Was hilft gegen Stau und Verkehrschaos in Mainz? Die CDU forderte am Mittwoch im Stadtrat, einen „Masterplan Verkehr“ zu erstellen, einen Plan über die Führung der Verkehrsströme der einzelnen Verkehrsträger Auto, Bus und Bahn, Rad und Fußgänger also, samt Prognosen für die Zukunft. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und  FDP lehnte das aber ab – zu teuer und zu aufwändig.Derweil ächzt Mainz weiter unter Baustellen – die Autobahnbrücke in Finthen etwa verzögerte sich einfach um eine halbes Jahr, hierfür ist allerdings das Land verantwortlich.

Auto an Auto: die Rheinallee - Foto: gik
Quo vadis Mainz in Sachen Verkehr? – Foto: gik

38 Stunden steht im Schnitt jeder Bundesbürger im Jahr im Stau, das zumindest ergab eine Studie des Verkehrsdatenanbieters Inrix, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Die gute Nachricht: Unter den Stauzentren Deutschlands ist laut Inrix weder Mainz noch das Rhein-Main-Gebiet – erstaunlich, bedenkt man, dass just 2015 die zusammengebrochene Schiersteiner Brücke für erhebliches Chaos in der Region sorgte. Die Inrix Traffic Scorecard wies hingegen Stuttgart als Deutschlands Stau-Hauptstadt aus, gefolgt von Köln, Karlsruhe und München – in Frankfurt hingegen nahmen die Staus angeblich deutlich ab.

Gefühlt allerdings erlebte Mainz 2015 so viele Staus wie nie – die Mainzelbahn war einer der Gründe dafür, aber eben auch die Schiersteiner Brücke oder auch die Endlos-Baustelle an der Autobahnbrücke in Finthen – auch zu der haben wir gleich Neues für Euch. Die CDU forderte deshalb am Mittwoch im Stadtrat einen „Masterplan Verkehr“ für Mainz. Es brauche endlich eine Gesamtplanung für die Verkehrsströme in Mainz, eine Idee, wie man sie lenken wolle und welche Rolle Bus, Bahn, das Auto und die Fahrräder spielen sollen.

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Gerster: Eder will Stadtmauer und Mainz nur für Radfahrer

Fahrradstraße Mittelstraße Hechtsheim
Mainz nur noch für Radfahrer? – Foto: gik

„Auf uns wirkt die Verkehrspolitik so, als wollte die Verkehrsdezernentin am liebsten die Stadtmauer wieder errichten und drinnen nur Radfahrer fahren lassen“, kritisierte CDU-Verkehrsexperte Thomas Gerster (CDU) im Stadtrat, wenn die Verkehrsverwaltung „so etwas anstrebt, dann muss sie das erklären.“ Am Zollhafen und auf dem Heilig-Kreuz-Areal würden komplette neue Stadtgebiete gebaut, das werde locker 10.000 Menschen mehr nach Mainz bringen – und damit eine deutliche Zunahme des Pkw-Verkehrs.

„Wie will die Stadt denn mit den neuen Verkehrsströmen umgehen?“, fragte Gerster. Wie wolle sie die Rheinhessenstraße ausbauen, wie dafür sorgen, dass Pendler ihre Arbeitsstellen erreichten? Nun sei geplant, die Große Langgasse umzugestalten und mit weniger Verkehr zu belasten – wie solle dann aber die Zufahrt zu Parkhäusern gewährt bleiben? „Es kann ja sein, dass die Verkehrsverwaltung ein Konzept hat“, sagte Gerster, „dann sollte sie es aber auch vorstellen und öffentlich mit den Bürgern diskutieren.“

SPD und Grüne: Masterplan zu teuer, Nummer zu groß

Doch die regierende Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hielt davon wenig. Ein „Riesengebilde Masterplan“ sei viel zu teuer, lege monatelang die Verwaltung lahm und sei eine Nummer zu groß, fand die SPD. „Wenn Sie den Plan erst gemeint hätten, hätten Sie den Stellenplan und die Gegenfinanzierung dafür gleich mit angehängt“, fand Brian Huck von den Grünen. Die Erklärung: Während der Normalmensch unter „Masterplan“ schlicht einen umfassenden strategischen Plan zur Lösung einer bestimmten Situation versteht, sahen SPD und Grünen darin etwas ganz anderes.

