Überraschung am Donnerstag im Bauausschuss der Stadt Mainz: Für den Bau eines neuen Zentralklinikums der Universitätsmedizin Mainz präferieren die Klinik selbst sowie Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) eigentlich einen anderen Standort als die bisher diskutierte Draiser Senke. Man habe nämlich bei der Suche nach einem Neubau-Standort auch eine Fläche am Gutenberg-Center in Mainz-Bretzenheim geprüft, offenbarte Hoch – und diese Fläche scheint uns sehr viel eher geeignet“ als die Fläche des Medienparks auf dem Lerchenberg.

Der Campus der Mainzer Unimedizin in der Oberstadt: Eng, alt, dicht bebaut. - Foto: gik
Der Campus der Mainzer Unimedizin in der Oberstadt: Eng, alt, dicht bebaut. – Foto: gik

Mitte Juli war überraschend bekannt geworden, dass das Land Rheinland-Pfalz sowie die Mainzer Universitätsmedizin sich offenbar von dem langjährig entwickelten Baumasterplan mit einem Neubau auf dem alten Campus in der Mainzer Oberstadt verabschiedet haben –  und nun doch eine Zwei-Campus-Lösung prüfen. Für einen Aufschrei sorgte indes, dass als geplanter Standort das Gelände des einstmals geplanten Medienparks auf dem Mainzer Lerchenberg angedacht wurde, das Gelände ist unter de Begriff „Draiser Senke“ bekannt, umfasst aber mehr als das Tal zwischen den Stadtteilen Lerchenberg und Drais.

Der Medienpark wurde einmal vor rund 30 Jahren geplant, und schließlich nach langen Diskussionen und heftigen Protesten aus finanziellen, aber auch aus ökologischen Gründen nicht realisiert. Das Gelände neben dem Sendezentrum des ZDF ist heute ein ökologisches Paradies mit einer enormen Biovielfalt sowie Heimat für zahlreiche, zum Teil bedrohte Tierarten – Details lest Ihr in dieser Mainz&-Reportage: Unterwegs mit Jäger Bernd Lingner in der Draiser Senke.

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Hoch: „Müssen über Zwei-Standorte-Lösung nachdenken“

An Donnerstag stellten Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) und der Vorstand der Mainzer Universitätsmedizin erstmals öffentlich die neuen Überlegungen vor, und zwar in einer gemeinsamen Sitzung mehrere städtischer Ausschüsse sowie von Ortsbeiräten. Dabei räumte Hoch ein, dass die Gremien der Unimedizin Ende 2024 den Beschluss gefasst hätten, noch einmal neu über eine Zwei-Campus-Lösung nachzudenken. Der Hauptgrund sei gewesen: „Wir haben festgestellt, dass wir eine enorme Baulogistik hinkriegen müssten“, sagte Hoch zur Begründung. Für den Neubau eines Zentralklinikums „brauchen wir bis zu 1000 LKW-Bewegungen pro Tag“, rechnete Hoch vor, ein Ausbau des alten Campus würde rund 30 Jahre dauern, und enorme Belastungen für Anwohner, Patienten und Klinikum bringen.

Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) 2023 beim der 75-Jahr-Feier der Mainzer Unimedizin. - Foto: gik
Wissenschaftsminister Clemens Hoch (SPD) 2023 beim der 75-Jahr-Feier der Mainzer Unimedizin. – Foto: gik

Die die in Auftrag gegebenen Prüfungen hätten eindeutig gezeigt, „dass wir über zwei Standorte nachdenken müssen“, sagte Hoch. Deshalb habe man im Frühjahr Kontakt zur Stadtspitze gesucht und über den Sommer hinweg Ergebnisse diskutiert. Was bisher nicht bekannt war: Hoch zufolge wurden gemeinsam mit der Stadt Mainz insgesamt vier potenzielle Bauflächen diskutiert. Dazu gehörte zum einen eine Fläche entlang der Saarstraße, genannt A1-A3, das die Stadt Mainz allerdings als „Biotech-Campus“ vorgesehen hat und vermarktet.

In den Blick genommen wurde aber auch die Fläche B, die vom Europakreisel nahezu bis zum Autobahnring reichen würde. „Die Flächen A1-A3 hätten wir uns am liebsten vorstellen können“, räumte Minister Hoch ein, ein Zentralklinikum hätte sich hier aber nicht realisieren lassen. „Die Straßenbahn würde die Baukörper zerschneiden, da kommen wir logistisch einfach nicht klar.“ Auch die Fläche B wäre aus Sicht der Unimedizin „sehr gut geeignet gewesen“, hier habe aber die Bebaubarkeit wegen Klimafolgen entgegen gestanden.

