Es begann als eine Hilfsaktion für Not leidende Künstler in der Corona-Pandemie, es wurde ein komplettes Festival: Am Samstag startet der erste Weisenauer Kultursommer. 17 Konzerte vom 5. Juni bis weit in den Oktober hinein bieten Ballett und Chanson, verrückte Zaubereien und Lesungen, Soul, Pop und bluesige Südstaaten-Musik, Klezmer-Klänge, Lesungen und Kammermusik. Als „Kirche für Künstler“ begann die Aktion im November 2020, Spenden für Künstler zu sammeln, „nun wagen wir mit dem Weisenauer Kultursommer ein einmaliges Benefizprojekt zu Gunsten der Kulturszene im Großraum Mainz“, sagte Initiator Thomas Mann. Los geht’s mit gleich drei Veranstaltungen am 5. und 6. Juni, jede Veranstaltung wird von prominenten Paten präsentiert, mit dabei sind unter anderem Gudrun Landgrebe, Ulrike Neradt, Hilde Bachmann und Margit Sponheimer.
Als der Weisenauer Thomas Mann im November 2020 die Hilfsaktion „Kirche für Künstler“ ins Leben rief, ahnte er nicht, was er damit auslöste. Mann hatte im ersten Corona-Lockdown den Mainzer Pianisten Simon Höness mit seinem Klavier auf den Straßen von Mainz erlebt, später traf er weitere Künstler, Jongleure, Schauspieler, und ihm wurde klar: „Die Musiker und Künstler sind nicht nur arbeitslos geworden, sondern leben zum Teil an der Armutsgrenze.“ Mann bekam mit, wie Künstlern von heute auf morgen ihr gesamtes Einkommen wegbrach, wie viele auf einmal an der Armutsgrenze lebten, ihre Altersvorsorge aufbrauchen mussten, um zu überleben. Mann wollte helfen.
Gemeinsam mit der Weisenauer Pfarrerin Britta Busch rief Mann die Aktion „Kirche für Künstler“ ins Leben, gedacht zunächst als Spendenaktion für Künstler in Not. „Wir haben schon verschiedenen Künstlern helfen können“, sagt Mann heute, im Juni 2021, 500 Euro als Unterstützung zahlte die Aktion jeweils aus. Doch schnell kam die Idee auf: die Künstler wollten nicht nur einfach das Geld nehmen – sie wollten Auftreten, ihr Publikum beglücken, auf der Bühne stehen. Mann und Busch planten weiter, die Evangelische Kirche in Weisenau sei doch ein geeigneter Auftrittsraum, fanden sie: Genug Platz, ein erprobtes Hygienekonzept, und für gutes Wetter ein großer Pfarrgarten für die Konzerte.
Am 6. Dezember 2020 sollte es losgehen mit den ersten Konzerten – doch stattdessen kam der zweite große Corona-Lockdown. Die Aktion „Kirche für Künstler“ aber wuchs und wuchs und wuchs, immer mehr Künstler meldeten sich, und immer mehr prominente Unterstützer – es bildete sich ein ganzes Netzwerk. „Viele Künstler stehen vor einem Scherbenhaufen ihrer Existenz“, sagt auch der frühere Kulturdezernent Peter Krawietz (CDU), der Schirmherren der Aktion, in einem eigens erstellten Video: „Ihre Berufung ist das Sich-Öffnen, sich Zeigen“, doch genau das ging in der Corona-Zeit verloren. „Zum Hoffen, zum Positiv-Bleiben verdonnert, warten sie vergeblich auf die Hilfe des Staates“, sagt die Rheingauer Schauspielerin und Chansonnière Ulrike Neradt, und dabei sei ihre Berufung doch, „anderen ein Lächeln und unzählige Emotionen zu schenken.“
Künstler seien „Teil einer der größten Wirtschaftsindustrien überhaupt, unsere Kultur“, sagt Hildegard Bachmann – auch die Mundartdichterin und langjährige Fastnachterin unterstützt die Aktion: „Weil ich weiß, wie es in einem Künstler aussieht, jetzt in dieser Zeit“, sagte sie, „wie ihm der Kontakt mit dem Publikum fehlt – und auch, wie es mit den Finanzen aussieht.“ Aktionen wie diese seien derzeit „doppelt wichtig“, findet auch der Mainzer Kabarettist Tobias Mann – auch, weil über sie schnell und bürokratisch finanzielle Hilfe an Künstler fließe. „Aber auch, weil Aufmerksamkeit gelenkt wird auf die prekäre Lage, in der sich die Kulturszene durch die Pandemie befindet“, sagt Mann in einem Unterstützer-Video.
In einem weiteren Video beschreiben auch Künstlerinnen und Künstler selbst, wie es ihnen ging im Corona-Lockdown: „Früher immer auf Tour“, sagt Musicaldarstellerin Josefine Rau, „und dann…“ – „Rotwein, Chopin und traurige Gedanken“, sagt der Pianist Simon Höness. Auf einmal waren alle Auftritte weg, auf einmal war da nur noch Leere. „Ohne das zerfällt der Traumjob zu irgendeinem Hobby“, sagt Rau. Und damit genau das nicht passiert, wollte Pfarrerin Britta Busch mit ihrer Kirche und ihrem Engagement dagegen halten: „Wir alle sorgen uns um die kulturelle Welt, die seit über einem Jahr am Boden liegt, sehr viele Künstler stehen ohne Engagement und Einkommen am Rande Ihrer Existenz“, sagt sie.
