Es beginnt – natürlich – mit einem „Ave“, und einem Blick in die Geschichte der Gründung des römischen Mainz – wie anders sollte man sonst auch den Mann ehren, der genau diese Geschichte überhaupt erst sichtbar gemacht hat. Am Dienstag feierten die Initiative Römisches Mainz und die Unsichtbare Römergarde den 80. Geburtstag des früheren Landesarchäologen Gerd Rupprecht – und Dutzende von Weggefährten kamen: Dezernenten und Geschichts-Zuständige von Amts wegen, Weggefährten, Freunde und auch eine ganze Reihe Fastnachter. Sogar vom Raumschiff Enterprise kam ein Gast und wünschte: „Leben Sie lange und in Wohlstand.“
„Keine Formalitäten“, sagt Christian Vahl entschieden, „denn ich bin ja gar nicht da.“ Die „Unsichtbare Römergarde“ hatte ins antike Römische Theater am Mainzer Südbahnhof geladen, und man darf getrost annehmen, dass Hunderte das historische Theaterrund bis hinauf zu den höchsten Rängen füllten. Schließlich galt es den Mann zu ehren, der das Unsichtbare sichtbar und schier Unglaubliches wahr gemacht hat: Gerd Rupprecht, Archäologe, Geschichts-Vermittler und Erdflüsterer wurde vergangenen Sonntag 80 Jahre alt.
Rupprecht studierte in Frankfurt provinzialrömische Archäologie, seine Bestimmung fand er jedoch im benachbarten Mainz. Von 1980 an grub Rupprecht alles in Mainz aus, was heute Rang und Namen in der Geschichte hat: die Römerschiffe in der Baugrube zum Rhein-Hilton, das Römische Theater am Südbahnhof und den Isis-Tempel in der Innenstadt. Rupprecht weckte den Drususstein auf der Zitadelle ebenso aus dem Dornröschenschlaf wie die Römersteine der antiken Wasserleitung, die von Finthen über das Zahlbachtal bis auf den Kästrich reichte.
Der Erdflüsterer, der das Römische Mainz wachküsste
Es war Gerd Rupprecht, der das antike Moguntiacum buchstäblich aus dem Erdreich hob, und damit gleichzeitig auch die Liebe der Mainzer zu ihrem historischen Erbe wachküsste – mit Hartnäckigkeit, verschmitztem Charme, unendlich viel Wissen und manchmal auch mit einem Vorschlaghammer: „Die Mauer muss weg“, rief Rupprecht 2013 am Mainzer Südbahnhof, und legte eigenhändig die Sichtschutzmauer zwischen dem Bahnsteig des damaligen Südbahnhofs und dem antiken Römischen Bühnentheater nieder, damit die Reisenden einen Blick in die Vergangenheit werfen können – genau das war typisch für den Archäologen Gerd Rupprecht.
Er habe als Feldarchäologe so vieles gesehen und erlebt, in Xanten, in Bonn, Bad Kreuznach und Augsburg, berichtete Rupprecht vergangenes Jahr in einem Interview mit Mainz&: „Ich bin immer unterwegs gewesen, um mit der Erde zu sprechen.“ Tatsächlich hatte der „Erdflüsterer“ einen geradezu magischen sechsten Sinn für die antiken Funde, die in seinem Inneren schlummerten. Mal kroch Rupprecht in eine alte römische Fußbodenheizung unter einer Kirche, mal grub er ein Römerschiff aus, mal schlief er in einem Zelt in der Baugrube, um die Funde gegen Diebe zu schützen.
Legendär sind Erzählungen, wie Rupprecht sich persönlich in eine Baggerschaufel stellte, um einen römischen Fund vor der Zerstörung zu bewahren – das war in einer Grube „An der Mitternacht“, verriet Rupprecht. Auch unter einem Bagger habe er einmal geschlafen, um eine Ausgrabungsgrube zu bewachen, und nach der Rettung der Römerschiffe im Jahr 1980 verhinderte Rupprecht im Jahr 2000 die Zerstörung des bei Bauarbeiten für eine Einkaufspassage gefundenen Isis-Tempels. „Ich habe meine Kreise gezogen, dort, und am Theater“, sagte Rupprecht vergangenes Jahr bescheiden.
Geburtstagsfeier im „Wohnzimmer“ Römisches Theater
Am Dienstag hatte die Unsichtbare Römergarde nun in eben dieses fast 2000 Jahre alte Theaterrund geladen, um genau den Mann zu feiern, ohne den es tief im Erdreich geblieben wäre. 1997 grub Gerd Rupprecht zunächst „nur“ ein Loch in den verwilderten Hang oberhalb des Mainzer Südbahnhofs – auf der Spur einer Sensation. In alten Schriften des Mainzer Archäologen Ernst Neeb aus dem Jahr 1914 hatte Rupprecht Hinweise gefunden, dass hier im Hang das alte Bühnentheater der Römer liegen müsste – und wieder einmal war Gefahr im Verzug: Die Deutsche Bahn plante einen zweiten Eisenbahntunnel nach Mainz – genau durch diesen Hang.