„Masterpläne“ sind im Planungsdeutsch nämlich relativ aufwändig erstellte Gesamtgutachten, die auf der Grundlage von umfassenden Analysen mögliche Szenarien und Entwicklungsperspektiven entwickeln. Mit einem Masterplan soll ein Zukunftsbild entworfen werden – für eine Stadt, ein Unternehmen oder eben eine bestimmte Situation wie den Verkehr. Daraus geworden sind planerische Großprojekte, bei denen externe Büros mit umfangreichen Untersuchungen beauftragt werden – für viel Geld. In NRW sind Masterpläne für Verkehr trotzdem Usus, in Rheinland-Pfalz nicht.

Baustelle Alicenbrücke
Baustellenchaos in Mainz 2015, hier am Bahnhof – Foto: gik

Eder: Masterplan ‚rausgeschmissenes Geld?

„Wir reden von einem mittleren sechsstelligen Bereich für einen Masterplan, der von einem externen Büro erstellt wird“, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) deshalb – und im Verkehrsdezernat „pfeift das Personal jetzt schon aus dem letzten Loch.“ Die Stadt erstelle zu jedem Wohngebiet Gutachten, die umfassten auch den Verkehr mit allen Verkehrsarten. „Ich frage mich, ob das nicht ‚rausgeschmissenes Geld ist und falscher Personaleinsatz“, sagte Eder.

Dass allerdings ausgerechnet sie der CDU eine Ideologie-geleitete Debatte vorwarf, kam gar nicht gut an. „Das ist so was von daneben“, fand Gerster, und der Vorsitzende der Freien Wähler, Kurt Mehler, kritisierte ebendas – und fügte hinzu: „Das kostet Geld – aber wenn Ihnen das Wert ist, sollte man es sachlich diskutieren.“

FDP: Verkehrsthemen intensiver diskutieren

Unterstützung kam denn auch ausgerechnet von Eders Koalitionspartner FDP: „Masterpläne sind oft Ordner füllende Untersuchungen, die sehr teuer und bei der Vorstellung oft schon überholt sind“, sagte Walter Koppius, die FDP lehne den Antrag trotzdem nicht ab. In vielen Gesprächen mit den Bürgern stelle man nämlich fest: „Verkehrsthemen müssen noch viel intensiver diskutiert werden.“ Tempo 30 an Schulen, Kindergärten und Altenheimen unterstützte man, auch den Ausbau des Radverkehrs und der Fußgängerwege.

Straßenbahn auf dem Bahnhofsvorplatz
Bahn? Bus? Individualverkehr? Wer soll in Mainz Vorfahrt haben? – Foto: gik

„Aber es gibt in der Verkehrsführung einige Ungereimtheiten“, sagte Koppius. Die Wegeführung der Autos und die Ampelschaltungen über den neuen Zentralrechner seien verbesserungsfähig, eine Busspur in der Rheinallee nicht unbedingt hilfreich für den Individualverkehr. Die Pläne zum Umbau der Großen Langgasse und des Zollhafens müssten intensiv mit den Bürgern diskutiert werden – dazu habt Ihr übrigens am Donnerstag Gelegenheit, wenn die Stadt die Umbaupläne für die Langgasse der Bevölkerung vorstellt. „Wir brauchen keinen Masterplan, aber eine ideologiefreie Diskussion der Verbesserung aller Verkehrsträger“, befand Koppius.

ÖDP: Brauchen Konsens beim Verkehr in der Stadt

Klare Rückendeckung für die CDU gab es von der ÖDP: Ein Masterplan sei „dringend erforderlich“, sagte ÖDP-Chef Claudius Moseler, bislang würden immer wieder nur einzelne Themen diskutiert, die unzureichend gelöst würden. „Man kommt zu keinem Konsens in der Stadt“, kritisierte Moseler.

In der Tat: Welche Rolle sollen Autos, Radverkehr und öffentliche Verkehrsmittel künftig in der Stadt spielen? Wer Vorrang haben? Diskutiert wurden diese Fragen öffentlich und breit in den vergangenen Jahren in Mainz nicht – als würde die Stadtspitze den geballten Zorn der Bürger fürchten. Aber die Zahl der Autos ist in den vergangenen Jahren in der Innenstadt geradezu explodiert – die Mainzer Neustadt mit ihren zahllosen Studierenden-WGs ist das beste Beispiel dafür. Und auch die Pendler fahren wieder mehr Auto, stellte die Inrix-Studie fest – Grund sind die niedrigste Arbeitslosenquote seit 35 Jahren und zuletzt auch das Sinken der Benzinpreise. Quo vadis Mainz in Sachen Verkehrspolitik also?

Tempo 30 Schild bei Nacht groß
Tempo 30 bei Nacht, ein Lieblingsprojekt von Verkehrsdezernentin Eder – Foto: gik

Seit 2010 15 neue Tempo 30-Bereiche

Derweil wurden seit April 2010 an insgesamt 15 Strecken im Stadtgebiet Tempo 30-Zonen ausgewiesen – die Rheinallee ist da allerdings nicht mit eingerechnet. Nach Angaben der Stadtverwaltung  auf eine Anfrage der FDP im Stadtrat wurden demnach 2015 drei Tempo 30-Strecken ausgewiesen – im Niedergarten, in der Galileo-Gallilei-Straße sowie auf der Breiten Straße in Gonsenheim vor der Maler-Becker-Schule. Praktisch alle aufgeführten Strecken sind Nebenstraßen oder liegen an Kindergärten oder Schulen oder sollen Fußgängerwege schützen.

Tempo 30-Zonen würden „im Einvernehmen mit der Gemeinde von der Straßenverkehrsbehörde angeordnet“, heißt es in der Antwort weiter, Tempo 30-Strecken dürfen allerdings einfach angeordnet werden. Die Polizei werde aber immer angehört. Aufgehoben wurden Tempo 30-Bereiche allerdings in den vergangenen sechs Jahren kein einziges Mal. Auch Lärm kann ein Grund für eine Tempo 30-Strecke sein – wie in der Kurmainzstraße in Finthen, wo nun aus Lärmschutzgründen für die Anwohner eine nächtliche Tempo 30-Zone eingerichtet wird.

Tempo 30 auch für Große Bleiche – Scharfe Kritik der FDP

Große Bleiche mit Ernst-Ludwig-Platz kleiner
Auch die Große Bleiche soll nun Tempo 30-Zone werden – Foto: gik

Auch in der Großen Bleiche soll künftig flächendeckend Tempo 30 gelten: „Zur Gewährleistung der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und zur Unterstützung der bestehenden durchschnittlichen Geschwindigkeit von 26 km/h“ solle die zulässige Geschwindigkeit auf 30 Stundenkilometer herabgesetzt werden, teilte die Verwaltung mit. Zudem soll die Radwegebenutzungspflicht zwischen Umbach und Flachsmarktstraße in Absprach mit der Polizei aufgehoben werden – begleitend dazu werde dann hier ebenfalls Tempo 30 fällig. Warum, erläuterte das Papier nicht.

