den städtischen Gremien, räumte Eder ein – Umwelt- und Verkehrsausschuss sollen am 8. September gemeinsam über das Tempo 30 beraten.
Verkehrsexperten sehen die nächtliche Geschwindigkeitsbeschränkung allerdings kritisch, als effektiver gelten grüne Wellen und ein gleichmäßiger Verkehrsfluss – gerade das Anfahren und Bremsen verursacht die störenden Geräusche. Und auch Unterschriftensammler Waldvogel sah bei den Pkws nicht das Hauptproblem. Zwar fordert auch Waldvogel eine nächtliche Geschwindigkeitsreduzierung – doch die anderen Lärmquellen seien viel schlimmer, sagte er Mainz&.
Stadt bat Lkw-Firmen, außerhalb des Berufsverkehrs zu fahren
Wichtigste Maßnahme sei eine Repariertratur der Straßenoberfläche und die Einführung von Flüsterasphalt, sagte Waldvogel. Aber auch ein Durchfahrtsverbot für Lkw sei wichtig. Eder räumte ein, für die Straßenreparatur sei nicht genügend Geld da, auch weil die Experten rieten, Asphalt nicht zu flicken, sondern komplett zu erneuern.
Der Lkw-Verkehr auf der Rheinallee wiederum habe klar zugenommen – wegen der gesperrten Schiersteiner Brücke, sagte Eder. Auch habe die Stadt Lkw-Unternehmen Ausnahmegenhmigungen für die Theodor-Heuss-Brücke erteilt. „Wir haben die Unternehmen auch gebeten, ihre Fahrten möglichst aus dem Berufsverkehr heraus zu halten“, räumte Eder zudem ein, und guckte etwas betreten – nun reißen genau diese Lkws die Anwohner frühmorgens aus dem Schlaf…
Aufklärungskampagnen und Schilder an Ampeln gegen Raser und Rowdies
„Wir hatten für den Lkw-Verkehr schon den Mainzer Ring als Alternative im Blick“, sagte die Dezernentin weiter. Doch dann brach die Schiersteiner Brücke, und alle Verlagerungspläne waren Makulatur, ebenso ein Durchfahrtverbot für Lkw. Was die schaulaufenden Motorräder und Protz-Autos angehe, da habe die Stadt gerade eine Aktion gemeinsam mit der Polizei gemacht.
„Warum macht man nicht eine Aufklärungskampagne?“ fragte hingegen Alexandra Jagd, und schlug auch gleich vor, Schilder direkt an die Ampeln zu hängen, die um Ruhe für Anwohner bitten. „Die Motorräder sind wie im Tunnel, die sehen nur die Straße“, sagte sie. Ein Hinweis, dass hier Menschen wohnten, könne ja vielleicht doch manchen zum Nachdenken bringen. Finden wir gut – und so viel Geld würde das ja auch nicht kosten, oder?
In Frankreich bremsen Ampeln Raser runter
Feste Blitzer auf der Rheinallee hingegen, wie sie sich Waldvogel auch wünschte, genehmige das Land der Stadt nicht, sagte Eder. In Frankreich gebe es Ampelschaltungen, die auf Rot sprängen, wenn Autos zu schnell seien und sie so runterbremsten, berichtete Jagd, vielleicht könne man so etwas auch installieren.
Wo also ist die Lösung? Eder sagte, sie werde nun die Mitarbeiter des Straßenbetriebs bitten, sich die Rheinallee mit Blick auf die Schlaglöcher noch mal vorzunehmen. „Das bedeutet aber eine weitere Baustelle“, warnte sie – aber warum nur warf sie dabei einen Blick in die Richtung von Mainz&? 😉 „Jede Lärmart macht krank“, betonte Eder zudem – die verschiedenen Lärmquellen von Flugzeug, Schiene und Straße müssten endlich zusammengedacht werden.
Nächtliches Tempo 30 kommt in der Flugplatzstraße in Finthen
Ob allerdings Tempo 30 dauerhaft in der Rheinstraße kommt, oder gar eine Ausweitung auf andere Straßen – das hängt davon ab, ob Eder dafür eine Mehrheit im Stadtrat bekommt. Am 8. September tagen die Ausschüssen, die Petition soll nun allen Stadtratsmitgliedern zugehen. Und am 12. November wird der Lärmaktionsplan der Stadt vorgestellt, in dem die Stadt Maßnahmen zur Lärmreduzierung vorlegt. Eine Maßnahme dabei werde auf jeden Fall nächtliches Tempo 30 in der Flugplatzstraße in Finthen sein – hier sei nämlich der Ortsbeirat geschlossen dafür, sagte Eder.
Der Mainz&-Kommentar: Die Petition zeigt wieder einmal, wo das Lärmproblem wirklich liegt: bei schlechten Straßen, gestiegenem Lkw-Verkehr und rücksichtslosem Verhalten einiger Zeitgenossen. Die Stadt wäre deshalb gut beraten, sich dringend um den Zustand der Straßen zu kümmern und rasenden Prolls viel deutlicher die rote Karte zu zeigen.
Ob Tempo 50 oder Tempo 30 – für die Anwohner ist das ja offenbar gar nicht so relevant. Wir bei Mainz& halten Tempo 30 deshalb für unnötig – viel wichtiger sind ein gleichmäßiger Verkehrsfluss ohne Bremsen und Anfahren. Und dafür braucht es intelligente grüne Wellen – die es ja etwa auf der Kaiserstraße längst gibt – und vor allem eine kluge Verlagerung von Lkws.
Mainz hat nun einmal wichtige Durchgangsstraßen, Rheinallee/Rheinstraße und Kaiserstraße gehören zweifellos dazu. Hier den Verkehr auszubremsen ist aus unserer Sicht falsch – eine kluge, moderne Verkehrsplanung setzt auf Fluss statt Bremse. Das ist nämlich leiser und umweltfreundlicher.
Info& auf Mainz&: Die Petition „Die Rheinallee soll leiser werden!“ findet Ihr samt Kommentaren hier.