Was Rupprecht, seine Archäologen und letztlich viele, viele Freiwillige da direkt neben dem Mainzer Südbahnhof ans Tageslicht holten, entpuppte sich als das größte römische Bühnentheater nördlich der Alpen: 42 Meter breit erhob sich einst die stolze Bühnenrückwand, die Sitzreihen reichten bis hinauf zum Giebel der heutigen Lutherkirche und boten wohl 10.000 Menschen Platz auf den weiten Rängen. Hier fanden die Festspiele zu Ehren des verstorbenen Feldherrn Drusus statt, dessen Grabmal nur wenige Meter entfernt auf der heutigen Zitadelle steht.
„Das hier ist Ihr Wohnzimmer“, würdigte Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) am Dienstag nun den Retter und Wieder-Entdecker des Theaters: „Sie haben hier selbst die Mauer niedergelegt, Sie haben hier immer Hand angelegt – seit Ihrem Amtsantritt im Jahr 1980 waren Sie das römische Gesicht der Stadt.“ Und Grosse versicherte auch: Die Stadt habe nie aufgehört, sich um Mauern, Pfeiler und deren Konservierung zu kümmern – und man habe in naher Zukunft „Großes vor“: Der Wettbewerb zum Bau eines neuer Besucherzentrums samt Nutzungskonzept für das Theater sei „zu 98 Prozent fertig“- schon bald werde die Stadt die Ergebnisse vorstellen.
„Sie haben das Herz des römischen Mainz wieder schlagen lassen“
Wer in Jahrhunderten denkt und arbeitet, kann wohl auch eine Verzögerung von schlappen 20 Jahren verkraften – doch dem Jubilar sind die Jahre durchaus anzusehen: Mit der Gesundheit des 80-Jährigen steht es nicht zum Besten. „Ad multos annos“, noch viele Jahre wünschten ihm dennoch die Gratulanten wie Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU): „Sie haben unsere Vergangenheit, die römische Vergangenheit wieder in unser Bewusstsein geholt, Sensationsfunde sichtbar gemacht, unsere Geschichte in Mainz wieder erlebbar gemacht“, würdigte Matz Gerd Rupprecht: „Sie haben mit Ihrem Wirken das Herz des römischen Mainz wieder schlagen lassen, vielen Dank dafür!“
Tatsächlich war es Rupprechts hartnäckige Aufklärungsarbeit und seine unnachahmliche Art, die Funde aus dem Erdreich zu deuten und den Menschen zu erklären, die die Begeisterung der Mainzer für das antike Erbe weckte. „Es gibt eine Zeit vor, und eine nach 1980“, beschrieb vergangenes Jahr der Vorsitzende der Initiative Römisches Mainz, Christian Vahl, die Lage: „Davor konnte man durch Mainz wandeln, einen Römerfund davon tragen, und sagen: Nö, interessiert uns nicht.“
Rupprecht änderte das. Er machte aus ein paar unscheinbaren Mauern eine spannende Geschichte, konnte mit wenigen Sätzen das Leben von Göttinnen und Betenden, von Händlern, Legionären und Generälen vor den Augen erstehen lassen. Unvergessen auch, wie er 2001 vom „Geheimnis der Horchschlitze“ sprach – da hatte Rupprecht gerade die unterirdischen Gänge der Mainzer Zitadelle frei gelegt, und dabei lange, schmale Schlitze in den Mauern gefunden, die bis heute Rätsel aufgeben.
Glücksfall für Mainz, Geschichts-Erklärer, Asterix, Ranzengardist
„Ein Glücksfall“ sei Gerd Rupprecht für Mainz gewesen, sprach auch der frühere Mainzer Kulturdezernent Peter Krawietz: „Ehre wem Ehre gebührt – deswegen haben wir uns heute hier versammelt: Damit wir aus tiefstem Herzen Danke sagen können.“ Rupprecht könne mit seinem Wissen groß und klein begeistern, und das Mitreißen gelinge ihm deshalb so gut, „weil er plastisch erklären kann.“ Rupprechts Begeisterung komme „aus einem großen Herzen, welches keine Arglist kennt“, Humanität und die altrömische Tugendhaftigkeit prägten seine Persönlichkeit, würdigte Krawietz den Jubilar.
Und auffällig an Gerd Rupprecht seien immer seine muskulösen Finger gewesen: „Als hätte er alles, was er dem Erdreich entlockt hat, in wahrsten Sinne eigenhändig ausgegraben.“ Legendär auch Rupprechts Wetterfestigkeit und Kondition, um die ihn manch Jüngerer beneidet habe, sagte Krawietz: „So viel zur Physis.“ Auch Kopf, Herz und Verstand wusste Krawietz gebührend zu ehren, und bilanzierte am Ende: Gerd Rupprecht habe den Bewunderern der Römer in Mainz ein Erbe hinterlassen, das Politiker und Bewunderer gleichermaßen verpflichte, nun auch dafür zu sorgen.
