Es war wohl um das Jahr 1920, als in der Badergasse in Mainz eine Bronzestatue der Göttin Carna gefunden wurde – so zumindest erzählt es Christian Vahl, Chef der Unsichtbaren Römergarde. Nun holt die Initiative Römisches Mainz die Göttin zurück ins Stadtleben des modernen Mainz: Zum zweiten Mal fand am Donnerstag das Fest zu Ehren der Göttin Carna statt. Es ging um Bohnen und ihre Verbindung zu den Schwellköppen, vor allem aber wurde viel geehrt: Ein neuer Ehrensenator und gleich vier Träger der Drususmedaille wurden ausgezeichnet, darunter ein ganz besonderer Gast: Ex-Landesarchäologe Gerd Rupprecht.

„Mitte Mai blühten im alten Rom die Bohnen, geerntet wurden sie ab dem 1. Juni“, so berichtet es Christian Vahl, Chef der Initiative Römisches Mainz (IRM) – der erste Juni, er war einer besonderen Göttin im alten Rom gewidmet: Carna, Göttin des Herzens, der Gesundheit – und der Eingeweide. Wohl deshalb waren ihr die Bohnen gewidmet, an ihrem Fest aß man aber auch Schafskäse und Oliven, und natürlich durfte auch der Wein nicht fehlen.

Schwellköppe, Neptun, die Unsichtbare Römergarde und ganz viele Geehrte: Die Initiative Römisches Mainz feierte zum zweiten Mal das Fest der Göttin Carna. - Foto: gik
Schwellköppe, Neptun, die Unsichtbare Römergarde und ganz viele Geehrte: Die Initiative Römisches Mainz feierte zum zweiten Mal das Fest der Göttin Carna. – Foto: gik

Genau mit diesen Zutaten beging nun auch die IRM zum zweiten Mal das Fest der Göttin Carna, in diesem Jahr fand die Feier vor dem Weingut Landenberger in der Mainzer Neustadt statt. Bei herrlichem Frühsommerwetter tafelte man unter freiem Himmel, und die Bänke konnten die Zahl der feierwilligen Gäste kaum fassen. „Manche sagen, die Fortuna ist aus ihr hervorgegangen“, merkte denn auch „Neptun“ alias Christian Vahl an – die Unsichtbare Römergarde gaben die Zeremonienmeister der Feier.

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Und die hatte sich Verstärkung aus dem fernen Hessen geholt: Centurio Aulus Arminius Calvus aus Waldgirmes, der einzigen römischen Stadt rechts des Rheins, war gekommen, um als Ehrengarde zu fungieren. Der Centurio wartete in authentischer antiker Rüstung auf, stilecht mit römischem Kurzschwert, Federbusch und Rüstungsnachbau. „Ich war schon immer historisch interessiert“, berichtete Armin Hofmann gegenüber Mainz&. Es reize ihn einfach, das römische Lagerleben nachzuempfinden – Übernachtung im Zelt und Mahlzeit mit dem römischen Brei „Puls“ inklusive. Nun sorgte er als römischer Centurio bei den Carnarien für das würdige Geleit der zu Ehrenden.

Drusus-Medaillen für Krämmer, Blödel und Brenner

Und die gab es in diesem Jahr gleich (fast) in einem halben Dutzend: Gleich vier Drusus-Medaillen wurden am Donnerstag für Verdienste um, das römische Mainz verliehen. Geehrt wurde der Künstler Thomas Brenner für seine Aufnahmen von inszenierter Fotografie zum römischen Leben, eine neue Art, den Mainzern ihr römisches Erbe wieder näherzubringen. Geehrt wurde auch Gerd Blödel, Winzer aus dem Rheinhessischen – er rettete im wahrsten Wortsinn das Isis-Heiligtum vor dem Versinken.

Centurio Aulus Arminius Calvus ehrt den Künstler Thomas Brenner. - Foto: gik
Centurio Aulus Arminius Calvus ehrt den Künstler Thomas Brenner. – Foto: gik

„Der Boden des Isis-Heiligtums war kurz vor dem Kollaps“, berichtete Vahl, das Holzgerüst im Untergrund marode: Die ersten Erbauer hatten wohl nicht ganz trockene Kieselsteine verwendet, die Feuchtigkeit ließ den hölzernen Unterbau modern. Die Sanierung sollte 30.000 Euro kosten, „dann kam Gerd und sagte: das könnte man auch selbst machen“, berichtete Vahl weiter: „Das klang uns initial verwegen.“

Doch Blödel, Inhaber des Dexheimer Weinguts Historic, stemmte die Sanierung fast aus Eigenmitteln unter tatkräftiger Mithilfe der IRM-Mitglieder. „Das Isis-Heiligtum hat mich immer fasziniert“, dankte Blödel, und betonte: „Die Auszeichnung gilt uns allen, die geholfen haben.“

Gerd Krämmer rettete einst das Orpheus-Mosaik

Noch zwei weitere zu Ehrende geleitete Centurio Aulus auf den römischen Streitwagen, der als Bütt und Bühne seinen Dienst tat: Gerd Krämmer, früherer Vorsitzender der Initiative Römisches Mainz, hatte einst 80.000 D-Mark für die Restaurierung des Orpheus-Mosaiks gespendet. Das sechs mal sechs Meter große Fußbodenmosaik war 1995 bei Ausgrabungen in der Badergasse gefunden worden – das hervorragend erhaltene Steinmosaik aus 320.000 Steinen war eine Sensation.

