Die Debatte Böllern oder Nicht-Böllern bekommt immer mehr Schärfe und Intensität – und wird gleichzeitig immer widersprüchlicher. Denn bei Umfragen spricht sich eine Mehrheit der Deutschen zwar für ein Verbot der privaten Silvesterböllerei aus, gleichzeitig aber meldet die Branche Rekordumsätze – und mehr als 2,8 Millionen unterzeichnen eine Pro-Verbots-Petition. In Mainz wollen nun Ortsvorsteher in Gonsenheim und Mombach mit Hilfe von Wirtschaftsvertretern das Mainzer Tierheim sowie den Wildpark Gonsenheim in der Silvesternacht schützen – obwohl das Ordnungsamt ebenfalls im Einsatz ist.

Titelbild der Online-Petition der Gewerkschaft der Polizei in Berlin für ein bundesweites Böllerverbot. - Foto: GdP
Titelbild der Online-Petition der Gewerkschaft der Polizei in Berlin für ein bundesweites Böllerverbot. – Foto: GdP

Mehr als 2,8 Millionen Menschen haben inzwischen im Internet eine Petition der Gewerkschaft der Polizei in Berlin unterzeichnet, die ein bundesweites Verbot privater Silvester-Böllerei fordert. „Wir brauchen eine Lösung, die zeitnah greift, damit wir im nächsten Jahr nicht wieder über zig Verletzte reden“, heißt es im Text der Petition, die als einen Hauptgrund auch Angriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte in der Silvesternacht in Berlin nennt. „Das muss ein Ende haben“, fordern die Polizeibeamten.

Tatsächlich sind solche Angriffe aber vor allem aus der Hauptstadt sowie einigen weiteren Großstädten bekannt, in manchen Stadtbezirken werden dort Böller regelrecht als Waffen gegen die Polizei eingesetzt. In der Bilanz der Silvesternacht 2024-2025 war von Angriffen auf Einsatzkräfte in München und Leipzig, Köln und Hamburg die Rede – doch im ganz überwiegenden Großteil der Städte und Gemeinden in Deutschland blieb es friedlich und solche Angriffe aus, auch in Mainz.

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Silvester 2024-25: Umweltschäden, Panik bei Tieren und fünf Tote

Tatsache ist aber auch: Die private Böllerei verursacht jedes Jahr Millionen Tonnen an Feinstaub, belastet die Umwelt mit giftigem Müll, bedroht Wildtiere und versetzt Hunde, Katzen und Pferde in Angst und Schrecken. Und: Jedes Jahr gibt es Hunderte Verletzte durch Unfälle mit Feuerwerkskörpern, vor einem Jahr starben in der Silvesternacht gar fünf junge Menschen, meist wegen Explosionen mit selbst gebauten oder illegalen Feuerwerkskörpern.

Kampagne der Stadt Mainz: "Hier bitte nicht böllern!" - Foto: Stadt Mainz
Kampagne der Stadt Mainz: „Hier bitte nicht böllern!“ – Foto: Stadt Mainz

Ärztepräsident Klaus Reinhardt forderte deshalb gerade ein Böller-Verbot an Silvester,  doch einigen kann sich Deutschland auf ein solches Verbot bislang nicht. Von Gesetzgeberseite her gelten weiter „nur“ Regeln für Verbotszonen rund um Krankenhäuser und Altenheime, Kirchen und leicht brennbare Gebäude wie Fachwerkhäuser – doch der Tierschutz ist weiter kein Verbotsgrund. Eine Initiative mehrerer Bundesländer, darunter auch Rheinland-Pfalz, den Tierschutz als Grund für die Ausweisung von Böllerverbotszonen im Gesetz zu verankern, scheiterte Ende 2024 im Bundesrat – übrigens mit breiter Mehrheit.

