Es war Anfang Dezember, als der neue Baumasterplan für die Mainzer Universitätsmedizin unterzeichnet wurde, darin vorgesehen: ein großer Zentralneubau für die Klinik. Dafür allerdings – so die Vereinbarung – soll das alte Kesselhaus auf dem Gelände weichen, doch der geplante Abriss des historischen Gebäudes stößt nun auf Protest: „Hat die Denkmalpflege verstanden, welches Kleinod zerstört werden soll? Wie konnte das genehmigt werden?“, fragt Christian Vahl, Vorsitzender der Initiative Römisches Mainz (IRM) – und zieht Parallelen zur Römerzeit.

Das Gelände der Mainzer Universitätsmedizin aus der Luft, am unteren Bildrand die neuen Klinikgebäude am Hang oberhalb von Mainz-Zahlbach, darüber das alte Kesselhaus. – Foto: Peter Pulkowski /Unimedizin
Das Gelände der Mainzer Universitätsmedizin aus der Luft, am unteren Bildrand die neuen Klinikgebäude am Hang oberhalb von Mainz-Zahlbach, darüber das alte Kesselhaus. – Foto: Peter Pulkowski /Unimedizin

Im September 2022 hatte das Land Rheinland-Pfalz eine grundlegende Neuordnung der Mainzer Uniklinik verkündet, mit einem 2,2 Milliarden Euro schweren Bauprogramm soll die Universitätsmedizin in den kommenden zehn Jahren zu einer modernen Hochleistungsklinik umgebaut werden. Dafür wurde eigens ein Baumasterplan mit einer Neukonzeptionierung der Gebäudestruktur entwickelt, damit werde man „künftig sehr viel attraktiver für Patienten und Mitarbeitende“, freute sich Uniklinik-Vorstandschef Norbert Pfeiffer im September 2022.

Anfang Dezember 2023 dann unterzeichneten Land Rheinland-Pfalz, Stadt Mainz und Universitätsklinikum ein „Memorandum of Understanding“, mit dem nun auch der Bau eines neuen Zentralbaus geregelt wurde. Der soll nun im südwestlichen Bereich des Klinikgeländes neben der Kinderklinik entstehen – genau dort, wo heute das denkmalgeschützte Kesselhaus steht. Das Gebäude vom Anfang des 20. Jahrhunderts soll dafür abgerissen werden, so das „Memorandum“, doch daran entzündet sich nun Kritik.

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Kesselhaus „von zentraler Bedeutung für Geschichte der Unimedizin“

„Das Gebäude ist von zentraler Bedeutung für die Geschichte der Unimedizin Mainz“, betont Christian Vahl, Vorsitzender der Initiative Römisches Mainz (IRM) im Gespräch mit Mainz&: „Es ist wirklich ein einmaliges Gebäude, das alle Merkmale eines Kesselhauses hat – es wäre ein erbärmliches Bild, wenn dieses historische Gebäude einfach zerstört wird.“ Vahl hatte Anfang Januar seine Kritik zunächst auf Facebook publik gemacht, seither stehe sein Telefon nicht mehr still, berichtet er: Die Empörung über den geplanten Abriss des Gebäudes sei groß.

Das historische und denkmalgeschützte Kesselhaus der Uniklinik Mainz soll einem neuen Zentralbau weichen. - Foto: gik
Das historische und denkmalgeschützte Kesselhaus der Uniklinik Mainz soll einem neuen Zentralbau weichen. – Foto: gik

Das Kesselhaus sei „das damalige Herz der Unimedizin“ gewesen, berichtet Vahl weiter, das Gebäude stehe für die separate Versorgung mit Energie, wie sie für Unikliniken der damaligen Zeit typisch gewesen seien. Die Mainzer Universichtätsmedizin wurde zwischen 1911 und 1914 als städtisches Allgemeines Krankenhaus von Adolf Gelius im so genannten Pavillonsystem erbaut – damals ein hochmodernes und funktionales System, das Ansteckungen verhinderte. Im Mittelpunkt steht bis heute ein zentrale Gartenanlage mit Brunnenschale, das Gebiet ist großflächig als Denkmalzone ausgewiesen – dazu gehört auch das Kesselhaus. Die Gartenanlage samt Pavillons soll auch künftig erhalten werden, das Kesselhaus jedoch einem neuen Zentralbau weichen, genau daran gibt es nun Kritik.

„Das Gebäude ist in einem exzellenten Zustand, es ist wirklich ein einmaliges Gebäude, das alle Merkmale eines Kesselhauses hat“, betont Vahl. Dazu gehörten die Architektur mit der großen Glasfront, die eigens entwickelt worden sei, um bei Unfällen mit den Dampfmaschinen für Entlastung zu sorgen: „Das Glas zerbirst, das Haus bleibt intakt“, erklärt Vahl. Dazu gehöre aber auch der große Schornstein, ein wesentliches Merkmal für die Kesselhäuser, und ein erhaltener Schornstein sei eine Seltenheit.