Gerd Krämmer, früherer Vorsitzender der IRM, rettete einst das Orpheus-Mosaik. - Foto: gik
Gerd Krämmer, früherer Vorsitzender der IRM, rettete einst das Orpheus-Mosaik. – Foto: gik

Krämmer hatte eigentlich zur Auflage gemacht, das Mosaik öffentlich zu zeigen, doch das geschah erst einmal lange nicht: 2001 wurde das Orpheus-Mosaik nach seiner Rekonstruktion der Öffentlichkeit präsentiert – danach verschwand es im Depot, und wurde erst im Juli 2022 von der IRM erstmals wieder öffentlich gezeigt, in einem Geschäft in der Römerpassage. Seither stand die Frage im Raum: Was wird aus dem Orpheus-Mosaik?

Nun gibt es gute Nachrichten: „Es ist nun so weit,: das Mosaik wird seinen Bestimmungsort finden“, verkündete Vahl: „Noch in diesem Jahr wird es in der Steinhalle des Mainzer Landesmuseums öffentlich werden.“ Die vierte Drusus-Medaille aber ging an einen, der alle diese römischen Schätze ausgegraben hatte, und zuletzt lange aus der Öffentlichkeit verschwunden war: Gerd Rupprecht, ab dem Jahr 1980 und bis zu seiner Pensionierung 2012 Landesarchäologe in Mainz.

Gerd Rupprecht und die Ära des römischen Moguntiacum

„Es gibt eine Zeit vor, und eine nach 1980“, betonte Vahl am Donnerstag: „Davor konnte man durch Mainz wandeln, einen Römerfund davon tragen, und sagen: Nö, interessiert uns nicht.“ Es war Rupprecht, der das antike Moguntiacum aus seinem Dornröschenschlaf weckte, und damit gleichzeitig auch die Liebe der Mainzer zu ihrem historischen Erbe wachküsste. Rupprecht tat das mit Hartnäckigkeit und manchmal auch mit einem Vorschlaghammer: Er grub die Römerschiffe auf, und das Römische Theater, die Mauer zum Südbahnhof legte er eigenhändig mit dem Hammer in Schutt.

Erster öffentlicher Auftritt seit vielen Jahren: Gerd Rupprecht erhält die Drusus-Medaille der IRM. - Foto: gik
Erster öffentlicher Auftritt seit vielen Jahren: Gerd Rupprecht erhält die Drusus-Medaille der IRM. – Foto: gik

„Es ist überliefert, dass wenn er irgendwo einen Römerfund witterte, war er schon da“, berichtete Vahl in seiner Laudatio – „und wenn es sein musste, schlief er auch schon mal auf einer Baggerschaufel.“ Tatsächlich habe er einmal unter einem Bagger geschlafen, um eine Ausgrabungsgrube zu bewachen, verriet Rupprecht gegenüber Mainz&, und sich in eine Baggerschaufel gestellt, um einen römischen Fund vor der Zerstörung zu bewahren – das war in einer Grube „An der Mitternacht“.

Bewahrt hatte Rupprecht aber auch den im Jahr 2000 bei Bauarbeiten für eine Einkaufspassage gefundenen Isis-Tempel vor der Zerstörung: Es war seinem Einsatz zu verdanken, dass sich Stadt und Bauträger der damaligen Lotharpassage zu einer Präsentation im Untergeschoss der heutigen Römerpassage durchringen konnten. Es war auch die Geburtsstunde der Initiative Römisches Mainz: Sie ging aus der ersten Kundgebung in Deutschland überhaupt für den Erhalt eines römischen Denkmals hervor. „2.000 Leute gingen damals für das Isis-Heiligtum auf die Straße“, erinnerte Vahl nun.

