Es war im März 2000, als Ausgräber in der Mainzer Innenstadt auf die Mauerreste eines sechzehn mal sechzehn Meter großen Kultbaus stießen: Eine Inschrift identifizierte ihn als Isis-Tempel – es war eine Sensation. Was folgte, war ein monatelanges Ringen um Erhalt und Präsentation – und der bislang einzige Protestzug zur Erhalt eines antiken Denkmals in einer deutschen Stadt. Im Oktober 2002 kehrte der antike Isis-Tempel an seinen Fundort zurück – und am 23. August 2003 wurde die Präsentation des Magna Mater-Heiligtums unter der Römerpassage in Mainz feierlich eröffnet. Das muss natürlich gefeiert werden: Die Initiative Römisches Mainz lädt zu einem Festakt am 1. September.

Der antike Isistempel in Mainz. - Foto: gik
Der antike Isistempel in Mainz. – Foto: gik

In Mainz führt eine steile Treppe in die Unterwelt, und in eine Zeit von vor 2000 Jahren: Im römischen Mogontiacum des 1. Jahrhunderts nach Christus brannten hier Opferfeuer, opferten Gläubige auf Opferstellen Kleintiere, Pflanzen und anderes Essen oder brachten Votivtafeln mit Wünschen dar – und mit Flüchen für Konkurrenten, untreue Ehemänner oder betrügerische Geschäftspartner. Gebetet wurde zur altägyptischen Gottheit Isis, aber auch zur Muttergottheit Magna Mater, ihnen wurden kleine Terrakotta-Figuren geopfert und Öllämpchen entzündet.

Es muss so zwischen 70 und 79 nach Christus gewesen sein, als der römische Kaiser Vespasian seinen persönlichen Kassenverwalter nach Mogontiacum, in den großen Militärstützpunkt am Rhein entsandte. Im Gepäck hatte der Berater eine Geldkiste, sein Auftrag: Der ägyptischen Göttin Isis, die Vespasian einen großen Sieg prophezeit hatte, einen Tempel zu erbauen – so zumindest vermuten es die Archäologen. Das lateinische Mogontiacum war damals eines der wichtigsten Militärlager an der Rheingrenze, Bastion gegen die wilden Germanen und Stationsort von bis zu vier Legionen gleichzeitig.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Tempel der Göttin „Isis Panthea“ und der „Magna Mater“

Dass das antike Mainz mit seinen 6000 Mann pro Legion sowie der blühenden zivilen Handelsstadt im Umfeld einen großen Tempelbezirk gehabt haben musste, wussten die Forscher schon lange – im Frühjahr 2000 fanden sie ihn: Bei Ausgrabungsarbeiten zum Bau eines neuen Einkaufszentrums in der Mainzer Innenstadt stießen sie auf nichts weniger als eine Sensation. Die alte Lotharpassage war ein unschöner Nachkriegsbau mit einer engen, dunklen Einkaufspassage, sie sollte im Jahr 2000 einem neuen Einkaufszentrum weichen – der heutigen Römerpassage.

Bronzefigur eines Zwergs mit recht eindeutiger erotischer Pose, gefunden bei den Ausgrabungen zum isistempel. - Foto: gik
Bronzefigur eines Zwergs mit recht eindeutiger erotischer Pose, gefunden bei den Ausgrabungen zum isistempel. – Foto: gik

Doch im Erdreich unter dem Bau stießen die Archäologen auf die Mauerreste eines sechzehn mal sechzehn Meter großen Tempels. Aus Inschriften rekonstruierten sie: In dem Tempel wurde die ägyptische Göttin „Isis Panthea“ sowie die orientalische Muttergottheit „Magna Mater“ verehrt. Anderthalb Jahre lang erforschten die Experten das Areal, sie fanden einen ausgedehnten Tempelbezirk mit Altären, Opfergruben, Öllämpchen – und Hunderten von „Fluchtäfelchen“ und Dankesinschriften. Es war eine Sensation: „Einen zweiten Isistempel haben wir bisher so in Deutschland nicht“, erklärte damals Landesarchäologe Gerd Rupprecht.

Doch die Begeisterung im Mainzer Rathaus hielt sich in Grenzen: Weit entfernt von Freudenschreien herrschten Ratlosigkeit und Desinteresse, dem Bauherren machte die Zeitverzögerung mehr Sorge als die Sicherheit der antiken Funde. „Was tun mit dem so wichtigen historischen Erbe“, beschrieb der damalige Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) noch zwei Jahre später die Haltung. In Mainz gab es zu dem Zeitpunkt kaum ein Bewusstsein für das große antike Erbe der Stadt – dem Tempel drohten Abriss und weitgehende Bedeutungslosigkeit in irgendeinem archäologischen Depot.