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Hoch: Idealere Fläche neben dem Gutenberg-Center

Denn die Fläche B sei durch Vorgaben der Stadt „aus klimatischen Gesichtspunkten nur mit einer Pavillonbebauung und nicht so hoch zu bebauen“, sagte Hoch weiter, das Zentralklinikum brauche aber eine gewisse Höhe. „Beim Hubschrauberlandeplatz reden wir von 30 Metern plus“ berichtete Hoch – das sorgte später noch für Nachfragen. Die große Überraschung: Geprüft wurde auch noch eine Fläche C unmittelbar neben dem Gutenberg Center in Mainz-Bretzenheim, „die fanden der Aufsichtsrat und die Unimedizin relativ charmant.“

Flächenanalyse für einen Neubau eines Zentralklinikums mit Flächen a bis D. - Grafik: Mainzer Unimedizin
Flächenanalyse für einen Neubau eines Zentralklinikums mit Flächen a bis D. – Grafik: Mainzer Unimedizin

Von dieser Fläche war bisher gar nicht die Rede gewesen, das Gelände würde im Dreieck von Koblenzer Straße und Autobahn A60 liegen, derzeit sind dort Felder von Mainzer Landwirten. Und offenbar sorgte dieser Standort für große Zustimmung: „Er ist von der Erschließung her gut geeignet, es gibt Infrastruktur und eine Feuerwache in der Nähe“, zählte der Minister auf, und räumte ein: „Die Fläche C scheint uns sehr viel eher geeignet als die Fläche D.“

Die Fläche D wiederum ist die Fläche des Medienparks neben dem ZDF, und auf die habe man sich über den Sommerhinweg „das Hauptaugenmerk gelegen“, räumte Hoch ein. Der Grund: Hier besteht bereits Baurecht durch einen damals aufgestellten Bebauungsplan, das mache die Sache sehr viel einfacher, betonte Baudezernentin Grosse. Zwar müsse auch der alte Bebauungsplan geändert werden, weil er für eine andere Nutzung vorgesehen gewesen sei. „Es ist aber ein großer Unterschied, ob wir die Flächen im Benutzungsplan schon abgebildet haben, oder einen rechtskräftigen B-Plan neu aufstellen müssen“, betonte Grosse.

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Haase: Machen es uns nicht leicht, prüfen intensiv Klimafolgen

Das ZDF habe zudem grundsätzlich bereits die Bereitschaft erklärt, die Fläche zu verkaufen, berichtete Hoch, zudem brauche man ja nur etwa ein Drittel des ehemaligen Medienpark-Geländes. Auf der Fläche am Gutenberg-Center sei aber „die Grundstückssituation nicht so, dass man in absehbarer Zeit da etwas hinbekommt“, sagte Hoch. Im Klartext: Die Grundstücke dort gehören mehreren Eigentümern, an Verhandlungen mit diversen Landwirten war aber schon der Bau eines Fußballstadions an der Saarstraße gescheitert.

Für den Standort Medienpark Lerchenberg gab es gleich eine ganze Reihe ausgearbeiteter Vorpläne. - Foto: gik
Für den Standort Medienpark Lerchenberg gab es gleich eine ganze Reihe ausgearbeiteter Vorpläne. – Foto: gik

Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) betonte zugleich, die Stadt habe „natürlich“ auch geprüft, ob für einen Neubau eines Großklinikums nicht eine Fläche vorhanden sei, die bereits versiegelt sei. Auch das Gelände des Layenhofs „haben wir uns angeschaut“, betonte Grosse. Aber „das Gelände, was dort noch zur Verfügung steht, reicht nicht aus“ betonte sie.

„Wir haben schlicht und ergreifend kein zusammenhängendes versiegeltes Gebiet gefunden, das groß genug war“, betonte auch Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos). Es sei über den Sommer der Eindruck entstanden, die Stadt sage zu den Anfragen des Landes „einfach Ja“ – das sei mitnichten so. „Wir machen uns das nicht leicht, und wir machen es auch niemandem leicht, der Flächen anfragt“, betonte Haase: „Wir kümmern uns sehr intensiv, auch um die klimatologischen Folgen für die Stadt.“

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Wie hoch würde eine Bebauung auf dem Medienpark-Gelände?

