Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei, da sorgt bereits ein anderer Erreger für Unruhe: Die Affenpocken. Die Viruskrankheit, die normalerweise in Zentralafrika oder in Westafrika auftritt, hat sich unerwartet nach Europa verbreitet, das Robert-Koch-Institut spricht von 177 Fällen in 16 Ländern. Die Hauptrisikogruppe seien derzeit Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern gehabt hätten, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag, warnte zugleich aber auch: Der Erreger könne alle Gruppen anstecken – auch Kinder. „Wir stehen nicht am Beginn einer neuen Pandemie“, unterstrich Lauterbach, der Ausbruch müsse aber schnell und hart eingedämmt werden. Betroffene und Kontaktpersonen müssen nun 21 Tage in Quarantäne. Update&: Nun wurde ein erster Fall in Frankfurt nachgewiesen.

Weltweite Ausbreitung der Affenpocken im Mai 2022. - Foto via Wikipedia von ArcMachaon
Weltweite Ausbreitung der Affenpocken im Mai 2022. – Foto via Wikipedia von ArcMachaon

Affenpocken sind – so das RKI auf einer neuen Informationsseite – „eine seltene, vermutlich vor allem von Nagetieren auf den Menschen übertragene Viruserkrankung“, die durch das Affenpockenvirus Orthopoxvirus simiae (auch „Monkeypox virus“) ausgelöst wird. „Das Virus ist verwandt mit den klassischen humanen Pockenviren und den ebenfalls als Zoonose bekannten Kuhpockenviren“, heißt es weiter – damit handelt es sich bei den Affenpocken erneut um eine „Zoonose“, also eine Übertragung von Tier auf Mensch. Das war auch der Auslöser für die Corona-Pandemie vor 2,5 Jahren.

Affenpockenviren waren bisher vor allem in West- und Zentralafrika bei Nagetieren verbreitet, erstmals identifiziert wurden sie 1970 in der Demokratischen Republik Kongo bei einem neun Monate alten Jungen. Seitdem wurden humane Fälle von Affenpocken insbesondere in west- und zentralafrikanischen Ländern gemeldet, darunter in Nigeria, Kamerun, der Demokratischen Republik Kongo, der Republik Kongo und weiteren Ländern der Region.

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Erkennbar sind die Affenpocken vor allem durch einen Hautausschlag, der die Stadien vom Fleck bis zur Pustel durchläuft, wobei die Pusteln schließlich verkrusten und dann abfallen. Der Ausschlag konzentriere sich in der Regel auf Gesicht, Handflächen und Fußsohlen, heißt es beim RKI weiter. Erste Symptome der Krankheit seien aber Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen sowie geschwollene Lymphknoten, die Pusteln entwickeln sich einige Tage später. Im Gegensatz zu den seit 1980 als ausgerottet geltenden Menschenpocken „verlaufen Affenpocken in der Regel deutlich milder“, betont man beim RKI.

RKI-Chef Lothar Wieler auf der Pressekonferenz zum Thema Affenpocken. - Screenshot: gik
RKI-Chef Lothar Wieler auf der Pressekonferenz zum Thema Affenpocken. – Screenshot: gik

Es gibt aber zwei unterschiedliche Varianten der Affenpocken: Die mildere westafrikanische Variante, sowie die aggressivere zentralfrikanische, und diese kann zu Komplikationen und sogar zum Tod führen. Übertragen werden die Affenpocken im Gegensatz zum Coronavirus aber vor allem durch engen körperlichen Kontakt, das schließt sexuellen Kontakt ein, aber auch reinen Hautkontakt. „Jeder, der engen körperlichen Kontakt mit einer ansteckenden Person hat, kann sich infizieren“, heißt es beim RKI ausdrücklich.