Das zu dem Zeitpunkt noch SPD-geführte Bundesinnenministerium argumentierte weiter mit dem stereotypen Satz, ein bundesweites Totalverbot privaten Silvesterfeuerwerks sei „nicht verhältnismäßig“ – warum der Bundesrat aber auch die rheinland-pfälzische Initiative ablehnte, die Verbotszonen rund um  in der Nähe von Tierheimen, Tierschutzvereinen oder Tierparks vorsah, ist unklar. Die Stadt Mainz betont deshalb weiter, eine Verbotszone rund um das Mainzer Tierheim oder den Wildpark Gonsenheim sei rechtssicher nicht umzusetzen.

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Plakatkampagne der Stadt Mainz wirkte: Ruhe am Tierheim

Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) und Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) hatten deshalb Ende 2024 eine groß angelegte Plakat- und Infokampagne für mehr Rücksicht und gegen Böllerei rund um Tierheim, Wildpark und im Mainzer Stadtpark gestartet – mit Erfolg: Rund um die neuralgischen Punkte blieb es deutlich ruhiger als in den Vorjahren, Haase selbst verbachte den Jahreswechsel gemeinsam mit Kräften des Ordnungsamtes am Tierheim.

Engagierten mit einer Privatinitiative Sicherheitspersonal für Wildpark und Tierheim: Josef Aron (Grüne, ganz links), Ortsvorsteher von Mainz-Gonsenheim, und Christian Kanka (SPD, ganz rechts), Ortsvorsteher von Mainz-Mombach. - Foto: Aron/Kanka
Engagierten mit einer Privatinitiative Sicherheitspersonal für Wildpark und Tierheim: Josef Aron (Grüne, ganz links), Ortsvorsteher von Mainz-Gonsenheim, und Christian Kanka (SPD, ganz rechts), Ortsvorsteher von Mainz-Mombach. – Foto: Aron/Kanka

In diesem Jahr setzte die Stadt Mainz die Kampagne fort, ob sie genauso gut wirkt, ist noch nicht ausgemacht: Die Vorsitzende des Fördervereins Wildpark Mainz-Gonsenheim, Manuela Müller-Horn, berichtetet gegenüber Mainz&, die Plakate mit dem Hinweis „Hier bitte nicht Böllern“ seien in den vergangenen Wochen mehrfach heruntergerissen und zerstört worden, man fühle sich von der Stadt alleingelassen. Haase hingegen verwies darauf, dass auch in diesem Jahr Mitarbeiter des Ordnungsamtes vor Ort sein werden, um Böllerei etwa am Tierheim freundlich zu unterbinden.

Darauf verlassen wollen sich die Ortsvorsteher der Stadtteile Gonsenheim und Mombach offenbar nicht: Gemeinsam mit zwei Unternehmen aus dem Rhein-Main-Gebiet starteten sie eine Initiative für mehr Schutz und Sicherheit der Tierwelt. So sollen in der Silvesternacht vier Sicherheitsmitarbeiter am Gonsenheimer Wildpark eingesetzt werden, um auf das Böllerverbot im näheren Umfeld des rund 3,1 Hektar großen Areals hinzuweisen. Zusätzlich postiert der Sicherheitsdienst „Frankfurter Wächter“ zwei Mitarbeiter am Tierheim in der Zwerchallee, die gezielt das Gespräch mit Bürgern suchen und auf die besondere Schutzbedürftigkeit der Tiere aufmerksam machen sollen.

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Initiative von zwei Mainzer Ortsvorstehern mit Sicherheitsdienst

Die Initiative wird von der Mainzer Firma Soundline, dem Frankfurter Wächter Sicherheitsdienst sowie der Halle 45 getragen, die die Gesamtkosten in Höhe von rund 2.000 Euro gemeinschaftlich stemmen. Während die Stadt Mainz weiterhin auf Aufklärung und freiwillige Rücksichtnahme setze, wolle man sich aktiv dafür einsetzen, wolle man dazu beitragen, ein Böllerverbot „in sensiblen Bereichen zumindest praktisch umzusetzen“, sagten Josef Aron (Grüne), Ortsvorsteher von Mainz-Gonsenheim, und Christian Kanka (SPD), Ortsvorsteher von Mainz-Mombach.