„Es ist Dir gelungen, Wissenschaft und Archäologie unter die Menschen zu bringen, Du hast sie in Mainz verankert“, würdigte auch Thomas Metz, ehemaliger Direktor der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) den langjährigen Weggefährten: „Archäologie und unsere Geschichte ist zum Anfassen da, und nicht nur für den Elfenbeinturm, das habe ich von Dir gelernt.“ Mit Asterix und Obelix habe Rupprecht ihn und Metz verglichen, bekannte dieser, und erinnerte: „Wir wollten gemeinsam von Trier nach Mainz laufen, das haben wir nicht geschafft.“
Playmobil-Fan, Ranzengardist, Bezwinger der Baggerschaufel
Rupprecht habe übrigens zuhause seine eigene Privatarmee mit 6.000 Mann, berichtete Metz schmunzelnd: „Alles Playmobil-Soldaten – und das bei einem Wissenschaftler, phantastisch!“ Tatsächlich hatte und hat der Archäologe Rupprecht auch eine große Liebe für Uniformen und alles Militärische – und das reicht auch bis in die Fastnacht: Gerd Rupprecht sei auch ein begeisterter Ranzengardist, verriet der Präsident eben dieser Ranzengarde, Lothar Booth: „Ein kleine Bub in Uniform, der vor Begeisterung übers ganze Gesicht strahlt – das bist Du, lieber Gerd.“
„Wir gratulieren heute einem Mann, der allen Baggerschaufeln mutig entgegen gesprungen ist, und der das Römische Mainz mit seiner unbändigen Leidenschaft zu seiner Berufung gemacht hat“, verneigte sich auch der Präsident der Mainzer Prinzengarde, Karl Otto Armbrüster, vor Rupprecht. Berufung und Ausgrabung, das habe indes auch etwas mit der Fastnacht zu tun: „Auch wir sind Ausgräber“, sprach Armbrüster, „auch wir bringen in der Saalfastnacht so manches ans Tageslicht und halten den Mächtigen in Stadt und Land den Spiegel vor.“
Besuch aus der Sternzeit 4534: Enterprise ehrt Rupprecht
Ja, die Zukunft, sie gab sich am Ende noch persönlich die Ehre: „Ich komme aus dem Jahr 2568, Sternzeit 4534“, sprach der Gast vom Planeten Vulkan: „Ich übersende die Grüße von meinem Kapitän Jean Luc Picard, der Sie sehr bewundert.“ Die „Enterprise“ persönlich hatte einen Emissionär in Gestalt von KCK-Präsident Dirk Loomans zur Erde geschickt, und der brachte Einblicke aus der Zukunft mit: „Sie werden ein Buch schreiben, offenbar haben Sie das noch nicht getan“, sagte der Gast, und versicherte: Mainz bleibe im Übrigen auch in Zukunft Weinregion und Mitglied der Great Wine Planets im Alphaquadranten – auch nach dem Dritten Weltkrieg, der laut den Annalen der Sternenföderation die Welt im Jahr 2026 erfassen wird. „Es gibt ja verschiedene Zeitlinien, sie haben es noch in der Hand und zwei Jahre Zeit, das zu verhindern“, tröstete „Vulkanier“ Loomans.
Auch in der Zukunft wisse man indes den großen Archäologen zu würdigen, der einst die Römerschiffe ausgrub, die schließlich Vorgänger der Raumschiffe seien. Doch die Funde der Zukunft würden noch einige Fragen aufwerfen, klagte der Gast: „Es gab nach unseren Übersetzungen eine unverzichtbare Römergarde“, nun müsse man feststellen, dass die offenbar unsichtbar sei.
Auch die Bleitafeln mit Flüchen, kleine Metalltäfelchen mit launischen Sprüchen, die offenbar die Gardisten um den Hals getragen hätten, gäben noch Rätsel auf: „Wir haben einen Orden rekonstruiert mit unserer Technik, doch zu unserer Überraschung steht da drauf, ‚dies ist kein Orden‘, das verwirrt uns“, bekannte Loomans – im Gepäck hatte der KCK-Präsident einen Orden der Corona-Pandemie, als während der ausgefallenen Fastnachtskampagne „Keine Orden“ kreiert wurden. „Leben Sie lange und in Wohlstand“, wünschte der „Vulkanier“ dem Jubilar.
Den „keinen Orden“ gab es dann natürlich als Geschenk für den Jubilar, ebenso wie weitere Weinflaschen, Bücher und den neuesten Asterix-Band. Die Unsichtbare Römergarde wiederum gratulierte ganz sichtbar und vor allem höchst an-hörbar mit dem Trio Aeterna und einem eigens umgedichteten Geburtstagsständchen: „Komm her, und schenke noch mal ein, aus Amphoren römisch Wein, lass Dich entführ’n in seine Welt“, sang Frontfrau Kathrin Dohle: „So sind wir heute alle da, feiern seine 80 Jahr‘.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Ausgrabung des Römischen Theaters könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Das Geburtstagsständchen des Trio Aeterna könnt Ihr hier auf Facebook ansehen. Und hier noch ein paar Eindrücke vom Geburtstagsfest zu Ehren von Gerd Rupprecht: