In der Debatte um einen neuen Mainzer Stadtteil zwischen Hechtsheim und Ebersheim äußert sich die Oberbürgermeister-Kandidatin der Grünen, Tabea Rößner, nun skeptisch: Frischluftschneisen dürften „nicht immer weiter zugebaut werden, sonst bleibt der Stadt irgendwann die Luft weg“, sagte Rößner, neuer Wohnraum müsse „behutsam“ entwickelt werden. Mainz dürfe nicht „in den Schwitzkasten genommen werden“, warnte sie. Mehr als ein neuer Stadtteil würde den Mietern in Mainz eine wirksame Mietpreisbremse helfen, sagte Rößner, gemeinschaftliches Wohnen müsse stärker gefördert, nicht genutzter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Derweil wächst die Kritik an der Idee: Der Bereich an der Rheinhessenstraße würde direkt in einem Wasserschutzgebiet liegen – und in einer wichtigen Frischluftschneise für Mainz. Auch in Teilen der SPD ist man dagegen.

Die Rheinhessenstraße zwischen Ebersheim und Hechtsheim. - Foto: gik
Die Rheinhessenstraße zwischen Ebersheim und Hechtsheim führt entlang eines Wasserschutzgebietes und im Tal einer wichtigen Kaltluftschneise für Mainz. – Foto: gik

Der amtierende Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hatte überraschend bei der offiziellen Ankündigung seiner Kandidatur zur Wiederwahl verkündet, er wolle in einer zweiten Amtszeit einen neuen Stadtteil für Mainz entwickeln – und zwar an der Rheinhessenstraße zwischen Hechtsheim und Ebersheim auf der linken Seite. Bis zu diesem Zeitpunkt war die SPD strikt gegen einen neuen Stadtteil gewesen, noch im März sprach sich etwa die Hechtsheimer SPD ausdrücklich gegen einen neuen Stadtteil südlich von Hechtsheim aus.

„Ein solches Viertel ist in unserer ohnehin stark belasteten Region völlig fehl am Platze“, sagten die inzwischen zur Ortsvorsteherin gewählte Tatiana Herda Muñoz und Klaus Euteneuer. Die Verkehrsbelastung würde noch einmal deutlich zunehmen, eine für die Naherholung wichtige Landschaft würde weiter zerstört – man erwarte von der Hechtsheimer CDU „ein eindeutiges Bekenntnis gegen mehr Verkehr und gegen Landschaftsverbrauch.“

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Die Idee war vor zwei Jahren von der CDU geboren worden, die allerdings einen Stadtteil auf der Anhöhe oberhalb von Bodenheim vorgeschlagen hatte – auf einem landwirtschaftlich genutzten Areal oberhalb des Kesseltals. Nun schlug Ebling überraschend einen neuen Stadtteil direkt an der Rheinhessenstraße vor – der aber würde direkt in einem Wasserschutzgebiet und in einer wichtigen Frischluftschneise liegen. Die Stadt Mainz liegt mit dem Hauptteil ihres Stadtgebietes ist einer Senke zwischen Anhöhen, die Stadtteile und vor allem die Innenstadt werden durch sieben Frischluftschneisen mit kühler Luft aus dem Umland versorgt.

Die Kaltluftschneisen für die Mainzer Innenstadt: durch sechs Täler fließt frische Luft nach Mainz. - Karte: Stadt Mainz, Foto: gik
Die Kaltluftschneisen für die Mainzer Innenstadt: durch sechs Täler fließt frische Luft nach Mainz. – Karte: Stadt Mainz, Foto: gik

Sieben regionale Kaltlufteinzugsgebiete definiert der Landschaftsplan der Stadt Mainz, die über sechs Täler Kaltluft in die Stadt schleusen. Im Norden verlaufen die Schneisen von Finthen aus durch das Gonsbachtal und das Kisseltal, im Westen durch das Königsborntal und das Aubachtal, vor allem aber durch das Tiefental aus der Draiser Senke in Richtung Stadt. Im Südwesten versorgt die Marienborner Senke durch das Wildgrabental die Innenstadt mit kühler Luft, im Süden und Südwesten verlaufen die Schneisen entlang des Langgewanns und eben durch das Kesseltal. Die größten Kaltluftabflussmengen werden dabei im Aubachtal, im Kesseltal, in der Draiser Senke und im Wildgraben erreicht, heißt es im Landschaftsplan explizit.

