Alle Jahre kurz vor dem Jahreswechsel fordert die Deutsche Umwelthilfe (DUH) ein Verbot von Silvesterfeuerwerk, in diesem Jahr geht der Umweltverband noch einen Schritt weiter: Die DUH beantragte beim Bundesinnenministerium und beim Bundesgesundheitsministerium ein formelles Verbot für Verkauf und Nutzung von Feuerwerk. Die Niederlande hätten sich aktuell zu diesem Schritt entschlossen, um Kliniken und medizinisches Personal zum Jahreswechsel nicht zusätzlich zu belasten, argumentiert die DUH: Jedes Jahr würden Tausende durch Böller verletzt, dazu sei saubere Luft gerade in der Corona-Pandemie besonders wichtig. Die Reaktionen fallen sehr gemischt aus – doch einzelne Städte haben bereits Verbote erlassen. In Frankfurt denkt man aktuell über ein Böllerverbot nach – um große Menschenmengen zu vermeiden.

Privates Silvesterfeuerwerk zum Jahreswechsel 2015 in Mainz. - Foto: gik
Privates Silvesterfeuerwerk zum Jahreswechsel 2015 in Mainz. – Foto: gik

Bereits im Oktober 2019 hatte die DUH auch die Stadt Mainz aufgefordert, private Böllerei in der Mainzer Innenstadt zu untersagen. Statt der privaten Böllerei könnten die Städte zentrale Feuerwerksfeiern oder eine professionelle Pyro-Show ausrichten, die seien nämlich nicht nur sicherer, sagt die DUH, sie belasteten auch die Umwelt weniger. Der Umweltverband macht seit Jahren Druck gegen die privaten Silvesterfeuerwerke, Grund ist die enorm schlechte Luft, die durch die privaten Böller verursacht wird.

4.500 bis 5.000 Tonnen Feinstaub werden laut Umweltbundesamt jedes Jahr rund um den Jahreswechsel um Mitternacht freigesetzt – das entspricht in etwa 15,5 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge. Mehr als 1000 Mikrogramm werden so jedes Jahr in der Neujahrsnacht erreicht – zum Vergleich: der Tagesmittelwert für Feinstaub liegt bei 50 Mikrogramm. Die Werte waren in den vergangenen Jahren gerade auch in Mainz immer wieder auf Rekordhöhen geklettert, dazu stellt die rauchig-giftige Luft ein großes Problem für Menschen mit Atemwegsproblemen und Allergien dar. Aber auch Hunde, Katzen und andere Haustiere leiden unter der Böllerei, ebenso wie Wildtiere und Vögel, auch andere Umweltverbände fordern deshalb seit Jahren ein Verbot.

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Die Deutsche Umwelthilfe beantragte nun in diesem Jahr ganz offiziell beim Bund ein Verbot von Verkauf und Nutzung von Feuerwerk, das könne über eine einfache Änderung der Sprengstoffverordnung erfolgen, so der Verband. Und in diesem Jahr argumentiert die DUH auch mit der Coronakrise: Deutschland müsse dem Vorbild der Niederlande folgen, die sich aktuell zu einem Verbot entschlossen hätten, um Kliniken und medizinisches Personal zum Jahreswechsel nicht zusätzlich zu belasten. „Auch in Deutschland warnen Ärzte vor weiteren Belastungen der Krankenhäuser und des medizinischen Fachpersonals“, betonte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.

Gefahr durch Böllerei: Jedes Jahr werden an Silvester Tausende durch Feuerwerk verletzt. - Foto: gik
Gefahr durch Böllerei: Jedes Jahr werden an Silvester Tausende durch Feuerwerk verletzt. – Foto: gik

Jedes Jahr würden Tausende oft junger Menschen durch Böller verletzt, ein verhältnismäßig großer Teil davon müsse im Krankenhaus behandelt werden, betont Resch weiter. Die Corona-Pandemie bringe die Krankenhäuser aber schon jetzt an die Belastungsgrenze.  Zudem gelte in diesem Jahr ganz besonders, jede zusätzliche Luftbelastung durch Böller und Raketen zu vermeiden: „Die saubere Luft muss ein absolut primäres Ziel sein, denn immer deutlicher sehen wir den Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastungen und schweren Krankheitsverläufen von Covid-19“, sagte Resch. Erste Studien vermuten, dass schlechte Luft das Risiko bei einer Covid-19-Erkrankunug erhöhen könnte, bewiesen ist der Zusammenhang aber noch nicht.

„Die Mehrheit der Bevölkerung ist laut Umfragen für ein Ende der privaten Böllerei, wann, wenn nicht jetzt, ist die Gelegenheit, das endlich einheitlich und umfassend umzusetzen“, fragte Resch. Tatsächlich ergaben Umfragen in den vergangenen Jahren, dass knapp 60 Prozent der Deutschen Schwarzpulver-freie Silvesterfeuerwerke in dicht besiedelten Innenstädten befürworten – gerade in den frei verkäuflichen Böllern ist viel Schwarzpulver enthalten, und genau das verursacht die höchsten Schadstoffprobleme.

Die DUH fordert seit Jahren, private Böllerei zu verbieten, und lieber zentrale Feuerwerke mit Pyroshow zu veranstalten. - Foto: gik
Die DUH fordert seit Jahren, private Böllerei zu verbieten, und lieber zentrale Feuerwerke mit Pyroshow zu veranstalten. – Foto: gik

Immer mehr Handelsketten verabschieden sich denn auch von dem Verkauf des privaten Silvesterfeuerwerks: In diesem Jahr hätten bei einer DUH-Umfrage die Baumarktketten Hornbach und Obi, die Raiffeisen Waren GmbH und K + K Klaas & Kock angegeben, auf den Verkauf von Silvesterfeuerwerk zu verzichten, teilte die DUH mit. Bei den Ketten REWE und Edeka sowie bei den Hagebau Baumärkten wollten ebenfalls einzelne Filialen den Verkauf streichen – 40 Handelsunternehmen hielten aber an dem Verkauf fest. Vor allem Discounter wollten nach wie vor nicht zugunsten von Umwelt- und Gesundheitsschutz auf das Geschäft mit der Böllerei verzichten, kritisierte die DUH Anfang November.

Die Reaktionen auf den Verbots-Vorstoß sind allerdings durchaus gemischt: Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) lehnte ein allgemeines Böllerverbot ab: Man dürfe in dieser Zeit der Pandemie nicht nur mit Verboten reagieren, sagte Lewentz dem SWR. Der Minister rief die Bürger aber gleichzeitig zu Zurückhaltung und Vernunft im Umgang mit dem Silvester-Feuerwerk auf. Verbote lägen ohnehin in der Verantwortung der Kommunen. Die Stadt Mainz hatte bisher stets ein Verbot der privaten Böllerei abgelehnt: Man habe bereits alle rechtlichen Möglichkeiten zur Einschränkung der „Silvester-Böllerei“ ausgeschöpft, weitergehende Verbote seien rechtlich nicht möglich, wiegelte die Stadt auch 2019 ab.

Dicke Luft an Silvester über Mainz, "Dank" Silvesterfeuerwerk. - Foto: gik
Dicke Luft an Silvester über Mainz, „Dank“ Silvesterfeuerwerk. – Foto: gik

Tatsächlich gilt in Mainz in der Silvesternacht in Mainz ein Verbot, Böller in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen abzubrennen, auch in der Nähe von Fachwerkhäusern sowie in weiten Teilen der Mainzer Altstadt gilt ein solches Verbot. Das hindert die Mainzer Innenstadt indes nicht, jedes Jahr zum Jahreswechsel erneut in eine dichte Dunstglocke von Rauch, Qualm und Feinstaub zu versinken. Die DUH verweist den auch darauf, dass bereits zahlreiche andere Städte wie Aachen, Berlin, Stuttgart und München Böllerverbote verhängt und/oder Verbotszonen erlassen, und diese sogar ausgedehnt hätten. Man habe in einem Rechtsgutachten die rechtlichen Möglichkeiten sowie praktische Beispiele zur Umsetzung von böllerfreien Zonen aufgeführt, betont die DUH, das Kurzgutachten könnten Kommunen als Regelungsvorlage verwenden.

Die Umwelthilfe spricht denn auch von einer „breiten Unterstützung“ für ihren Vorstoß: In Viele Politiker wie der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sowie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), aber auch die Grünen in Berlin hätten sich der DUH-Forderung nach einem Böllerverbot angeschlossen, teilte der Verband mit. Auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte diesen Schritt. Doch bei der Gewerkschaft der Polizei regt sich Widerstand: Ein solches Verbot sei kaum zu kontrollieren, dafür habe man schlicht kein Personal, sagte der stellverstretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek.

Privates Bodenfeuerwerk im heimischen Garten - wieso sollte das 2020 nicht möglich sein? - Foto: gik
Privates Bodenfeuerwerk im heimischen Garten – wieso sollte das 2020 nicht möglich sein? – Foto: gik

Das Thema wird womöglich auch die Konferenz zwischen Bund und Ländern kommenden Mittwoch beschäftigen, der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte derweil: Feiern in der Öffentlichkeit sei wegen der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden Einschränkungen derzeit sowieso tabu: „Es ist eh verboten auf irgendeinem Marktplatz zu feiern, egal ob jemand eine Flasche Schampus oder Böller dabei hat, oder eben nicht!“, sagte Herrmann laut Bayrischem Rundfunk.

Doch gerade weil Silvesterböllerei oft mit Treffen und Party verbunden ist, denkt man bei der Stadt Frankfurt aktuell über ein Verbot nach: Laut BILD-Zeitung sprachen sich dafür bereits der Gesundheitsdezernent und der Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes aus, auch Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) argumentiere in diese Richtung, berichtet die Frankfurter Neue Presse: In diesem Winter seien „ausgelassene größere und alkohollastige Silvester-Feiern oder großes Feuerwerk mit vielen Menschen auf einer Stelle völlig fehl am Platz“, zitierte die FNP den OB: „Wenn Tausende dicht an dicht auf dem Eisernen Steg und am Main die Nacht zum Tag machen, hat das Virus freie Bahn – das müssen wir verhindern.“

Im Freien lasse sich gut Abstand halten, auch bei privater Böllerei, findet der VPI. - Foto: gik
Im Freien lasse sich gut Abstand halten, auch bei privater Böllerei, findet der VPI. – Foto: gik

Beim Interessenverband der Pyroindustrie (VPI) ist man derweil entsetzt, und schrieb ebenfalls die Bundesregierung an: Man habe „nochmals daran erinnert, dass das Silvesterfeuerwerk Brauchtum und Tradition zugleich ist“, teilte der VPI mit: „Für Millionen Menschen ist das Abbrennen von Feuerwerk Freude, Leidenschaft und Emotion. Die Schönheit des Feuerwerks, die Emotionen, die wir damit verbinden und das Miteinander, dass dadurch erzeugt wird, lässt Menschen in Frieden und mit Freude zusammenkommen“, betonte VPI-Geschäftsführer Klaus Gotzen: „Das zu verbieten wäre ein kultureller Verlust für unsere Gesellschaft.“

Bei einem Verbot fürchtet der Verband den Wegfall von mehr als 3.000 Arbeitsplätzen, es gehe „um Existenzen von Familien, von Einzelnen und einer ganzen hierzulande ansässigen Branche.“ Ein Verbot könne auch dazu führen, dass die Nutzung illegalen Feuerwerks ansteige, und vermehrt illegale Böller aus dem Ausland gekauft würden. Und selbst bei einer weiteren Verschärfung der Corona-Regeln könne privates Feuerwerk doch durchaus möglich sein: Im privaten Kreis, mit Sicherheitsabständen genauso wie mit Kontaktbeschränkungen. „Privates Silvesterfeuerwerk trägt ohne Frage einen Teil zum gesellschaftlichen Miteinander in diesen Tagen bei“, betonte der VPI.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Antrag der DUH auf ein Verbot privater Böllerei bei der Stadt Mainz 2019 und deren Reaktion lest Ihr hier bei Mainz&. Einen grundlegenden Artikel zur Debatte Silvesterfeuerwerk – schädlich oder schön lest Ihr hier bei Mainz&.

 

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