Silvester 2022 in Mainz-Hechtsheim: Raketen und Böller in Massen. - Foto: gik
Silvester 2022 in Mainz-Hechtsheim: Raketen und Böller in Massen. – Foto: gik

Derweil geben die Deutschen in Umfragen gerne an, auf Silvesterböllerei verzichten zu wollen: Nur 22 Prozent gaben bei einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des TÜV-Verbands unter 2.500 Personen ab 18 Jahren an, zum Jahreswechsel privates Feuerwerk zünden zu wollen. 74 Prozent behaupteten hingegen, auf pyrotechnische Artikel wie Raketen, Fontänen oder Böller zu verzichten.

„Es ist eine Minderheit, die zu Silvester privat böllert, Raketen abschießt oder andere Feuerwerkskörper zündet“, sagte Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. Laut Umfrage sind es vor allem jüngere Menschen, die an Silvester Feuerwerk abbrennen: 43 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 39 Prozent der 30- bis 39-Jährigen sagten ja zur Pyrotechnik – unter den 50- bis 64-Jährigen sind es noch 21 Prozent und in der Generation 65-Plus nur noch 10 Prozent. Bemerkenswert: Kaum Unterschiede gibt es zwischen Männern (23 Prozent) und Frauen (21 Prozent).

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Umsatzrekorde und Familientradition: Viele erfreuen sich eben doch

Besonders beliebt ist Feuerwerk übrigens bei Familien mit Kindern: Fast jeder zweite Befragte mit Kindern im Haushalt (47 Prozent) will Feuerwerkskörper zünden. „Bunte Lichteffekte, lautes Knallen oder Zischen faszinieren viele Kinder zu Silvester“, sagt Bühler. Gleichzeitig geben 42 Prozent an, dass sie selbst oder jemand in ihrem Umfeld Angst vor Silvesterfeuerwerk hat. Und gut jeder Vierte (27 Prozent) gibt an, dass ein Haustier bei ihm zuhause Angst vor Feuerwerk hat.

Jahreswechsel 2024 auf 2025: Raketen über dem Kirchenstück in Mainz-Hechtsheim - wenige waren es nicht. - Foto: gik
Jahreswechsel 2024 auf 2025: Raketen über dem Kirchenstück in Mainz-Hechtsheim – wenige waren es nicht. – Foto: gik

56 Prozent stört die enorme Menge Feuerwerksmüll – und knapp zwei Drittel der Bevölkerung (65 Prozent) sprechen sich sogar für ein vollständiges oder teilweises Verbot aus: 43 Prozent befürworten ein vollständiges Verbot von privatem Silvesterfeuerwerk mit Ausnahme von Kleinstfeuerwerk wie Wunderkerzen oder Tischfeuerwerk. Und 22 Prozent plädieren sogar für ein Verbot von Böllern und Knallkörpern.

Die Umsatzzahlen der Branche sprechen derweil eine völlig andere Sprache: Zum Verkaufsstart stapelten sich mehr Feuerwerkskörper in den Supermarktregalen als jemals zuvor, Discounter meldeten einen Ansturm der Kunden – und die Pyrotechnikbranche rechnet mit einem neuen Rekordumsatz. Vor einem Jahr machte man schon 197 Millionen Euro Umsatz mit der privaten Böllerei, dieses Jahr dürfte die 200-Millionen-Euro-Grenze fallen.

Wie das alles zusammengeht? Nun, vielleicht ist der eine oder andere bei den Umfragen ja nicht ganz ehrlich, denn für viele Deutsche gehören bunte Raketen und laute Böller immer noch zum Jahreswechsel wie Sekt und „Dinner for One“: 38 Prozent räumten bei der Civey-Umfrage ein, dass Feuerwerk für sie zu Silvester einfach dazugehört – und knapp jeder Zweite (49 Prozent) gab an, er erfreut sich am Anblick der Lichteffekte. Und in Mainz-Kostheim meldete die Polizei einen Einbruch in einen Warencontainer: Entwendet wurden Feuerwerkskörper im Wert von mehreren Tausend Euro.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Kampagne „Hier bitte nicht Böllern“ der Stadt Mainz lest ihr hier bei Mainz&.