Die weltweite Coronavirus-Epidemie hat auch immer mehr Auswirkungen auf Wirtschaftsunternehmen, auch in Deutschland. Als erste reagierten Fluglinien und der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport, wegen des Coronavirus sind inzwischen Flüge der Lufthansa nach China, in den Iran und nun auch nach Israel gestrichen, erste Sparmaßnahmen wurden eingeleitet. Das Virus wird vor allem die Reise- und Tourismusbranche hart treffen, doch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Die anhaltende Coronavirus-Epidemie wirke sich immer mehr auf die Wirtschaft aus, warnte bereits Mitte Februar Arne Rössel von den rheinland-pfälzischen Industrie- und Handelskammern (IHKs). Gleich reihenweise wurden Großmessen in den vergangenen Tagen abgesagt – die Rheinland-Pfalz-Ausstellung Ende März soll aber Stand jetzt weiter stattfinden.
Am Donnerstag stieg die Zahl der bestätigten Infektionen mit dem neuen Coronavirus in Deutschland auf 400 – am Vortag waren es noch 262 gewesen. Vor allem in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen stieg die Zahle der Fälle an, in Rheinland-Pfalz sind es derzeit acht. In Mainz war am Mittwoch der erste Coronavirusfall bestätigt worden, bislang blieb es dabei.
In der Wirtschaft nehmen derweil die Sorgen wegen des Virus zu: „Die Ausbreitung des neuartigen Virus auch in Europa stellt uns vor ganz neue Herausforderungen“, hieß es am Donnerstag vom Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK). Schon jetzt seien die Folgen in China für das Wirtschaftsgeschehen erheblich – und wegen der globalen Wertschöpfungsketten habe das globale Auswirkungen. „Sollte sich die Situation bis April nicht deutlich entspannen, sehen wir signifikant dämpfende Effekte auf die hessische Wirtschaft zukommen“, heißt es beim HIHK. Dann würden die Lager für Zulieferteile vielfach aufgebraucht sein. Sollte die Ausbreitung des Virus nicht gestoppt werden können, drohten unterbrochene Produktionsketten, Produktionsausfälle, Lieferengpässe einzelner Produkte sowie Nachfrageausfälle im Einzelhandel und Tourismus. Die Auswirkungen auf die deutsche und hessische Konjunktur seien noch gar nicht absehbar.
Das trieb Mitte Februar auch die IHKs in Rheinland-Pfalz um: „Die Lieferketten in China sind schon in Mitleidenschaft gezogen“, berichtete Rössel. Die Reservepuffer vieler Unternehmen seien bald aufgebraucht, das könne auch die großen Containerschiffe mit den Ersatzteilen oder Gütern für Europa stoppen. Die Unternehmen in Hessen und Rheinland-Pfalz erwirtschaften zu 50 bis 60 Prozent ihre Umsätze im Ausland, dazu ergriffen auch jetzt in Deutschland viele Unternehmen Schutzmaßnahmen für ihre Mitarbeiter und sagten Dienstreisen ab.
Das wiederum hat bereits gravierende Auswirkungen auf Luftfahrtunternehmen: Die Lufthansa hatte bereits Ende Januar alle Flüge nach China gestoppt, in der Provinz Wuhan war das Coronavirus erstmals aufgetreten, in China sind bislang mehr als 80.000 Menschen damit infiziert. Inzwischen setzte die Lufthansa Group alle Flüge von Lufthansa, SWISS und Austrian Airlines zwischen Deutschland, der Schweiz sowie Österreich und dem chinesischen Festland bis einschließlich 24. April aus. Flüge nach Teheran bleiben sogar bis zum 30. April gestrichen – der Iran leidet unter einem besonders schweren Ausbruch der Virusepidemie. Die Lufthansa Group reduzierte zudem ihre Frequenzen von und nach Hongkong und ins koreanische Seoul und reduzierte ihre Flüge in die italienischen Regionen Lombardei und Venezien um bis zu 30 Prozent. Brussels Airlines beschloss gar, bis zum 14. März etwa 30 Prozent der Flüge nach Rom, Mailand, Venedig und Bologna zu streichen.
Auch auf innerdeutschen Kurzstrecken werde man die Flugkapazitäten ab dem 5. März um bis zu 25 Prozent reduzieren, teilte die Airline zudem mit – wegen des Coronovirus werden deutlich weniger Flugreisen gebucht als sonst. Die Streckenstreichungen und Frequenzanpassungen entsprächen rechnerisch einer Kapazität von 150 Flugzeugen, davon 125 Kurz- und Mittelstrecken- sowie 25 Langstreckenflugzeuge. Die Flotte der Lufthansa Group umfasst aktuell rund 770 Flugzeuge, darunter rund 180 Langstreckenflugzeuge.
