Coronaviren können im Abwasser von Kläranlagen gut nachwiesen werden, mittels der Virenkonzentration im Klärbecken können sogar neue Pandemie-Wellen entdeckt und vorhergesagt werden – das bestätigte eine Forschungsprojekt, an dem ab Sommer 2021 auch die Kläranlage Mainz beteiligt war. Die im Mainzer Abwasser gemessenen Viren spiegelten den Pandemie-Verlauf offenbar genau wieder, auch die neue Welle im Herbst bildete sich frühzeitig ab. Konsequenzen daraus: keine. Die Messungen wurden Ende 2021 eingestellt, das Projekt nicht verlängert. Ein Frühwarnsystem wie etwa in Österreich gibt es weiter nicht.
Im Mai 2021 startete das Leipziger Helmholtz-Institut für Mikrobiologie der Umwelt gemeinsam mit der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) und der TU Dresden ein Langzeitprojekt an etwa 20 Kläranlagen bundesweit. Über einen Zeitraum von sieben Monaten sollten dabei Konzentrationen von Coronaviren im Abwasser großer Städte ermittelt und ausgewertet werden, unter den 20 Kläranlagen war auch Mainz. „Im Abwasser kann die Virenlast mit dem Sars-CoV2-Virus festgestellt werden, damit können wir einen Beitrag leisten zur Bekämpfung der Corona-Pandemie“, sagte die damalige rheinland-pfälzische Klimaschutzministerin Anne Spiegel (Grüne) bei ihrem Besuch der Kläranlage Mainz im Juni 2021 stolz. Man erhoffe sich, „ein Frühwarnsystem zu etablieren“, betonte die Ministerin, das könne auch nach dem Ende der Corona-Pandemie wichtige Rückschlüsse über Krankheiten in der Bevölkerung geben.
Das Verfahren wurde bereits seit Frühjahr 2020, dem ersten Corona-Lockdown, am Helmholtz-Institut entwickelt, mittels Messungen von Erbgut in den Abwasser-Proben könne man „die Viruslast quantifizieren“, berichtete Virologe René Kallies im Juni in Mainz. „Wir konnten zeigen, dass sich das Infektionsgeschehen quantitativ im Abwasser abbildet“, erklärte der Experte, auch Vorhersagen seien möglich: „Man kann auch sagen, inwieweit die Infektionen nach oben gehen werden oder nicht.“ Damit sei auch ein Frühwarnsystem über die Abwassermessungen möglich – in Österreich, der Schweiz und den Niederlanden werden solche Vorhersagesysteme bereits zur Pandemie-Steuerung eingesetzt.
Auch im Mainzer Umweltministerium zog man Ende 2021 eine ausgesprochen positive Bilanz des Forschungsprojektes, an dem in Rheinland-Pfalz die Kläranlagen Mainz und Trier beteiligt waren: „Die vorliegenden Ergebnisse spiegeln den Verlauf der Pandemie offensichtlich gut wieder“, sagte Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz im Dezember 2021 im Gesundheitsausschuss des Mainzer Landtags. Die CDU-Opposition hatte dort wissen wollen, wie denn die Ergebnisse seien, und ob die Ampel-Koalition das Projekt fortsetzen oder gar ausbauen wolle.
Zu Beginn der Messungen Ende Mai 2021 hätten zwar wegen der niedrigen Corona-Fallzahlen Virusreste zunächst nicht nachgewiesen werden können, so der Bericht des Staatssekretärs, das habe sich aber ab Juli 2021 mehr und mehr geändert. „Seitdem werden Virusreste auf beiden Kläranlagen in den wöchentlich stattfindenden Untersuchungen nachgewiesen“, heißt es weiter, seit Ende Juli mit „merklich steigender Tendenz.“ Der erneute Anstieg der Corona-Infektionen im Herbst bildete sich also offenbar deutlich im Abwasser von Mainz und Trier ab – Konsequenzen gab es daraus: keine.
Stattdessen heißt es: Die Messungen seien bis Ende Dezember 2021 erfolgt, zur Fortsetzung des Projektes gebe es „keine Planungen.“ Auf Anfrage von Mainz& teilte das Umweltministerium weiter mit: „Weil kein neuer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist, wird auf die Verlängerung verzichtet.“ Allerdings sei vorgesehen, dass sich Neustadt an der Weinstraße an einem EU-geförderten Pilotprojekt beteilige, in dem die Umsetzbarkeit des SARS-CoV-2 Monitorings im Abwasser und die Einbindung in die Pandemiebeurteilung getestet würden.
Die Weiterentwicklung des Warnsystems durch das Helmholtz-Zentrum stehe noch aus, sagte Manz im Ausschuss weiter, und betonte: „Die Entscheidung zu einem Ausbau von Messungen wäre von Seiten der Gesundheitsverwaltung zu treffen“. Das Klimaschutzministerium stehe da „weiterhin unterstützend zur Seite.“ Es sei völlig „unverständlich, warum hier seitens des Gesundheitsministeriums offensichtlich kein Interesse besteht“, kritisierte daraufhin CDU-Gesundheitsexperte Christoph Gensch.
Das Abwasser-Monitoring als Instrument zur Früh- und Entwarnung in Pandemien habe ja wohl „nachweislich großes Potenzial“, sagte Gensch, der selbst Arzt ist, und forderte: „Wir müssen alle Chancen nutzen, um das Pandemiegeschehen besser beobachten und steuern zu können.“ Das Projekt müsse weitergeführt und ausgebaut werden, forderte Gensch – gerade mit der anstehenden Omikron-Welle „können wir dadurch wertvolle Daten gewinnen.“ Das sieht man auch beim Helmholtz-Institut so: Das Erforschen der Dunkelziffer von Corona-Infektionen in der Bevölkerung sei „ein wichtiger Schlüsselparameter für die epidemiologische Bewertung einer Pandemie sowie die Prognose dafür, wie sie sich weiterentwickeln wird“, betonen die Forscher – auch die Dunkelziffer in der Bevölkerung könne so aufgehellt werden, und das unabhängig von Coronatests.
Info& auf Mainz&: Mehr zu dem Projekt Coronamessungen im Abwasser haben wir ausführlich hier bei Mainz& berichtet, weiterführende Infos findet Ihr hier beim Leipziger Helmholtz-Zentrum, wie ein Abwasser-Dashboard aussehen kann, könnt Ihr Euch hier am Beispiel von Österreich ansehen.