Tradition der Kesselhäuser geht zurück bis in die Römerzeit

Kesselhäuser gebe es in vielen alten Universitätskliniken, so etwa in Berlin, Mannheim oder Hamburg, „und sie alle schützen ihre Kesselhäuser als Denkmäler“, betont Vahl. Die Urzelle der Kesselhaus-Philosophie stamme im Übrigen schon aus der Römerzeit: „Die Barbara-Thermen in Trier zeigen es ja: im dortigen Kesselhaus wurde die Hitze für die Fußbodenheizungen und die Bäder erzeugt“, berichtet Vahl: „Kesselhäuser haben eine klassische römische Tradition, deshalb interessiert der Fall auch die Initiative Römisches Mainz.“

Fassade des Kesselhauses mit den typischen großen Fenstern, den Originallampen sowie dem Schornstein - das Kesselhaus ist bis heute die Heizungszentrale der Mainzer Unimedizin. - Foto: gik
Fassade des Kesselhauses mit den typischen großen Fenstern, den Originallampen sowie dem Schornstein – das Kesselhaus ist bis heute die Heizungszentrale der Mainzer Unimedizin. – Foto: gik

Die IRM wolle im neuen Jahr den Fall beraten, sagte Vahl, beraten will darüber auch der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (RVDL). Dessen Regionalverbandsvorsitzender Hartmut Fischer, ehemaliger Denkmalschutzbeauftragter der Stadt Mainz, unterstrich, das Kesselhaus sei noch ein Originalbau aus der Zeit der Entstehung der Unimedizin im Jahr 1914. „Ich bedaure, dass hier ohne viel Federlesen das Kesselhaus geopfert wird“, sagte Fischer gegenüber Mainz&.

„Hat die Denkmalpflege verstanden, welches Kleinod zerstört werden soll? Wie konnte das genehmigt werden?“, fragt auch Vahl, und forderte eine Stellungnahme der städtischen Denkmalpflegerin Kathrin Nessel. Der Vereinbarung zum Abriss hatte der seit November 2023 amtierende Landeskonservator Markus Fritz-von Preuschen zugestimmt, die Vereinbarung auf den Weg gebracht hatte der inzwischen aus dem Amt geschiedene Vorstandschef Norbert Pfeiffer.

Architektenwettbewerb für Gestaltung des Zentralbaus geplant

Mit der Vereinbarung könnten die Belange des Denkmalschutzes in Einklang gebracht werden mit der „Vision einer modernen Medizin“, freute sich Pfeiffer im Dezember – und zugleich „ein zusammenhängendes Baufeld für den geplanten Zentralbau“ erreicht werden. Vahl – selbst bis 2020 Direktor der Herzklinik an der Universitätsmedizin – betont hingegen, der Baumasterplan sei keineswegs definitiv, für den Zentralbau werde ohnehin erst noch ein Architektenwettbewerb ausgerufen. Das soll laut Unimedizin in diesem Jahr der Fall sein, im Zuge dieses Wettbewerbs soll die genaue Ausgestaltung des neuen Zentralbaus festgelegt werden.

Seitliche Anbauten des Kesselhauses auf dem Gelände der Mainzer Unimedizin. - Foto: gik
Seitliche Anbauten des Kesselhauses auf dem Gelände der Mainzer Unimedizin. – Foto: gik

„Es gibt mit Sicherheit eine andere Lösung, als das Kesselhaus abzureißen“, glaubt Vahl, „es ist ja nicht so, dass morgen der erste Spatenstich erfolgen kann.“ Zudem gebe es durchaus auch Zweifel, „ob der Baumasterplan in der jetzt vorliegenden Form auch adäquat durchdacht ist“, betont Vahl. Ein ursprünglicher baulicher Masterplan aus dem Jahr 2017 habe den Denkmalschutz noch respektiert, „und wurde einhellig vom Wissenschaftsrat begrüßt“, schreibt Vahl auf Facebook weiter.

„Man könnte aus dem Kesselhaus einen wunderbaren Ort machen, für Patienten, Studenten, für Kultur“, plädiert Vahl: „Es wäre eine wunderbare Chance, die Tradition der Kesselhaus-Technologie bis in die Gegenwart hinein zu verfolgen – unter einem Aspekt, der heute hochmodern ist: die Energieversorgung.“

Tatsächlich steht bis heute die Heizung der Universitätsmedizin in dem alten Kesselhaus, das bis zu zwei Stockwerke tief in die Erde reicht, wie Handwerker Mainz& versicherten. Die Entscheidung über den Abriss fälle am Ende die Stadt und der Oberbürgermeister, betont Vahl: „Wenn das Kesselhaus zerstört wird, schwindet ein in Mainz einzigartiges zeitgeschichtliches Monument.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Baumasterplan an der Mainzer Universitätsmedizin und dem Kompromiss zwischen Stadt, Land, Denkmalschutz und Unimedizin lest Ihr hier bei Mainz&.