Die anderen Flächen seien aber teils „klimatologisch noch viel sensibler und komplizierter“ als das Medienpark-Gelände – dort sei übrigens einst eine Versiegelung von rund 400.000 vorgesehen gewesen, jetzt aber nur ein Drittel davon. Allerdings hatte Minister Hoch zuvor auch gesagt: „Wir brauchen weniger Fläche, aber mehr Höhe in Richtung ZDF.“ Zugleich aber präsentierte die Bauvorständin der Universitätsmedizin, Kathleen Kreutzer, eine Visualisierungsgrafik, die eine gerade einmal eine drei bis vier Stockwerke hohe, ausgesprochen begrünte Bebauung zeigte.

Diese Visualisierung eines neuen Zentralklinikums auf dem Gelände des Medienparks präsentierte die Mainzer Unimedizin am Donnerstag im Bauausschuss. - Foto: gik
Diese Visualisierung eines neuen Zentralklinikums auf dem Gelände des Medienparks präsentierte die Mainzer Unimedizin am Donnerstag im Bauausschuss. – Foto: gik

Das sorgte für Ärger: „Wie realistisch ist die Visualisierung denn“, wollte etwa die baupolitische Sprecherin der ÖDP, Ingrid Pannhorst wissen. Wenn der Minister von 30 Metern rede, „dann wäre das etwa die Höhe der Bauten des ZDF im Hintergrund“, sagte Pannhorst. Kreutzer versuchte daraufhin zu beschwichtigen: Ein Hubschrauberlandeplatz könne auch im 1. OG oder sogar am Erdboden eingerichtet werden, wichtig sei die direkte Anbindung ans Gebäude und seine Stationen – und deshalb baue man Landepltäze heute grundsätzlich auf Gebäuden.

Zugleich musste Kreutzer auch einräumen: Die Erstplanung sehe vier bis fünf Geschosse vor, bei einer Geschosshöhe von 4,50 Metern Höhe, mache das 30 Meter Bauhöhe, das müsse aber „nicht durchgehend“ der Fall sein Die Visualisierung zeigt indes Gebäude, die sich deutlich flacher präsentieren als die ZDF-Gebäude im Hintergrund, von vielen Teilnehmern wurde das als „geschönt“ empfunden. Man brauche zudem auf dem Lerchenberg zwei neu zu schaffenden Zuwege zum Uni-Zentralbau, auch das sorge für Unruhe: Wo sollten denn diese Zuwege langführen, wollten mehrere Fragesteller wissen.

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Zwei Zuwege zu Medienpark-Gelände nötig

Kreutzer betonte, die Zuwege würden nicht „über die Draiser Senke erfolgen, sondern entlang des ZDF-Geländes“ – dort gebe es „sehr wohl Möglichkeiten, Wege zu etablieren.“ Man habe sich „viele Gedanken über die Ökologie gemacht“, es gebe ja auch „die Möglichkeit, Gebäude in einen Hang hineinzuschieben, um sich klimatisch anzupassen“, führte sie weiter aus.

Gemeinsame Sitzung mehrere Gremien der Stadt Mainz am Donnerstag zum Thema Unimedizin. - Foto: gik
Gemeinsame Sitzung mehrere Gremien der Stadt Mainz am Donnerstag zum Thema Unimedizin. – Foto: gik

Hoch betonte zudem, die Unimedizin brauche für den Neubau eines Zentralbaus 150.000 Quadratmeter Fläche als Minimum. Den neuen Plänen zufolge würde auch bei einer Zwei-Standorte-Lösung der Campus in der Mainzer Oberstadt der Hauptanlaufpunkt für die Patienten bleiben: „Drei Viertel der Patienten hier, ein Viertel am zweiten Standort“, sagte Hoch, auch etwa die Hälfte der Mitarbeiter bleibe auf dem Stadtcampus. Für Behandlungen wie „neue Hüfte, neues Knie, Entbindung oder Onkologie“ würde die Oberstadt weiter der Hauptanlaufpunkt sein.

Kreutzer führte zudem aus, in einem Neubau am neuen Standort würden Hochleistungsmedizin sowie alle Rettungsdienste gebündelt, inklusive Hubschrauber, die Blutbank und die Apotheke, die könnte zudem ein Logistikzentrum für die Unimedizin entstehen. Auf dem alten Campus würde dann die ambulante und teilstationäre Versorgung stattfinden, auch Operationen und Strahlentherapien. In dem denkmalgeschützten Bereich des alten Campus könnten Bereiche der Administration sowie von Forschung und Lehre eingerichtet werden.