Und nun ist daraus ein ganz neues Kulturfestival geworden: „Unter dem Motto „Jetzt geht es los! Raus ins pralle Leben“ starten wir am 05./06 Juni 2021 mit gleich drei Veranstaltungen ein ganzes Veranstaltungswochenende“, freut sich Initiator Mann. Hochkarätige Konzerte mit klassischen Musikern, verrückte Zaubereien und Chansons, Varieté, Musical- und Showprogramm, dazu Lesungen, Pantomime mit Klarinette, Herbstromantik und ein rollendes Piano – der Weisenauer Kultursommer lockt mit der ganzen Bandbreite der Kulturszene aus Mainz und Umgebung.
Los geht es gleich mit einem Highlight, einem Auftritt der Delattre Dance Company zur Eröffnung am Samstagnachmittag sowie der preisgekrönten Mainzer Violinistin Lia Fediukova und dem Mainzer Konzertpianisten Xi Zhai, am 6. Juni folgt das Cello-Duo Leo Stoll und Elias Hauth mit Rock, Pop und Erich Kästner, es folgen ein Musical-Abend mit László Nagy, verrückte Zaubereien mit Christoph Demian, eindringliche Pantomine mit Corinna Ratzel und das gefeierte Trio „Klezmers Techter“ Anfang August. Ebenfalls im August trifft Harfe auf Pop & Soul, wenn die deutsch-äthiopische Sängerin Menna Mulugeta und der Multi-Instrumentalist und Harfenist Gernot Blume gemeinsam auf der Bühne stehen.
Ende August dann lockt das Trio „Frau Nanke lässt bitten“ zu einem besonderen zuckersüßen und hintergründigen Konzerterlebnis, während im September das Ensemble „brass de mayence“ zur Reise durch die Musik von der Renaissance bis zur Moderne lädt. Am 19. September dann lädt der Singer-Songwriter Helt Oncale zu einer Reise nach New Orleans und präsentiert intensive Südstaaten-Musik von erdigem Blues über traditionelle Cajun-Musik bis hin zu rasanten Fiddle-Soli, bevor am gleichen Abend Musical-Darstellerin Josefine Rau zur Performance lädt. Ende September steht dann noch ein romantischer Abend mit Musik aus Argentinien, Spanien und Deutschland auf dem Programm, bevor der Mainzer Pianist Simon Höness sein rollendes Klavier und die Cellistin Valeria Beck ihre Saiten zum Klingen bringt.
Das Besondere an dem Kultursommer: Jeder Künstler wird von einem prominenten Paten begleitet, der oder die ebenfalls aus ihrem Fach etwas beisteuert. Da lesen Hildegard Bachmann und Margit Sponheimer aus ihren Büchern, präsentiert Ulrike Neradt Chansons oder begleitet Frank Golischewski die Künstler am Klavier. Gleich mehrfach tritt die in Mainz lebende Schauspielerin Gudrun Landgrebe als Patin auf und steuert selbst Lesungen zu den Konzerten bei – die Unterstützung von „Kirche für Künstler“ ist ihr ein Herzensanliegen. Der Eintritt zu den Konzerten selbst ist übrigens frei, doch natürlich sollen auch an diesen Abenden Spenden für die auftretenden Künstler zusammenkommen. Wer dafür eine Spendenquittungen benötige, könne die Spende bereits zuhause in einen Briefumschlag samt seiner Adresse legen, dann könne auch eine Spenden-Bescheinigung ausgestellt werden, sagte Mann.
Bis weit in den Oktober hinein soll der Kultursommer gehen, sogar ein eigenes Kinder-Festival ist dabei: Am 25. Juli gibt es an gleich zwei Terminen hintereinander Puppenspiel und Clowntheater Zauberkunst und Musik beim Kinder- und Familienfest des Weisenauer Kultursommers. Selbstverständlich fänden alle Konzerte unter Einhaltung aller zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Corona-Regeln statt, versichert Pfarrerin Busch – derzeit gehören dazu feste Platzvergabe und begrenzte Zuschauerzahl, Maskenpflicht sowie die Pflicht, einen aktuellen negativen Coronatest oder eine vollständige Impfung oder überstandene Corona-Infektion nachzuweisen. Auch eine Vorab-Anmeldung mit Name, Adresse und Telefonnummer ist nötig – die Organisatoren hoffen, dass der Kultursommer bis zum Schluss durchgehend stattfinden kann.
Zum großen Finale lockt am 24. Oktober der Auftritt des Kammerorchester „Mainzer Musici“ von der Musikhochschule Mainz unter der Leitung von Professor Benjamin Bergmann und dem Paten Schauspieler Jonas Minthe – „wir versprechen den gesamten Kultursommer hindurch einzigartige Kulturmomente“, sagen Mann und Busch.
Info& auf Mainz&: Die ganze Geschichte der Aktion „Kirche für Künstler“ könnt Ihr hier bei Mainz& noch einmal nachlesen. Das gesamte Programm des Weisenauer Kultursommers gibt es hier im Internet samt aller aktuell geltenden Corona-Regeln. Alle Veranstaltungen finden im Pfarrgarten oder in der evangelischen Kirche Mainz-Weisenau in der Hopfengartenstraße 22 in Mainz-Weisenau statt, anmelden kann man sich unter der Email-Adresse kirche-fuer-kuenstler-mainz@t-online.de. Wer die Aktion „Kirche für Künstler“ unabhängig von einem Konzert unterstützen möchte, kann das natürlich ebenfalls noch tun: Spenden bitte auf das Konto der Evangelischen Kirchengemeinde Weisenau bei der Mainzer Volksbank überweisen, IBAN DE85 5519 0000 0560 6640 13 , Bic: MVBMDE55 –
Wichtig: Beim Betreff bitte unbedingt „Künstler“ angeben.