Mainz und der Rheingau, das gehörte Jahrhundertelang zusammen, der Wein der Erzbischöfe, er kam aus dem Weinanbaugebiet auf der anderen Rheinseite. Das war auch um das Jahr 1500 so, damals war die Region eine der reichsten in Deutschland. Symbol dafür war das Große Fass von Kloster Eberbach – ein Riesenfass von neun Metern Länge, das stolze 70.000 Liter fasste. Die Front des Fasses entsteht gerade im Mainzer Dommuseum neu – als Eingangstor zur neuen Ausstellung „Schrei nach Gerechtigkeit“, die am 5. September öffnet.

Museumsdirektor Wilhelmy im Großen Fass - Foto gik
Eingang durchs große Fass: Museumsdirektor Wilhelmy in der Fass-Fassade Foto: gik

Prestigestück und Hassobjekt – das große Fass stand für die Konzentration von Geld und Marktmacht in den Händen weniger, Symbol für eine prosperierende Wirtschaftsmacht. Klingt ungeheuer modern? War es auch, sagt Winfried Wilhelmy, Direktor des Dommuseums: „Es war wie heute.“ Reiche, die immer reicher wurden, Monopolbetriebe, die die kleineren verdrängten und so Armut verursachten.

Mit der Ausstellung „Schrei nach Gerechtigkeit“ will Wilhelmy die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in unserer Region am Vorabend der umwälzenden Entwicklungen, ausgelöst durch den Reformator Martin Luther, zeichnen. Luther übrigens schlug seine Thesen zur Reform der Kirche im Jahr 1517 an die Wittenberger Kirchentür, 2017 wird die Kirche das groß feiern. Die Ausstellungen jetzt werfen schon einmmal ein Schlaglicht auf die Lebensverhältnisse damals – und decken das Bild einer Zeit auf, die der unseren in vielen Dingen ähnlich ist.

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Auch damals gab es „soziale Spannungen, wachsenden Wettbewerb und Globalisierung“, sagt Wilhelmy: Viel Geld war in den Händen weniger konzentriert – des Adels, des Klerus und der Klöster. „Es war die schmucke Pfauenfeder auf der einen und tiefe Armut auf der anderen Seite“, sagt Wilhelmy. Aus diesem Spannungsfeld wuchsen die Bauernkriege, aber auch das Bedürfnis nach Reformation der kirchlichen Institutionen. „Die Stimmung heizte sich immer weiter auf“, berichtet Wilhelmy.

Das Jahr 1500 markiert aus unserer Sicht heute eine Zeitenwende. Das Mittelalter machte zunehmend Platz für ein aufgeklärteres Denken, mit Luther und seinem Thesenanschlag zu Wittenberg begann eine neue Zeit mit großen Umwälzungen, aber auch Kriegen: den Religionskriegen, aber auch den Bauernkriegen. Die Unfreien im Lande begehrten auf gegen Adel und Klerus und für Freiheit und Gerechtigkeit.

Mainz und der Rheingau waren um das Jahr 1500 herum eine der stärksten Wirtschaftsregionen des Deutschen Reichs. Man war frei, nicht nur in der Stadt Mainz, sondern auch im Rheingau, genoss gelockerte Privilegien wie kleines Jagdrecht und freien Handel. „Die Leute konnten auf eigene Rechnung wirtschaften, das hat die Region reich gemacht“, sagt Wilhelmy.

Kloster Eberbach - Das große Fass - Historisches Foto
Das Riesenfass auf einem historischen Foto – Foto: Dommuseum

In dieser Situation ließen die Mönche von Kloster Eberbach 1485 ein Riesenfass bauen: 8,40 Meter lang, 2,70 Meter hoch, 3,56 Meter im Durchmesser. Gut 70.000 Liter Wein fasste das von 14 Reifen umklammerte Eichenrund, es war damals das größte Fass der Welt. „Ist nicht auch Eberbachs Faß den Wundern der Alten vergleichbar? Denn ein größ‘res besitzt / unser Planet nimmermehr“, schwärmte etwa der Humanisten und Dichter Vincentius Opsopoeus.

„Das Fass war ein Statement der Wirtschaftskraft und Überlegenheit“, sagt Wilhelmy, denn Kloster Eberbach hatte damals das Monopol für den Weinhandel. Wurden die 70.000 Liter Wein – „bester Qualität!“ – auf den Markt geworfen, dann dominierten sie den Preis, und senkten ihn gewaltig. Das aber war den kleinen Winzern im Rheingau ein Dorn im Auge. „Das Fass war ein Hasssymbol“, erklärt Wilhelmy, nicht umsonst sei es in den Bauernkriegen des Jahres 1525 geschändet worden.

Die Legende besagt, das Fass sei ausgetrunken worden, doch das, meint Wilhelmy, sei unwahrscheinlich. Angegriffen aber wurde es – als Symbol für die gigantische Wirtschaftskraft des Klosters. „Kloster Eberbach rodete Ende des 15. Jahrhunderts immer mehr Flächen für den Weinbau und entzog sie so der Allgemeinheit“ berichtet Wilhelmy. Das habe die Winzer erbost.

Kloster Eberbach Mitte
Reiches, mächtiges Kloster Eberbach – Foto: gik

Dazu kam die marktbeherrschende Stellung Eberbachs in Sachen Weinhandel: Es war eine Zeit, in der sich der Horizont weitete, man war mobiler, der Handel reichte weiter. „Wir würden das heute Globalisierung nennen“, sagt Wilhelmy, „damals war es ein Deutschland weiter Konkurrenzdruck.“ Das Fass von Kloster Eberbach wurde so zum Symbol für einen Reichtum, der auf der anderen Seite zu Verdrängung und Armut führt. „Die Eberbacher Mönche haben sich damit keinen Gefallen getan“, sagt Wilhelmi.

Begonnen wurde der Bau des Riesenfasses 1485 von Abt Johannes, genannt Bode von Boppard. Im Jubeljahr 1500 wurde der erste Wein eingefüllt, und zwar wohl aus allen Rebsorten zusammen. Die erste Weinlieferung daraus ging nach Köln, weitere Füllungen sind für 1503 und 1506 überliefert.

„Wein war damals ein Alltagsgetränk“, weiß Wilhelmy, Wasser war verpönt und oft nicht sauber. Wein hingegen galt als gesund und desinfizierend, als erhebend und labend. Doch gegen Mitte des 16. Jahrhunderts ging es mit dem Weinbau bergab, es begann die „kleine Eiszeit“, eine strenge Kälteperiode in Mitteleuropa, die Ernten verdarb und zu Hungersnöten führte. Auch mit dem Weinbau ging es bergab – 1534 wurden nur noch 10.000 Liter in das Große Fass gefüllt.

1543 wurde das Fass gar zerschlagen, es war nun unwirtschaftlich geworden: zu groß, zu unpraktisch. Seine nur 60 Jahre währende Lebenszeit aber stehen für eine der großen Wirtschaftserfolgszeiten in der Geschichte des Reiches. Seine Größe können die Besucher nun im Dommuseum nachempfinden: Die nachgebaute Front des Fasses dient als Eingangstor zur Ausstellung im Obergeschoss.

Info& auf Mainz&: Die Ausstellung „Schrei nach Gerechtigkeit – Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation“ ist ab dem 5. September im Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum zu sehen. Mehr dazu findet Ihr hier.

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