Die Streichungen haben auch Auswirkungen auf den Konzern und seine Mitarbeiter: Man prüfe die Möglichkeit von Kurzarbeit in verschiedenen Bereichen, teilte die Fluglinie mit, geplante Neueinstellungen würden nochmals überprüft, ausgesetzt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Darüber hinaus biete Lufthansa ihren Mitarbeitern ab sofort unbezahlten Urlaub an, eine Ausweitung der tariflichen Teilzeitangebote sei in Prüfung. Sämtliche Lehrgänge der Airline wurden zunächst gestrichen.
Lufthansa ist damit nicht allein, auch der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport schnürte ein ganz ähnliches Sparpaket: Konkret würden derzeit alle größeren Kostenpositionen auf den Prüfstand gestellt, teilte das Unternehmen mit. Neueinstellungen seien nur noch in begründeten Ausnahmefällen möglich, den Beschäftigten werde angeboten, auf freiwilliger Basis unbezahlten Urlaub oder eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit in Anspruch zu nehmen, sofern dies mit den betrieblichen Anforderungen vereinbar sei. Die Ausbreitung des Coronavirus belaste die weltweite Luftfahrt derzeit stark, sagte Fraport-Chef Stefan Schulte, das Passagier- und Cargoaufkommen mit China und Asien insgesamt sei bereits „massiv eingebrochen.“ Das betreffe auch das Hubgeschäft am Flughafen Frankfurt in starkem Maße – und zwar alle Unternehmensbereiche vom Flugbetrieb über die Bodenverkehrsdienste, die Fracht und den Bereich Retail. Man müsse deshalb die Kostenbasis senken und den Personaleinsatz an den geringeren Bedarf anpassen.
Ein Ende der Entwicklung ist derweil nicht in Sicht: Nachdem Israel ab dem 6. März verschärfte Einreisebeschränkungen wegen der Virusepidemie auch für Reisende aus Deutschland verhängte, strich die Lufthansa am Donnerstag alle Flüge nach Israel – und das für die kommenden drei Wochen. Alle Flüge nach Tel Aviv und Eilat von Lufthansa, SWISS und Austrian Airlines würden ab dem Sonntag, 8. März 2020, für den verbleibenden Winterflugplan bis zum 28. März storniert, teilte die Airline mit. Man sehe sich dazu aus wirtschaftlichen und operativen Gründen gezwungen, da viele Passagiere nicht mehr zur Einreise berechtigt seien. Alle erwähnten Fluggesellschaften böten normalerweise zusammen täglich zehn Flüge nach Tel Aviv an, zusätzlich fliegt Lufthansa einmal wöchentlich nach Eilat.
Keine Auswirkungen hat das Coronavirus hingegen bisher auf die Rheinland-Pfalz-Ausstellung: Die große Verbrauchermesse in Mainz sei derzeit nicht gefährdet, teilte der Messeveranstalter RAM mit. „Als Regionalmesse haben wir nur sehr wenige internationale Aussteller, und unsere Besucher kommen alle aus der Region“, sagte RAM-Geschäftsführer Sebastian Kreuser. Gegenwärtig untersuche man, ob sich unter den wenigen ausländischen Teilnehmern solche aus Krisenregionen befänden. „Wenn dies der Fall ist, stornieren wir die Teilnahme“, betonte Kreuser, man beobachte die Entwicklung zudem aufmerksam. Der Countdown für die größte Verbrauchermesse des Bundeslandes und des Rhein-Main-Gebietes laufe unverändert weiter, am 28. März soll die Rheinland-Pfalz-Ausstellung eröffnet werden.
Die rheinland-pfälzische CDU fordert unterdessen von der Landesregierung ein „vorsorgendes Notfall-Management“ für die Unternehmen in Rheinland-Pfalz. „Schon jetzt zeigen sich Anzeichen für eine problematische Entwicklung, die für viele Betriebe zu einer echten Existenzgefährdung werden kann“, sagte der rheinland-pfälzische CDUI-Fraktionschef Christian Baldauf. Das betreffe wegen der nachlassenden Reisetätigkeit insbesondere die Tourismuswirtschaft und das Gastgewerbe, aber auch weite Teile des produzierenden Gewerbes seien tangiert.
Die rot-gelb-grüne Landesregierung müsse deshalb jetzt kurzfristig einen interministeriellen Arbeitsstab bilden, der eine fortlaufende Lageanalyse mit Projektionen und Szenarien erstelle und, darauf aufbauend, mögliche Hilfsmaßnahmen entwickele, forderte Baldauf: „Wir brauchen ein Notfall-Management, das Maßnahmen des Bundes zur Abfederung möglicher konjunkturelle Einbrüche von Landesseite aus flankiert.“ Gerade weil die Auswirkungen der Corona-Epidemie nur schwer abschätzbar seien, sei es „umso dringlicher, mögliche Szenarien auf Basis aktualisierter Lagebilder durchzuspielen“, betonte Baldauf. Betroffene Betriebe und Arbeitnehmer dürften nicht alleine gelassen werden.
Info& auf Mainz&: Mehr zum ersten Coronavirus-Fall in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&. Informationen zum Coronavirus sowie zu Vorsorgemaßnahmen findet Ihr hier beim Gesundheitsmisterium in Mainz und hier beim Robert-Koch-Institut.