Die Zahl der Corona-Neuinfektionen geht zurück, doch gleichzeitig sterben in Deutschland immer mehr Menschen an den Folgen einer Corona-Erkrankung: Am Freitag überstieg die Zahl der Corona-Toten die Marke von 50.000. Damit sind in Deutschland seit Beginn der Corona-Pandemie vor fast einem Jahr 50.642 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben, es gibt deutliche Anzeichen für eine Übersterblichkeit durch die Corona-Pandemie. Doch über die Corona-Toten wird in Deutschland so gut wie gar nicht gesprochen, bislang gab es kein öffentliches Gedenken – das soll sich nun ändern: Bundespräsident Frank Walter Steinmeier startete am Freitag die Aktion #lichtfenster zum Gedenken an die Corona-Toten und will nach Ostern zu einer zentralen Gedenkfeier einladen: „Wir stellen ein Licht ins Fenster. Ein Licht der Trauer, ein Licht der Anteilnahme, ein Licht des Mitgefühls“, sagte Steinmeier.
Gerade erst können Bund und Länder einen kleinen Hoffnungsschimmer mit sinkenden Corona-Zahlen verkünden, da reißt Deutschland eine neue, eine besonders traurige Marke in Sachen Coronavirus: 50.642 Menschen sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts seit Beginn der Corona-Pandemie vor knapp einem Jahr in Deutschland an den Folgen einer Infektion mit dem neuen Coronavirus Sars-CoV-2 gestorben. Das sei „eine bedrückende, für mich schier unfassbare Zahl“, sagte ein sichtlich erschütterter RKI-Präsident Lothar Wieler am Freitag in Berlin.
In Rheinland-Pfalz sind bislang 2.263 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben, in der Stadt Mainz und im Landkreis Mainz-Bingen waren es bisher nach Zahlen des Landes genau je 122 Menschen. Damit führt das Coronavirus auch bei uns deutlich die Zahl der Sterbegründe seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 an: Beim Statistischen Bundesamt sehen die Experten eine deutliche Übersterblichkeit durch das Coronavirus. So gab es etwa in der Woche vom 6. bis 12. April 2020 rund 15 Prozent mehr Todesfälle als im Schnitt der vier Jahre zuvor. Im gesamten April habe die Zahl der Gestorbenen mit derzeit etwa 83.800 gemeldeten Fällen deutlich über dem Durchschnitt der Vorjahre gelegen, und zwar um 10 Prozent, heißt es in einer Sonderauswertung zur Corona-Pandemie.
Noch deutlicher wird die Übersterblichkeit, wenn man in Betracht zieht, dass sich Deutschland in diesen Wochen in einem strengen Lockdown befand, der nachweislich nicht nur Ansteckungen mit dem Coronavirus verhinderte – sondern auch Ansteckungen mit der Influenza-Grippe: 2020 gab es in Deutschland so wenig Grippetote wie kaum jemals zuvor. In den Sommermonaten sank dann die Zahl der Todesfälle in der Folge der Corona-Pandemie deutlich, in diesen Monaten gab es deutschlandweit auch nur sehr geringe Ansteckungen mit dem Cornavirus.
Das änderte sich dramatisch im Herbst: Ab November stiegen die Todeszahlen durch Covid-19 deutlich an, Ende Dezember gab es in Deutschland pro Tag rund 800 Todesfälle mehr als am gleichen Tag im Vorjahr. Im November verzeichnen die Experten des Statistischen Bundesamtes 12 Prozent mehr Sterbefälle als im Schnitt der vier Jahre zuvor – in der Woche vom 21. bis zum 27. Dezember 2020 waren es sogar 31 Prozent mehr. Rund um den Jahreswechsel meldete das RKI pro Tag beständig mehr als 1.000 Tote pro Tag, die Folge: Seit Mitte Dezember hat sich die Zahl der Corona-Toten in Deutschland verdoppelt. Am 20. Dezember meldete das RKI noch rund 26.000 Tote durch das Coronavirus, am heutigen 22. Januar 2021 waren es bereits 50.642. Damit liegt Deutschland nur noch wenig hinter der Zahl der Corona-Toten etwa in Spanien, wo bislang rund 55.000 gezählt wurden.