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Land winkt mit Gelände für Wohnungen und droht mit langer Bauzeit

Das Bonbon für die Stadt: Eine Fläche von rund 110.000 Quadratmetern Fläche würde dann frei und solle an die Stadt abgegeben werden, sagte Hoch – und stehe dann für städtische Wohnbebauung zur Verfügung. Dazu warnte der Minister, dass ein Neubau im Bestand des städtischen Campus 30 Jahre dauern werde, eine Zwei-Standorte-Lösung sei hingegen schon binnen 15 Jahren zu realisieren. Dazu kämen die Kosten: Laut Unimedizin würde ein Bauvorhaben im Bestand wegen der verlängerten Bauzeit rund 4 Milliarden Euro kosten, eine Zwei-Campus-Lösung aber „nur“ 2,6 Milliarden Euro.

Wie schön und biologisch wertvoll das Gelände rund um die Draiser Senke ist zeigte Jäger Bernd Lingner Mainz&.- Foto: gik
Wie schön und biologisch wertvoll das Gelände rund um die Draiser Senke ist zeigte Jäger Bernd Lingner Mainz&.- Foto: gik

Die Skepsis unter den anwesenden Stadträten und Ortsbeiräten war indes groß: „Es darf nicht der Eindruck entstehen, das Ergebnis würde schon feststehen“, warnte Grünen-Fraktionschef und designierter Mainzer Finanzdezernent Daniel Köbler mit deutlichen Worten: „Am Ende brauchen Sie auch politische Mehrheiten.“ Dem Mainzer Stadtrat müsse an „nicht erklären, welche Bedeutung die Unimedizin für die Stadt hat“, kritisierte er weiter. Es sei doch „bemerkenswert“, dass man bisher der Stadt erzählt habe nur, eine Ein-Standort-Lösung sei zukunftsfähig. „Und heute wird uns mit der gleichen Leidenschaft erklärt: Es muss ein Zwei-Standorte-Campus sein“, sagte Köbler: „Was erzählen Sie uns denn in zwei Jahren? Welche Tiefe hat das, und welche Nachhaltigkeit?“

„Ich höre viele Stimmen, die fürchten, durch die Standortdebatte erpressbar zu werden“, sagte auch Linken-Stadtrat Martin Malcherek, und kritisierte nicht als einziger: „Mich befremdet es ein bisschen, dass mit derselben Inbrunst wie uns die Vorteile für den alten Baumasterplan präsentiert bekamen wie jetzt für den neuen.“ Seien denn die Baulogistik, mit der jetzt argumentiert werde, oder die Bevorratung neue Faktoren, wunderte er sich.

Forderung aus den Räten: Alternativstandorte offen prüfen

Vertreter der angrenzenden Ortsbeiräte berichteten, es gebe Befürchtungen bei den Bürgern, dass im Falle des Medienpark-Geländes „erst einmal nur ein Drittel bebaut wird“, später aber die ganze Fläche. „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie auf den Standort Lerchenberg doch schon sehr festgelegt sind“, argwöhnte ein Mitglied des Ortsbeirats Lerchenberg, und auch der Marienborner Ortsvorsteher und ÖDP-Chef Claudius Moseler hieb in dieselbe Kerbe: „Ich habe den Eindruck, dass der Standort Medienpark hier heute gesetzt werden soll, dagegen möchte ich mich verwahren“, unterstrich er.

Auch die Einengung auf die ausgewählten Flächen stieß auf Kritik: „Natürlich können wir jedes Feld in Mainz auf seine Eignung prüfen“, betotne der kreisvorsitzende der Freien Wähler, Christian Weiskopf: „Und bei einem zwei Milliarden Projekt haben wir auch die Verpflichtung, das zu tun.“ Es müssten Alternativstandorte geprüft werden, forderte auch Moseler, und warnte zugleich davor zu glauben, dass ein Standort Medienpark ein Selbstläufer sei: „Wir werden auch hier auf einen hohen Widerstand seitens der Bevölkerung stoßen“, das schließe auch Klagen gegen ein solches Vorhaben ein. „Mir wäre lieber, wir würden für so ein wichtiges Projekt eine Fläche finden, wo wir wenigstens einen Grundkonsens haben.“

Das wiederum motivierte Minister Hoch dazu zu betonen: „Der Standort Drais ist für uns nicht gesetzt, die Standortfläche C wäre die für die Unimedizin am geeignetsten. Wir wollen keinen Schnellschuss machen, aber ein bisschen pressiert‘s schon. Aber wenn dies der Startschuss für einen Prozess ist, ein Grundstück zu suchen, mit dem am Ende alle glücklich sind – auch wir – dann wäre es wert, darauf ein Jahr zu verwenden.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den neuen Plänen der Unimedizin lest Ihr auch hier auf Mainz&. Eine ausführliche Reportage über die Draiser senke und ihre biologischen Besonderheiten lest Ihr hier bei Mainz&.