Gelände des ehemaligen Autohauses Sommer (rechts) in Mainz Zahlbach. - Foto: gik
Gelände des ehemaligen Autohauses Sommer (rechts) in Mainz Zahlbach – von hier bis zur Psychiatrie sollen nach dem Willen eines Investors vier bis fünf große Blocks mit Wohnungen entstehen. – Foto: gik

Doch diese so wichtigen Frischluftschneisen für Mainz werden zunehmend von Neubauten zubetoniert. So wurde die neue Opel-Arena für Mainz 05 mitten in das Kaltluftbecken der Draiser Senke gebaut, ein wahrer Sündenfall in Sachen Frischluft, vor dem Umweltschützer damals warnten – vergeblich. Auch das Wildgrabental, das von Marienborn zur Pariser Straße und von dieser durch Zahlbach zum Hauptfriedhof führt, wird zunehmend nachverdichtet: Am früheren Hildegardis-Krankenhaus entstehen zahlreiche Neubauten, am früheren Autohaus Müller in Zahlbach planen Investoren vier bis fünf große Neubaukomplexe – genau in der Frischluftschneise.

Ideen und Planungen für Neubauprojekte müssten „hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Stadtklima zusammen betrachtet werden“, warnte deshalb die Grünen-OB-Kandidatin Rössner nun, und hatte dabei neben Hechtsheim auch die Pläne für einen neuen Stadtteil in Wiesbaden Nähe Fort Bieler im Blick – auch dort verläuft eine für die Mainzer Neustadt wichtige Frischluftschneise. Die Schneisen und Grünflächen seien „Lunge und Atemwege von Mainz, die nicht weiter zerstört werden dürfen“, kritisierte Rößner.

Idee der Mainzer CDU für einen Stadtteil Rheinhöhe zwischen Hechtsheim und Bodenheim. - Foto: gik
Idee der Mainzer CDU für einen Stadtteil „Rheinhöhe“ zwischen Hechtsheim und Bodenheim. – Foto: gik

Neubauprojekte verursachten mehr Verkehr und damit mehr Feinstaub, CO2 und Stickoxide. Deshalb sei es „irritierend, wenn Ebling einerseits Fahrverbote in der Innenstadt verhindern will, nun aber mit seinen städtebaulichen Ideen womöglich dafür sorgt, dass sie doch kommen“, sagte Rößner. Zu einem Stadtteil auf der Anhöhe oberhalb von Bodenheim äußerte sie sich allerdings nicht.

Die Idee eines neuen Stadtteils sollte nach der Vorstellung der CDU allerdings helfen, die Preise für Mieten und Immobilien in Mainz zu senken: Eine große neue Fläche könne den Markt entspannen helfen, argumentiert die CDU, das habe einst auch mit dem Mainzer Lerchenberg funktioniert. Auch Frankfurt und Wiesbaden planen genau deshalb neue Stadtteile auf der grünen Wiese, um der explodierenden Nachfrage etwas entgegen zu setzen.

Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (Grüne). - Foto: gik
Die OB-Kandidatin der Mainzer Grünen, Tabea Rößner, ist tendenziell eher gegen einen neuen Stadtteil für Mainz. – Foto: gik

Rößner hingegen betonte, neuer Wohnraum müsse „behutsam entwickelt“ werden, sinnvoller seien die Konversion bereits erschlossene Flächen wie der GFZ-Kaserne. Statt immer mehr Flächen zu versiegeln, solle stärker auf das Aufstocken von Gebäuden gesetzt werden. „In Ballungsräumen wird die Nachfrage nach Wohnraum das Angebot immer übersteigen“, sagte Rößner weiter, „entsprechend hoch bleibt der Druck auf dem Mietmarkt mit ständig steigenden Mieten.“ Sinnvoller sei, gemeinschaftliches Wohnen stärker zu fördern und darum werben, dass nicht genutzter Wohnraum zur Verfügung gestellt werde.

„Noch mehr als ein neuer Stadtteil würde den Mietern in Mainz aber vor allem eine wirksame Mietpreisbremse helfen“, betonte Rößner, das müsse allerdings die Große Koalition in Berlin realisieren. Bauen allein löse die soziale Frage nicht. Ganz ausschließen wollte die Bundestagsabgeordnete einen neuen Stadtteil aber auch nicht: „Wir müssen uns im Dialog mit den Bürgern über neue Baugebiete verständigen“, sagte Rößner, die müssten aber ganzheitlich geplant werden, Infrastruktur inklusive.

Info& auf Mainz&: Die Ideen für einen neuen Stadtteil zwischen Ebling und der CDU haben wir hier einmal verglichen, die Ausgangsidee zum Stadtteil „Rheinhöhe“ erklären wir Euch hier. Mehr zu Rößners Vorstellungen für mehr Wohnraum in Mainz findet Ihr in diesem Mainz&-Artikel.

 

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