Dennoch spielt die hohe Zahl der Toten in Deutschland infolge der Corona-Pandemie in der Öffentlichkeit kaum eine Rolle – im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich, Italien, Spanien oder den USA gab es hier bislang auch kein öffentliches Gedenken. In den USA hingegen machte der neu gewählte US-Präsident Joe Biden das Gedenken an die Corona-Toten der USA zu einem integralen Bestandteil seiner Amtseinführung. Biden gedachte zusammen mit seiner Frau sowie seiner Vizepräsidentin Kamala Harris und deren Mann am Vorabend ihrer Amtseinführung der Toten mit einer eigenen Zeremonie auf der Washington Mall mit rund 800 Lichtern, die Erinnerungsmeile spielte auch während der großen Feier am Abend der Inauguration immer wieder eine Rolle.
In Deutschland hat bislang nur Bundespräsident Frank Walter Steinmeier an die Toten der Corona-Pandemie erinnert und wiederholt ein öffentliches Gedenken gefordert – nun soll es endlich Realität werden: Nach Ostern wolle Steinmeier in Berlin eine zentrale Gedenkfeier für die Toten der Corona-Pandemie in Deutschland ausrichten, teilte das Bundespräsidialamt am Freitag mit. „Gemeinsam mit den anderen Verfassungsorganen möchte der Bundespräsident damit ein Zeichen setzen, dass wir als Gesellschaft gemeinsam trauern, dass wir die Toten und das Leid der Hinterbliebenen nicht vergessen“, heißt es weiter.
Steinmeier startete zudem am Freitag die Aktion #lichtfenster: Vom heutigen Freitag an werde er jeden Freitagabend gut sichtbar ein Licht in ein Fenster von Schloss Bellevue stellen, um so an die vielen Toten der Corona-Pandemie zu erinnern und mit denjenigen Anteil zu nehmen, die in diesen Wochen um ihr Leben kämpfen. „Für zu viele Menschen in unserem Land sind diese Corona-Wochen schrecklich dunkle Wochen“, sagte Steinmeier: „Viel zu viele müssen um Angehörige trauern. Viel zu viele kämpfen auf den Intensivstationen und in den Pflegeheimen um ihr Überleben. Viel zu viele müssen um geliebte Menschen bangen.“
Diese Dunkelheit sei jedoch „nicht abstrakt, nicht irgendwo weit entfernt“, sondern sie treffe Verwandte und Freunde, Kollegen und Nachbarn, Mitbürgerinnen und Mitbürger – jeden Tag. „Wir stellen ein Licht ins Fenster. Ein Licht der Trauer, ein Licht der Anteilnahme, ein Licht des Mitgefühls“, sagte Steinmeier: „Mit unseren ‚Lichtfenstern‘ rufen wir einander zu: Die Toten der Corona-Pandemie sind für uns keine bloße Statistik. Auch wenn wir ihre Namen, ihre Familien nicht kennen – wir wissen: Jede Zahl steht für einen geliebten Menschen, der uns unendlich fehlt.“
Der Bundespräsident rief die Deutschen dazu auf, seinem Beispiel zu folgen, und ebenfalls ein Licht in ihre Fenster zu stellen, sowie ein Bild davon mit dem Hashtag #lichtfenster in den Sozialen Medien zu teilen. „Deutschland stellt ein Licht ins Fenster, weil jedes ‚Lichtfenster‘ uns miteinander verbindet“, sagte Steinmeier weiter: „Unser Licht spendet Wärme, unser Licht zeigt Mitgefühl in einer dunklen Zeit. Stellen wir also ein Licht ins Fenster – und geben wir acht aufeinander.“
Info& auf Mainz&: Den Aufruf des Bundespräsidenten zur Aktion #lichtfenster könnt Ihr selbst auf der Internetseite des Bundespräsidenten sehen. Unter dem Hashtag posten bereits viele Menschen in den sozialen Medien ihr Gedenken an die Toten. Die Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes zu Todesfällen durch die Corona-Pandemie findet Ihr hier im Internet .