Das neue Bewusstsein in Sachen Klimakrise hat auch den Blick auf das alljährliche Silvesterfeuerwerk in diesem Jahr noch einmal geschärft. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte Ende Oktober auch die Stadt Mainz aufgefordert, private Böllerei in der Mainzer Innenstadt zu untersagen – die Stadt Mainz lehnt das allerdings ab: Man habe bereits alle rechtlichen Möglichkeiten zur Einschränkung der „Silvester-Böllerei“ ausgeschöpft, weitergehende Verbote seien rechtlich nicht möglich. Eine Petition der Organisation Extinction Rebellion fordert indes: „Schluss mit dem privaten Feuerwerk in Mainz!“ – 2.670 Menschen haben die bereits unterschrieben. Und auch aus ungewohnter Richtung kommt Unterstützung: Der Philologenverband Rheinland-Pfalz fordert ebenfalls einen Verzicht auf Silvesterfeuerwerk „in Übereinstimmung mit den Zielen, denen sich auch eine große Zahl unserer Schüler verpflichtet fühlt.“

Dicke Luft an Silvester - in Mainz sah es in den vergangenen Jahren um kurz nach Mitternacht oft genau so aus. - Foto: gik
Dicke Luft an Silvester – in Mainz sah es in den vergangenen Jahren um kurz nach Mitternacht oft genau so aus. – Foto: gik

Seit einigen Jahren bereits wird über den Sinn und Unsinn privater Silvesterballerei in den Innenstädten diskutiert – Grund ist die enorm schlechte Luft, die durch die privaten Böller verursacht wird. 4.500 bis 5.000 Tonnen Feinstaub werden laut Umweltbundesamt jedes Jahr rund um den Jahreswechsel um Mitternacht freigesetzt – das entspricht in etwa 15,5 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge. Mehr als 1000 Mikrogramm werden so jedes Jahr in der Neujahrsnacht erreicht – zum Vergleich: der Tagesmittelwert für Feinstaub liegt bei 50 Mikrogramm.

Die rauchig-giftige Luft stellt ein großes Problem für Menschen mit Atemswegsproblemen und Allergikern dar, aber auch Hunde, Katzen und andere Haustiere leiden unter der Böllerei, ebenso wie Wildtiere und Vögel. Mainz betrifft das mit seiner Kessellage besonders: Gerade zum Jahreswechsel 2018-2019 hatte Mainz wieder einmal eine der höchsten Feinstaubbelastungen der Republik – die Deutsche Umwelthilfe forderte da bereits einen Stopp der privaten Böllerei: Man wolle die privaten Silvesterfeuerwerke aus der Innenstadt an den Stadtrand verlegen. Damit könnten auch die enormen Müllberge sowie Brände und mehrere Tausend Verletzungen pro Jahr bundesweit verhindert werden.

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In diesem Jahr nun schrieb die DUH 98 besonders von schlechter Luft belastete Städte an, darunter auch Mainz, und stellte einen formellen Antrag auf Erlass eines kommunalen Böller-Verbots. Statt der privaten Böllerei könnten die Städte zentrale Feuerwerksfeiern oder eine professionelle Pyro-Show ausrichten, die seien nämlich nicht nur sicherer, sagt die DUH, sie belasteten auch die Umwelt weniger, da dabei meist eben nicht das schädliche Schwarzpulver, sondern andere Feuerwerksbatterien zum Einsatz kämen. Knapp 60 Prozent der Deutschen befürworteten Schwarzpulver-freie Silvesterfeuerwerke in dicht besiedelten Innenstädten, das zeigten offizielle Umfragen, betont die DUH.

Viel Knallerei an Mitternacht über Mainz-Hechtsheim - und viel dicke Luft. - Foto: gik
Viel Knallerei an Mitternacht über Mainz-Hechtsheim – und viel dicke Luft. – Foto: gik

Die Stadt Mainz lehnt das indes ab: Man habe das Schreiben der DUH zum Anlass genommen, „konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubbelastung für die Zeit vom 31.12.2019 bis zum 01.01.2020 zu prüfen“, heißt es in dem Antwortschreiben der Stadt, das Mainz& vorliegt. Bei der Prüfung sei die Stadt Mainz aber „zu dem Ergebnis gekommen, dass die Grenzwerte für Feinstaubpartikel (PM10)“ gemäß EU-Richtlinien eingehalten würden. Darüber hinaus habe die Stadt Mainz „bereits alle rechtlichen Möglichkeiten zur Einschränkung der „Silvester-Böllerei“ ausgeschöpft.“

Tatsächlich gilt in Mainz in der Silvesternacht in Mainz ein Verbot, Böller in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altenheimen abzubrennen, auch in der Nähe von Fachwerkhäusern sowie in weiten Teilen der Mainzer Altstadt gilt ein solches Verbot. Das hindert die Mainzer Innenstadt indes nicht, jedes Jahr zum Jahreswechsel erneut in eine dichte Dunstglocke von Rauch, Qualm und Feinstaub zu versinken. Fast 80 Mikrogramm PM10 maß die Messstation an der Parcusstraße am 1. Januar 2019 gegen 1.00 Uhr morgens, normalerweise liegen hier die Werte bei um die 24 Mikrogramm.

