Sie machte es kurz: „Ja, ich will“, verkündete Tabea Rößner, und bestätigte damit, was seit Wochen als Gerücht durch Mainz wehte: Die 52 Jahre alte Mainzer Bundestagsabgeordnete geht als Oberbürgermeisterkandidatin für die Mainzer Grünen ins Rennen. Sie wolle neue Impulse für moderne Mobilität, eine soziale Stadt, für Familien, Klimaschutz und ein lebenswertes Mainz setzen, sagte Rößner bei der Verkündung ihrer Kandidatur. Die 52 Jahre alte gelernte Journalistin wäre die erste Frau an der Spitze der Landeshauptstadt. Nach 70 Jahren SPD-Regierung sei es Zeit, „dass an der Spitze frischer Wind durchs Rathaus zieht“, betonte Rößner.

Die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner tritt als OB-Kandidatin in Mainz an. – Foto: gik

Mainz wählt am 27. Oktober einen neuen Oberbürgermeister, seit 1949 hatte stets ein Vertreter der SPD den Amtssessel im Rathaus inne. Auch der aktuelle Amtsinhaber Michael Ebling (SPD) stellt sich im Herbst zur Wiederwahl, mit dem parteilosen CDU-Kandidaten Nino Haase sind es nun insgesamt drei Persönlichkeiten, die sich um den Chefsessel im Mainzer Rathaus bewerben. Mit der gelernten Journalistin Rößner haben die Grünen exzellente Karten bei der OB-Wahl: Bei der Kommunalwahl am 26. Mai wurden sie mit 27,7 Prozent stärkster Kraft im Mainzer Stadtrat, während die SPD mit 20,2 Prozent nur nur noch drittstärkste Kraft wurde, noch hinter der CDU.

Die 52 Jahre alte gelernte Journalistin ist in Mainz alles andere als unbekannt: Seit 1999 engagiert sie sich in der Mainzer Kommunalpolitik, saß von 2004 bis 2012 im Mainzer Stadtrat. Bekannt wurde sie vor allem durch ihr Engagement gegen den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks auf der Ingelheimer Aue bei Mainz: Mit fundierter Oppositionspolitik und im engen Schulterschluss mit einer Bürgerinitiative schaffte sie es, einen Sinneswandel in Mainz weg von den Kraftwerksplänen zu erzeugen. Als die Grünen bei der darauf folgenden Kommunalwahl 2009 auf sensationelle 21,9 Prozent kamen, machten sie das Aus des Kohlekraftwerks zur Bedingung für die Koalition mit der SPD und bestimmen seither gemeinsam mit SPD und FDP die Politik in Mainz.

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Wahlplakat von Tabea Rößner im Bundestagswahlkampf 2017. - Foto: gik
Wahlplakat von Tabea Rößner im Bundestagswahlkampf 2017. – Foto: gik

Rößner selbst trat schon 1986 den Grünen bei, die Tochter eines Pfarrers stammt aus Sassenberg im Münsterland und war das vierte von sechs Kindern. Am Mittagstisch wird über Politik geredet, Rößner selbst wird in der Friedensbewegung aktiv und bei Amnesty International. 1981 fährt sie auf eigene Faust zur großen Friedensdemo nach Bonn. In Köln und Frankfurt studierte sie Musikwissenschaften, Kunstgeschichte und Filmwissenschaften und gründete dort die Grüne Hochschulgruppe mit, aus der später die Grüne Jugend hervorgeht. In Mainz absolvierte sie danach den Aufbaustudiengang Journalismus und arbeitete als Fernsehredakteurin, zuletzt als Chefin vom Dienst bei der Kindernachrichtensendung „logo“.

Seit 2009 sitzt Rößner für die Grünen im Bundestag, die medienpolitische Sprecherin machte unter anderem mit der Normenkontrollklage in der Causa Brender vor dem Bundesverfassungsgericht von sich reden – in der Folge wurde der Einfluss der Politik im ZDF-Fernsehrat stark begrenzt. Zudem streitet Rössner gegen Bahnlärm und Fluglärm, 2016 wurde sie nach der Landtagswahl für das Amt der Integrationsministerin gehandelt – Rößner verzichtete zugunsten von Anne Spiegel.

Kampf gegen Fluglärm: Tabea Rößner war von Anfang an bei den Anti-Fluglärm-Demonstrationen am Frankfurter Flughafen dabei. – Foto: Rößner

Auch Niederlagen kennt sie: Von 2001 bis 2006 war Rößner Landeschefin der rheinland-pfälzischen Grünen und verantwortete damit auch das Ausscheiden der Grünen aus dem Landtag 2006 mit. Zwei Töchter hat sie aus ersten Beziehungen und einer ersten Ehe, ihren heutigen Mann – den Medienrechtler und Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität  Köln, Karl-Eberhard Hain – lernte sie beim Normenkontrollverfahren in Sachen ZDF kennen.

Der Entschluss zur Kandidatur sei „seit Monaten in mir gereift“, sagte die 52-Jährige. Sie habe mit vielen Menschen über Mainz geredet und gerade bei jungen, hochpolitischen Menschen die Frage gefunden: „Baut die Politik eigentlich Zukunft oder verbaut sie Zukunft?“ Mainz sei eine sehr lebenswerte und liebenswerte Stadt, doch gleichzeitig wachse die Stadt rasant, und das schaffe neue Probleme mit Klima, Verkehr und im Miteinander. „Für mich geht es im höchsten Amt darum, Perspektiven zu eröffnen“, betonte Rößner, es gehe nicht darum, „den Mangel zu verwalten, sondern Zukunft zu gestalten.“ Die Politik in Mainz müsse wieder aktiv gestaltet werden und brauche „Visionen und gutes politisches Handwerk“.

„Ich will neue Impulse setzen“, betonte Rößner, das gelte vor allem für die Themen moderne Mobilität, eine soziale Stadt, für Familien, Klimaschutz und ein lebenswertes Mainz. Die Stadt wachse und verändere sich rasant, Mainz brauche deshalb deutlich mehr bezahlbaren Wohnraum. Rößner kündigte an, sie wolle eine Quote von mindestens 30 Prozent für geförderten Wohnraum bei Neubauprojekten, eine Stabsstelle Mieterschutz einrichten und in Sachen alternative Wohnformen eine Beratungsstelle schaffen. Bei der Schaffung von Wohnraum gebe es zudem große Potenziale beim Ausbau von Dachgeschossen.

Eine Woche plastikfrei leben - mit solchen Aktionen trat Rößner zuletzt dezidiert für grüne Umweltthemen ein. - Foto: gik
Eine Woche plastikfrei leben – mit solchen Aktionen trat Rößner zuletzt dezidiert für grüne Umweltthemen ein. – Foto: gik

„Ich wundere mich ja immer, wenn etwas gebaut wird, und anschließend schlechter ist“, sagte Rößner, und nannte als Beispiel explizit die Bebauung am Binger Schlag mit dem engen Rad- und Fußweg. „So etwas darf nicht passieren“, betonte sie, die Stadt brauche bessere Bauplanung und eine engere Verzahnung in der Zusammenarbeit zwischen den Dezernaten. „Mir haben viele Bürger gesagt, Mainz gibt seine besten Flächen her ohne eine Konzept, wie wir leben wollen“, sagte Rößner – das wolle sie ändern.

In Sachen Verkehr brauche es „mehr Mobilität für die Menschen, aber weniger Verkehr in die Stadt“, sagte Rößner weiter. Mainz solle Fahrradstadt werden und Smart Green City, der Öffentliche Nahverkehr müsse ausgebaut werden. Zum Thema einer neuen Rheinbrücke wollte Rößner hingegen nicht konkret werden: „Ich finde es schwierig, etwas zu versprechen, was man umsetzen kann“, sagte sie auf nachfrage, bislang habe sie „noch kein überzeugendes Konzept für eine Brücke gesehen.“ Sinnvoller sei doch ein Ausbau des ÖPNV auch über die Brücken hinweg.