Die FDP kritisierte die Ausweitung weiterer Tempo 30-Zonen am Abend: Schon jetzt gelte auf 90 (!) Prozent der Straßen in der Landeshauptstadt ein Tempo 30- Limit, sagte der Mainzer FDP-Chef David Dietz. „Die dringende Notwendigkeit, an dieser Stelle tätig zu werden, erschließt sich nun wirklich nicht“, meinte der Liberale, das sei „eine falsche Priorisierung der Dringlichkeit und Wichtigkeit.“ Stattdessen solle das Dezernat sein Augenmerk verstärkt auf die Instandhaltung des Mainzer Verkehrsnetzes legen, forderte Dietz – bislang habe die Stadt keine Initiative ergriffen, diese Mittel zu erhöhen. Statt „persönlicher Lieblingsprojekte“ müssten auch verkehrspolitische Initiativen nach Bedarf angegangen werden, fügte er hinzu.

Baustelle Autobahnbrücke Finthen verzögert sich bis Ende April

Unterdessen gibt es aber auch Baustellen, für deren Verzögerung die Stadt nichts kann. Paradebeispiel: Die Autobahnbrücke bei Finthen. Die wird seit Juni 2015 saniert und sollte eigentlich bis Oktober 2015 fertig sein. Stattdessen ruhen die Arbeiten, seit Dezember ist von Fertigstellen nichts mehr zu sehen. Nun teilte die Stadt mit, es sei „zu unvorhergesehenen zusätzlich auszuführenden Leistungen“ an der Baustelle gekommen, und dadurch zu einer Verlängerung der Bauzeit. Dann sei der Wintereinbruch gekommen, die Baustelle habe nicht fertig gestellt werden können.

Und immer noch Stau, hier von Mainz nach Wiesbaden - Foto: gik
Welche Konzepte hat Mainz gegen den Stau? – Foto: gik

Das wiederum habe der zuständige Landesbetrieb Bauen (LBM) der Stadt mitgeteilt. Demnach fehlten bei Wintereinbruch noch die Straßendecke und die Brückenabdichtung auch konnten deshalb Schutzplanken und Geländer erst später montiert werden. „Daher muss die Verkehrsführung in dem jetzigen Zustand belassen werden“, heißt es weiter. Derzeit würden mit der Baufirma Gespräche über eine Beschleunigung geführt, das aber „gelingt nicht immer zur vollkommenen Zufriedenheit.“ Offenbar gibt es gehörig Streit mit der Baufirma… Die Bauarbeiten sollen nun Ende April 2016 abgeschlossen werden.

Im am Mittwoch vorgestellten Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan zeigt sich übrigens: Der Bund will den Mainzer Ring sechsspurig ausbauen – in jedem Fall vom Autobahnkreuz Mainz-Süd bis Finthen. Die Strecken stehen allerdings nur als „Weiterer Bedarf mit Planungsrecht“ im Entwurf, nicht als vordringlich. Was aus der A643 wird, ist aber weiter unklar – in Mainz sind SPD und Grüne weiter gegen einen sechssuprigen Ausbau und eine 4+2-Lösung durch das Naturschutzgebiet Mainzer Sand. Für einen sechsspurigen Ausbau sind hingegen CDU und FDP – auf Landesebene wird es nun spannend, denn die SPD will mit Grünen und der FDP über die Bildung einer Ampel-Koalition verhandeln. Verkehrsthemen dürften dabei eine entscheidende Rolle spielen.

Info& auf Mainz&: Braucht Mainz einen „Masterplan Verkehr“? Auch wenn der ein gehöriges Sümmchen kostet? Schreibt uns Eure Meinung, wir sind gespannt! Und wir finden ja: Warum kann man keinen „Masterplan“ ohne eine kostspielige Mega-Untersuchung machen? Haben wir in der Verwaltung keine (Verkehrs)Experten? Mehr zum Thema Verkehr findet Ihr übrigens in diesem Mainz&-Artikel über die Geschwindigkeitskontrollen der Stadt. Dabei kam nämlich heraus: Die Unfallzahlen sind an Blitzer-Hotspots nicht gesunken, sondern gestiegen..

Zur Umgestaltung der Großen Langgasse findet am Donnerstag, den 17. März, eine Bürgerinformation statt: um 18.00 Uhr im Stadthaus (Kreyßig-Flügel, Raum 113), Kaiserstraße 3-5. Hingehen, einmischen!

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