Stillschweigen der Politik, Baggerdrohung – und eine Demo

Das Stillschweigen der Stadtoberen führte schließlich zu einem Novum: Im Februar 2001 protestierten rund 2.000 Mainzer aus Angst vor den Baggern der Baufirma für den Erhalt ihres Isistempels – es war die bundesweit erste und bis heute einzige Demonstration für den Erhalt antiker Reste. Der kurz zuvor gegründete Verein „Römisches Mainz“ sammelte allein an einem Wochenende 800 Unterschriften, um den Archäologen mehr Zeit für die Erforschung des Tempel-Areals zu geben – am Ende wurden es gut 20.000.

Rettete den Isistempel: Der frühere Landesarchäologe Gerd Rupprecht im Jahr 2023. - Foto: gik
Rettete den Isistempel: Der frühere Landesarchäologe Gerd Rupprecht im Jahr 2023. – Foto: gik

Der Protest zeigte Wirkung: Im April 2001 begann die Bergung des Tempels. Die antiken Mauern wurden in Kisten verpackt, per Kran aus der Baugrube gehoben und auf einem Parkplatz neben der Baustelle gelagert. „Hier schläft Isis“, sagte Archäologe Rupprecht damals – es war ein Sinnbild für die Tempelreste, ebenso wie für das römische Erbe in Mainz. Was folgte, war ein monatelanges Ringen um ihre Zukunft, Landesarchäologe Rupprecht kämpfte um einen Wiedereinbau an der Fundstelle und eine lebendige Präsentation der Tempelreste, bei der mit einer lebendigen Inszenierung das antike Tempelgeschehen begreifbar gemacht wird.

Erst im Oktober 2001 kam Bewegung in die Sache: Nach einem Appell der Initiative Römisches Mainz (IRM) an den damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD), schaltete sich dieser in die festgefahrenen Verhandlungen ein – und machte den Weg frei für eine Ko-Finanzierung von Stadt und Land. „Ohne Becks Engagement wäre das nicht gelungen“, bedankte sich damals der IRM-Vorsitzende Gerd Krämer. Im Oktober 2002 begann der Einbau der Tempelmauern in ihren zukünftigen Präsentationsraum, im Untergeschoss der Einkaufspassage und nur wenige Meter neben dem ursprünglichen Fundort.

Moderne Präsentation im Untergrund: Isis und Mater Magna in Mainz

Zu sehen ist der antike Tempel seither in einer einmaligen Präsentation, die mit Beleuchtung, Musik, Erzählungen und Ausstellungsstücken das Leben im Tempelbezirk im 1. Jahrhundert nach Christus wieder zum Leben erweckt – genau, wie es Rupprecht einst wollte und konzipierte. „Man soll spüren können, welche Menschen dort hingingen, was sie dort machten, und mit welchen Erwartungen sie kamen und wieder gingen“, sagte der Archäologe damals in einem Interview: Für die Menschen in der Antike sei ein Tempel ein Ort gewesen, „an dem ich zu Göttern sprach im Sinne eines Geschäftes: Kannst du mir helfen, dann bekommst du im Gegenzug ein Opfer, eine Gabe.“

Präsentation des antiken römischen Isistempels im Untergeschoss der Römerpassage. - Foto: gik
Präsentation des antiken römischen Isistempels im Untergeschoss der Römerpassage. – Foto: gik

Am 23. August 2003 wurde das neue Isis- und Mater Magna Heiligtum feierlich eröffnet – und natürlich will die IRM das gebührend feiern: Am 1. September wird es einen großen Festakt geben, Ehrengast wird dabei unter anderem der frühere Ministerpräsident Kurt Beck sein. „Diese Geschichte verpflichtet dazu, das Isis- und Mater-Magna Heiligtum auf der Höhe der Zeit zu halten und konsequent umsichtig in die Zukunft zu führen“, betont der heutige IRM-Vorsitzende Christian Vahl.

Es müsse dauerhafte Aufgabe bleiben, „das Konzept der Römerstadt Mainz angesichts
des herausragenden historischen Erbes der Stadt Mainz auch bei zukünftigen Funden nicht aus den Augen zu verlieren“, mahnt Vahl. Die IRM hat sich vor allem in den letzten Jahren auf die Fahnen geschrieben, das antike römische Erbe von Mainz deutlich mehr in die Öffentlichkeit zu heben, und es für die Mainzer und ihre Gäste lebendig zu machen – unter anderem bespielte die IRM zuletzt dafür das antike römischen Bühnentheaterbespielte die IRM zuletzt dafür das antike römischen Bühnentheater. Der Festakt zu Ehren des Isis und Magna Mater-Heiligtums erinnert nun an die Anfänge – aus „Isis schläft“ wurde der glückliche Satz des damaligen IRM-Vorsitzende Krämer: „Isis kommt nach Hause.“

Info& auf Mainz&: Der Festakt findet am Freitag, den 1. September 2023 statt, von 20.30 Uhr bis 23.00 Uhr, und zwar natürlich im He8iligtum unter der Römerpassage. Den Eingang findet Ihr von der „Taberna Academica“ aus. Die IRM bittet um Anmeldung bis zum 22. August 2023 unter taberna@roemisches-mainz.de. Mehr zur Initiative Römisches Mainz findet Ihr hier im Internet.