Weiteres Schwerpunktthema: Kunst und Kultur. „Die Kunstszene in Mainz hat sich seit den 1970er Jahren nicht wirklich weiter entwickelt“, sagte Rößner, „wir brauchen eine kritische Bestandsaufnahme der Kunst im öffentlichen Raum.“ Sie wolle die Einrichtung eines Stadtbeirates oder städtischen Kurators prüfen, der sich intensiv mit dem öffentlichen Raum auseinander setzen und die Umsetzung von Kunst in der Stadt begleiten solle.

Tabea Rößner und Ehemann Kalle Hain, Professor für Medienrecht. - Foto: gik
Tabea Rößner und Ehemann Kalle Hain, Professor für Medienrecht an der Universität Köln. – Foto: gik

Auch das Thema Digitalisierung soll eine große Rolle spielen, dem Gutenberg Digital Hub wolle sie richtigen Schwung verleihen, für den Ausbau des schnellen Internets sorgen. Zudem brauche Mainz noch mehr Kitas, und die sollen auch qualitativ gestärkt werden: „Ich möchte erreichen, dass unsere Kitas zunehmend nachhaltig und gesunde, leckere Mahlzeiten anbieten können“, sagte Rößner. Dafür wolle sie einen Ernährungsrat in der Stadt einrichten. Im Mainzer Stadtrat hatten die Grünen im Herbst 2018 allerdings noch eine Verpflichtung auf Einrichtung von Frischeküchen in den Mainzer Kitas abgelehnt, den die Linke gefordert hatte – stattdessen vereinbarte man lediglich die Einrichtung einer Arbeitsgruppe.

Rößner betonte, sie wolle aber vor allem auch einen neuen Politikstil, der auf Transparenz und das Einbeziehen der Bürger setze: Einen Stil, der nicht ausgrenze und nicht über die Bürger hinweg regiere, sondern „der Entscheidungen herbei führt und nicht aussitzt, der nicht nur verspricht, sondern auch liefert.“ Sie lade deshalb alle Mainzer ein, sie persönlich kennen zu lernen und über Ideen für die Stadt zu sprechen.

Für Spekulationen hatte allerdings die Verzögerung bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur gesorgt, von einem Machtkampf mit Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne), die ebenfalls antreten wolle, war die Rede. Eder wies das am Freitag entschieden zurück: „Einen Machtkampf gab es zu keinem Zeitpunkt“, betonte sie. „Natürlich“ sei sie bei der Kandidatensuche „auch angesprochen worden“, aber ganz schnell zur Überzeugung gekommen, dass dies nicht die richtige Zeit für sie sei – Eder ist vor neun Monaten Mutter von Zwillingen geworden. „Deshalb war mir von Anfang an klar, dass sie die Richtige ist“, sagte Eder: „Es kann für die Grünen momentan nur Tabea sein.“

Die so Gelobte betonte, zwar habe sie einen „tollen Job“ im Bundestag, auch könne durchaus die Lage eintreten, dass die Große Koalition in Mainz breche und noch in diesem Jahr Neuwahlen anstünden. Dass sie trotzdem ihre Kandidatur für den OB-Posten ankündige, „zeigt, wie ernst ich es meine“, sagte Rößner: „Mainz liegt mir am Herzen, mein Anliegen ist es, Oberbürgermeisterin für alle Mainzer zu sein – ich spiele nicht auf Platz, sondern auf Sieg.“

Info& auf Mainz&: Dieser Text wird fortlaufend mit weiteren Details ergänzt, wir wollten Euch aber so schnell wie möglich schon einmal informieren. Schaut also noch mal vorbei – es gab noch weitere Themen und Aussagen, die wir Euch noch nachliefern. Mehr zur OB-Wahl in Mainz und den Voraussetzungen lest Ihr auch hier bei Mainz&: Wahlergebnis macht OB-Wahl spannend. Zur OB-Wahl 2019 haben wir Übrigens eine eigene Kategorie auf Mainz& erstellt: Unter „OB-Wahl Mainz 2019“ findet Ihr alle Berichte zu allen OB-Kandidaten, Porträts, Programme und viele Zusatznachrichten.

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