„Ich war immer unterwegs, um mit der Erde zu sprechen“

Rupprecht zeigte sich von der Auszeichnung zutiefst gerührt: „Mir fehlen die Worte“, sprach der 79-Jährige. Er sei nach seinem Studium „immer unterwegs gewesen, um mit der Erde zu sprechen“, bekannte Rupprecht. Er habe als Feldarchäologe so vieles gesehen und erlebt, in Xanten, in Bonn, Bad Kreuznach und Augsburg. „Ich bin sogar einmal in eine alte römische Fußbodenheizung unter einer Kirche gekrochen“, berichtete er: „Als ich unterirdisch war, fing der Glockenturm an zu läuten, das Gebäude vibrierte – da ging mir die Muffe.“

Wurde von den Gästen frenetisch gefeiert: Ex-Landesarchäologe Gerd Rupprecht. - Foto: gik
Wurde von den Gästen frenetisch gefeiert: Ex-Landesarchäologe Gerd Rupprecht. – Foto: gik

Der römische Feldherr Drusus sei ihm zunächst in der Literatur begegnet, dann kam er nach Mainz – und weckte den Drususstein auf der Mainzer Zitadelle aus seinem Tiefschlaf. „Ich habe meine Kreise gezogen, dort, und am Theater“, sagte Rupprecht, und dankte in emotionalen Worten: „Ich bin sehr, sehr dankbar. Das Glück ist zu mir gekommen, und ich habe eine Familie gefunden – Sie gehören alle mit dazu.“

Geehrt wurde zudem aber auch einer, dem die Römerpassage ihren Namen verdankt: Der Journalist Bernd Funke wurde zum Ehrensenator der Unsichtbaren Römergarde ernannt. „Mitbürger, hört mich an“, rief Lauidator Peter Krawietz in echt römischer Weise in die Runde: Der Scriptor und Redaktor Funke sei „ist dieses Amtes absolut würdig.“ Mit Klarheit der Sprache, Überzeugungskraft der Botschaft und Kenntnis der Materie, dazu mit Humor und Zuverlässigkeit gegenüber Quellen und Informanten sei es Funke über viele Jahre hinweg gelungen, Plädoyers für das Römische Mainz zu verfassen.

Ehrensenator Bernd Funke: „Pecunia wär‘ nicht dumm“

So habe Funke das 2000-jährige antike Erbe „aus dem Schatten von Trier und Köln herausgeführt“, wie Krawietz lobte. Funke habe von prächtigen Villen und römischen Badeanstalten berichtet, antike Stadttore und die Viertel wohlhabender Kaufleute wieder auferstehen lassen. Dazu sei er Geburtshelfer des Mainzer Denkmalnetzwerkes gewesen und Mitbegründer der Initiative Römisches Mainz, dazu Schutzpatron der Römersteine und Namensgeber für die Römerpassage. „Pro Senatore honoris causa: das reicht für die Ernennung des Ehrensenators“, bilanziert Krawietz.

Wurde zum Ehrensenator der Unsichtbaren Römergarde ernannt: Der langjährige AZ-Redakteur Bernd Funke. - Foto: gik
Wurde zum Ehrensenator der Unsichtbaren Römergarde ernannt: Der langjährige AZ-Redakteur Bernd Funke. – Foto: gik

Der Gelobte antwortete in Reimen, und konstatierte: „2000 Jahre machen jeden unsichtbar.“ Nun brauche Jupiter, der Göttervater, dringend Unterstützung zwischen Isis und römischem Theater, „deshalb fordere ich in dieser Rund: Unsichtbare tretet ein, für die Römerstadt am Rhein!“ Und Funke fügte auch noch ein Plädoyer für ganz handfeste finanzielle Unterstützung hinzu: „Lasst die Stadtväter wissen, dass Pecunia wir vermissen – Pecunia wär‘ nicht dumm – Salve Moguntiacum!“

Die Reime waren durchaus passend, wurde das Fest der Göttin Carna doch wie schon im Vorjahr von drei Meenzer Schwellköppen flankiert. Dass die Wahrzeichen der Mainzer Straßenfastnacht vom Mainzer Carneval-Verein präsxent seien, sei keinswegs ein Zufall, betonte Vahl: Bei dem Fest der Carnaria habe man sich auch manchen Scherz erlaubt, und etwa Steine unter die Bohnen gemischt – und diese Bohnen seien die Verbidnung zu den Schwellköppen.

Denn „aus dem Bohnenfest des Mittelalters und der Renaissance ist ein anderes Bohnenfest geworden: Am 6. Januar buk man ein Brot mit einer Bohne darin, wer sie fand, war der König – und scharte eine Mannschaft um sich“, berichtete Vahl. Man sage, dies sei die Vorgeschichte des Elferrates in der Fastnacht. „Das ist auch der Grund, warum die ersten Sitzungen der Fastnacht nicht vor dem 6. Januar stattfinden“, betonte Vahl: „Die Römer, die Schwellköppe, die Unsichtbare Römergarde und die IRM – das gehört alles zusammen.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum ersten Fest der Göttin Carna im modernen Mainz könnt Ihr noch einmal hier nachlesen. Die ganze Geschichte des Orpheus-Mosaiks findet Ihr hier bei Mainz&.