Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat es überdeutlich gezeigt: Deutschland ist in Sachen Katastrophenschutz und Warnung der Bevölkerung alles andere als gut aufgestellt. Nun will die Politik nachbessern, ein Ansatz dafür: Das einstmals flächendeckende Sirenennetz soll wieder aufgebaut werden. Auch in Mainz ist das Netz lückenhaft, ganze Stadtteile werden von Sirenen gar nicht beschallt. Am Donnerstag gibt es nun wieder den jährlichen Sirenentest: Pünktlich um 11.00 Uhr sollen die Sirenen im Stadtgebiet losheulen, parallel dazu soll es auch Warnungen auf den Handy-Warnapps Nina und Katwarn geben.

Eine herkömmliche Sirene, aufgebaut bei der Mainzer Feuerwehr 2020. - Foto: gik
Eine herkömmliche Sirene, aufgebaut bei der Mainzer Feuerwehr 2020. – Foto: gik

Es war am 14. Juli, als das Ahrtal von einer Flutwelle von bis zu zehn Metern Höhe verwüstet wurde – doch die Warnung der Bevölkerung blieb in den meisten Teilen des Tals einfach aus. Ein Problem dabei: das flächendeckende Sirenennetz von einst gibt es schon längst nicht mehr, aus Kostengründen wurden in den vergangenen Jahrzehnten Sirenen abgebaut. In einer Katastrophenlage, in der Strom- und Handynetze ausfielen, war die Bevölkerung im Ahrtal so überhaupt nicht mehr zu erreichen, beinahe unbemerkt nahm die Katastrophe ihren Lauf.

„Warnen können wir nicht“, schrieb knapp eine Woche nach der Katastrophe der Mainzer Feuerwehrmann Michael Ehresmann ernüchtert auf seiner Facebookseite, und berichtete gegenüber Mainz&, wie veraltet Meldeketten sind, wie Leitstellen im Katastrophenfall nicht erreichbar sind, und dass es deutlich mehr Schulung und Bewusstsein für Katastrophenfälle in der Bevölkerung brauche. Ein Baustein dafür: der jährliche Sirenenalarm.

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Am heutigen Donnerstag ist es nun wieder so weit: Pünktlich um 11.00 Uhr soll eine Sirenanalarm im Stadtgebiet die Funktionstüchtigkeit der Sirenen testen, und die Bevölkerung für deren Signale schulen. Über die Dauer von jeweils einer Minute werde dann in Mainz das Signal „Warnung der Bevölkerung“ zu hören sein, teilte die Stadt Mainz mit, die Entwarnung soll um 11.20 Uhr erfolgen – auch das ist ein Sirenensignal. Während des Alarms werde auf der Homepage der Stadt Mainz zudem ein Notfallbanner eingeblendet, das nach der Entwarnung wieder entfernt werde. Zudem sollen in Mainz auch Notfallwarnungen über die Warnapps NINA und KATWARN abgesetzt werden.

Karte des Sirenennetzes in Mainz: Die bunten Flächen werden von Sirenen erreicht, die weißen nicht. - Foto: gik
Karte des Sirenennetzes in Mainz: Die bunten Flächen werden von Sirenen erreicht, die weißen nicht. – Foto: gik

Allerdings: Der Sirenenalarm wird nicht überall in Mainz zu hören sein, denn auch in der Landeshauptstadt weist das Sirenennetz große Lücken auf: Von einstmals 112 Sirenen im Stadtgebiet sind heute nur noch 55 übrig, große Teile von Bretzenheim, Gonsenheim, Hechtsheim sowie der Mainzer Oberstadt werden von Sirenenwarnungen deshalb überhaupt nicht mehr erreicht. Die höchste Sirenendichte gibt es aktuell noch in der Mainzer Neustadt, in Mainz-Mombach und auf der Ingelheimer Aue sowie auf dem Mainzer Unicampus, die Außenstadtteile Finthen, Drais und Lerchenberg besitzen hingegen gar keine Sirenen mehr und liegen weitab vom Sirenen-Schuss.

Das soll sich in Zukunft wieder ändern, wie Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) bereits 2020 angekündigt hatte – vor einem Jahr war der erste bundesweite Warntag seit Jahren kolossal schief gegangen: In Mainz heulten die Sirenen nur mit erheblicher Verspätung los, Warnapps warnten nicht – die einzige zuverlässige digitale „Sirene“ war ein Tweet des Satiremagazins Postillon, der pünktlich um 11.01 Uhr drei langgezogene „Wuuuuuuhs!“ twitterte. „Alle, die keine Sirene hören, bekommen das Warnsignal per Fax oder Post in den nächsten 14 Tagen zugestellt“, lästerte die Twittergemeinde damals, und eine Nutzerin schrieb Kopf schüttelnd: „Im Ernstfall wäre ich jetzt wohl tot“ – mit dem Wissen der Katastrophe im Ahrtal eine ausgesprochen bitter-zutreffende Warnung.

Innenminister Roger Lewentz (SPD) im September 2020 bei der Mainzer Feuerwehr. - Foto: gik
Innenminister Roger Lewentz (SPD) im September 2020 bei der Mainzer Feuerwehr. – Foto: gik

Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte schon 2020 bei der Ankündigung des bundesweiten Warntags betont, der Rückbau des Sirenennetzes sei „aus unserer heutigen Sicht ein kolossaler Fehler“ gewesen. Nur: Geschehen ist seither wenig. Zwar hat der Bund inzwischen ein 90 Millionen Euro schweres Förderprogramm aufgelegt, mit dem der Wiederausbau des flächendeckenden Sirenennetzwerkes gefördert wird, die entsprechende Vereinbarung mit dem Bund aber haben bislang erst sieben Bundesländer unterzeichnet – Rheinland-Pfalz ist nicht darunter. Der bundesweite Warntag, der eigentlich jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September stattfinden sollte, wurde für 2021 kurzerhand abgesagt: Die bundesweite Testlandschaft sei derzeit noch im Aufbau und werde erst im ersten Quartal 2022 zur Verfügung stehen, wie das Ärzteblatt berichtete.

In Mainz heißt es nun, beim Sirenenalarm am Donnerstag würden im Stadtteil Lerchenberg drei mobile Sirenen eingesetzt, dazu sollen erstmals auch neue elektronische Sirenen für den Ausbau des Sirenennetzes in den kommenden Jahren erprobt werden. „Die Landeshauptstadt Mainz verfolgt das erklärte Ziel weiter, künftig wieder verstärkt auf Sirenen eines neuen Typs zu setzen, welche erweiterte Fähigkeiten und größere Reichweiten aufweisen, und künftig auch Durchsagen ermöglichen“, teilte die Stadt weiter mit. Der Test einer elektronischen Sirene neuester Bauart finde am Donnerstag in Mainz-Drais statt.

Info& auf Mainz&: Mehr zum „Warntag ohne Warnung“ im Jahr 2020 könnt Ihr noch einmal hier auf Mainz& nachlesen, unseren Bericht über die schonungslose Analyse des Mainzer Feuerwehrexperten könnt Ihr hier bei Mainz& noch einmal nachlesen. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz mit vielen Informationen rund um Katastrophenwarnungen und Vorhersage für den Notfall findet Ihr hier im Internet.

 

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