Das Ungewöhnliche: Im Mai 2022 wurden in verschiedenen Ländern außerhalb Afrikas Fälle von Affenpocken registriert, darunter auch in Deutschland. „In den letzten Tagen sind einige Fälle von Affenpocken aufgetreten, in einer Vielzahl von Ländern, wie wir das bisher noch nicht gesehen haben“, sagte RKI-Chef Lothar Wieler am Dienstag auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Stand Dienstagmorgen, 11.00 Uhr, seien es 177 Fälle in 16 Ländern gewesen. „Es ist das erste Mal, dass wir Infektionsketten in Europa beobachten, ohne einen Link zu den Ländern zu haben“, wo die Pocken normalerweise kursierten, sagte Wieler.

 

Im Klartetxt: Die Mehrheit der Infizierten hatte keine Reisegeschichte in eines der Gebiete, in  denen Affenpocken vorkommen. In Deutschland seien bislang fünf Fälle ans Robert-Koch-Institut übermittelt worden, sagte Wieler weiter – der erste am 22. Mai 2022 in München. Alle fünf seien Männer, bei dreien gehe man davon aus, dass sie sich im Ausland infiziert hätten, bei zweien müsse die Infektion aber in Deutschland weitergegeben worden sein. In den meisten Fällen handele es sich um Männer, die Sex mit Männern hatten, sagte Wieler weiter.

Hauptrisikogruppe: Männer, auch Kinder können erkranken

Affenpocken bei einem vier Jahre alten Mädchen in Afrika. - Foto via Wikipedia
Affenpocken bei einem vier Jahre alten Mädchen in Afrika. – Foto via Wikipedia

„Die Hauptrisikogruppe zum jetzigen Zeitpunkt sind Männer, die Sex mit anderen Männern gehabt haben“, sagte auch Minister Lauterbach, und betonte zugleich: „Das ist keine Stigmatisierung, es ist lediglich die Beschreibung der jetzigen Hauptrisikogruppe. Das müssen wir ansprechen, um diese Gruppe zu schützen.“ Tatsache sei aber auch: „Der Erreger kann auch Kinder betreffen, also alle Geschlechter und alle Gruppen, Kinder, Erwachsene, Jugendliche“, betonte Lauterbach zugleich: „Man muss das Ganze schon ernst nehmen.“ Es sei auch bekannt, dass die Virus-Variante in Zentralfrika „sogar eine Sterblichkeit von bis zu elf Prozent bei Kindern unter 16 Jahren haben kann“, sagte Lauterbach weiter.

Die Affenpocken könnten sich somit auch in der allgemeinen Bevölkerung weiter ausbreiten, Lauterbach betonte aber auch: „Wir sind hier nicht am Vorabend einer neuen Pandemie.“ Man habe es mit Ausbrüchen zu tun, die einen bekannten Erreger beträfen, den man bekämpfen könne, und gegen den es bereits eine Impfung gebe. „Unsere Aufgabe ist es, die Ausbrüche früh einzudämmen“, betonte Lauterbach, man müsse „hart und schnell reagieren“ – „dann haben wir noch die Möglichkeit zu verhindern, dass sich der Erreger beim Menschen einnistet und ein endemisches Geschehen aufbaut.“

Mindestens 21 Tage Quarantäne bei Infektion

Wer mit den Affenpocken infiziert ist, muss deshalb ab sofort mindestens 21 Tage in Quarantäne, das gilt auch für direkte Kontaktpersonen. Grund ist die Inkubationszeit für die Pocken, die zwischen 5 und 21 liegt, wie Wieler sagte. In der Regel erholten sich die Erkrankten binnen einiger Wochen von alleine wieder, es könne aber auch schwere Verläufe geben. „Wir wollen den Schutz für die Bevölkerung aufbauen, falls es sich weiter ausbreitet“, betonter Lauterbach deshalb.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Bei der Pressekonferenz zu den Affenpocken. - Screenshot: gik
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Bei der Pressekonferenz zu den Affenpocken. – Screenshot: gik

Angedacht sei auch eine mögliche „Ringimpfungen“ um einen Infizierten herum, dann würden engere Kontaktpersonen eine solche Impfung bekommen. „Wir haben einen Impfstoff bestellt, bis zu 40.000 Dosen, der für die Bekämpfung der Affenpocken in den USA zugelassen ist“, sagte Lauterbach weiter. Der Impfstoff könne dafür genutzt werden, um eine Ansteckung zu verhindern oder zumindest den Ausbruch der Krankheit zu verzögern. „Ich rechne damit, dass wir in Kürze eine Reserve geliefert bekommen“, sagte der Minister.

Das Problem der Mediziner: „Wir wissen noch nicht, wieso die Ausbrüche der Affenpocken dieses Mal so anders verlaufen“, räumte Lauterbach ein. Möglich sei, dass sich der Erreger sich verändert habe, oder dass sich die Anfälligkeit der Menschen für den Erreger verändert habe. Dazu kommt: Seit wann genau das Virus in Deutschland zirkuliert, ist offenbar unklar: Auf Twitter berichtete eine Ärztin von einem Verdachtsfall in ihrer Praxis – vom 28. April 2022.

 

„Es ist klar, dass weitere Fälle in Deutschland zu erwarten sind“, betonte auch Wieler: „Wir befinden uns in einem frühen Stadium des Ausbruchs, vieles ist auch noch unbekannt.“ Klar sei aber: Mit Kontaktnachverfolgung und guten Hygienemaßnahmen wie Abstand, Vorsicht und Desinfektion könnten Infektionen gut eingedämmt werden. Die Infektion könne durch einen engen Kontakt mit einer infizierten Person, einem infizierten Tier, aber auch durch den Kontakt mit kontaminiertem Material übertragen werden, sagte Wieler.

Affenpocken auf den Händen eines Infizierten in Afrika. - Foto: WHO
Affenpocken auf den Händen eines Infizierten in Afrika. – Foto: WHO

„Ich glaube, dass wir noch sehr gute Chancen haben, diesen Erreger zu stoppen“, betonte auch Lauterbach, „dafür machen wir derzeit alles.“ Es sei zudem wahrscheinlich, dass Menschen, die bis Ende der 1970er Jahren gegen die Menschen-Pocken geimpft wurden, „eine gewisse Immunität besitzen“, fügte Lauterbach hinzu. Das menschliche Pocken-Virus wurde im Jahr 1980 von der Weltgesundheitsorganisation WHO als ausgerottet erklärt – Dank der Pockenimpfungen, die daraufhin eingestellt wurden.

Fälle von Infektionen sind bislang aus Rheinland-Pfalz nicht bekannt, in Baden-Württemberg wurde am Montag ein erster Fall gemeldet: Der Patient aus dem Ortenaukreis sei Reiserückkehrer aus Spanien und werde am Universitätsklinikum Freiburg behandelt, teilte das Gesundheitsministerium mit. Aus Wiesbaden hieß es am Dienstag: Das Gesundheitsamt sei auf mögliche Infektionsfälle vorbereitet und stehe mit dem Land Hessen in Austausch. „Die aktuellen Fälle der Affenpocken sind keineswegs mit der Corona-Pandemie zu vergleichen“, betonte Gesundheitsdezernent Franz (CDU).

Meldet den ersten Affenpocken-Fall in Hessen: Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne). - Foto: gik
Meldet den ersten Affenpocken-Fall in Hessen: Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne). – Foto: gik

Update&: Am Dienstagabend meldete das Wiesbadener Gesundheitsministerium dann den ersten nachgewiesenen Affenpocken-Fall in Hessen. Ein erster Affenpockenfall sei durch das Institut für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt unter der Leitung von Professor Sandra Ciesek nachgewiesen worden, teilte Geundheitsminister Kai Klose (Grüne) mit. Die infizierte Person habe sich am Dienstag mit entsprechenden Symptomen im Infektiologikum der Universitätsklinik vorgestellt.

„Das allgemeine Infektionsrisiko für die Bevölkerung ist bei Affenpocken als gering einzuschätzen“, betonte Klose. Dennoch verfolge man die Entwicklung „natürlich sehr aufmerksam.“ Die Infektion kann mittels Elektronenmikroskopie und PCR-Test nachgewiesen werden.

Info& auf Mainz&: Ausführliche Informationen zu den Affenpocken findet ihr hier beim Robert-Koch-Institut im Internet.