Dazu musste die Mainzer Feuerwehr zwischen 23.50 Uhr und 1.30 Uhr zu elf Einsätzen wegen Bränden im Mainzer Stadtgebiet ausrücken, es kam zu sieben Mülltonnen-Bränden und einem Balkonbrand durch Silvesterböller. In der Holzhofstraße in der Mainzer Altstadt explodierte um kurz nach Mitternacht zudem ein besonders kraftvoller Sprengkörper, die Polizei vermutete einen illegalen Sprengstoffbastler als Urheber – gefasst wurde der Urheber nie. Die Umweltaktivisten von Extinction Rebellion haben deshalb eine Petition im Internet für ein Verbot privater Silvesterböllerei gestartet, binnen kürzester Zeit unterzeichneten bereits 2.670 Menschen den Aufruf.

Müll am Neujahrsmorgen auf der Kupferbergterrasse. - Foto: privat
Müll am Neujahrsmorgen auf der Kupferbergterrasse. – Foto: privat

„Neben den gesundheitlichen Belastungen, schweren Verletzungen und Todesfällen führt die Böllerei zu riesigen Abfallbergen, tausenden Feuerwehreinsätzen, erheblicher Brandgefahr und Risiken für Natur und Tierwelt“, heißt es in der Petition. Feuerwerkskörper könnten Privatgrundstücke oder Wasserfläche vergiften, Kleinsprengstoffe würden immer wieder gezielt zur Körperverletzung an Passanten, Polizisten, Rettungskräften und Tieren verwendet, jedes Jahr entliefen Haustiere durch massenhaftes Abfeuern von sogenannten „Böllern“ und würden oft genug auch sterben. Einsätze von Rettungskräften, Müllentsorgung und Schäden summierten sich jedes Jahr auf eine Summe in zweistelliger Millionenhöhe, die der Steuerzahler aufbringen müsse.

„Da sich diese Punkte in den letzten Jahren immer weiter verstärkt haben, fordern wir die Stadt Mainz und ihren Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) auf, den Beispielen vieler Städte in Frankreich, Dänemark, Luxemburg und Holland zu folgen: Schaffen Sie privates Feuerwerk ab und sorgen Sie für ein gesundes Silvester für alle!“, heißt es in der Petition. Mainz solle „mit gutem Beispiel vorangehen und die Silvesternacht durch ein Verbot von privatem Feuerwerk in Zukunft nachhaltiger, gesünder und schöner gestalten.“ Damit niemand ersatzlos auf einen spektakulären Jahreswechsel verzichten müsse, fordere man die Stadt auf, Alternativen zu schaffen – etwa ein professionelles Feuerwerk oder eine musikalisch untermalte Licht- bzw. Lasershow in Rheinnähe. „Die Kosten hierfür würden mindestens anteilig durch die Einsparungen bei Rettungseinsätzen und Müllbeseitigung gedeckt“, argumentieren die Verfasser weiter.

Die Deutsche Umwelthilfe und andere Organisationen schlagen stattdessen zentrale Feuerwerksshows mit Laser vor. - Foto: gik
Die Deutsche Umwelthilfe und andere Organisationen schlagen stattdessen zentrale Feuerwerksshows mit Laser vor – wie hier bei den Mainzer Sommerlichtern. – Foto: gik

Solche Petitionen gebe es bereits in rund einem Dutzend Städte, teilte die DUH bereits Ende November mit – der Druck der Bürger wachse offenbar. Den Städten erschwere aber die Sprengstoffordnung derzeit noch die Umsetzung großflächigerer Verbote, klagte der Umweltverband – und forderte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf, die entsprechende Passage sofort, und nicht erst Ende 2021 zu ändern. Trotzdem hätten bereits von den angeschriebenen 98 Städten 32 Städte ein Verbot begrüßt oder erste Maßnahmen ergriffen, betonte die DUH.

So hätten etwa Passau und Bayreuth ein Böller-Verbot beschlossen, in Rheinland-Pfalz erließ nun die Stadt Mayen als erste Kommune ein Böllerverbot in der Innenstadt – und begründete dies mit den gestiegenen Gefahren in den vergangenen Jahren. In Mainz heißt es hingegen: „Ein über die bestehenden Verbote hinausgehendes weiteres flächendeckendes Verbot erscheint unangemessen.“ Extinction Rebellion verweist hingegen darauf, dass auch immer mehr Läden wie Edeka-Märkte und Baumärkte ankündigten, auf den Verkauf von Feuerwerk verzichten zu wollen, das zeige, dass Feuerwerk nicht mehr als zeitgemäß empfunden werde.

Unterstützung für die Aktivisten kommt nun auch von ungewohnter Seite: Der sonst eher konservativ wirkende Philologenverband Rheinland-Pfalz forderte nun, das Thema Silvesterfeuerwerk in den Schulen als gutes Beispiel für ein Umweltschutzthema in den Schulen zu behandeln. Weltweit sei die Aufmerksamkeit für wichtige Umweltschutzthemen deutlich gestiegen, „vor allem durch Klimaproteste an unseren Schulen“, teilte die Lehrergewerkschaft nun mit, eines dieser Themen sei die Silversterballerei.

„Durch einen Verzicht auf das Silvesterfeuerwerk ließe sich ein deutlicher Einspareffekt erzielen, der dem Umweltschutz zugutekäme“, betonte der Philologenverband, das eingesparte Geld könne in Umweltschutzprojekte investiert werden. Das stehe „in Übereinstimmung mit den Zielen, denen sich auch eine große Zahl unserer Schüler verpflichtet fühlt.“ Das Thema wird auch kommende Woche den Mainzer Stadtrat bewegen: Die ÖDP hatte bereits im November wissen wollen, ob die Stadt auch angesichts des ausgerufenen Klimanotstands die Feuerwerke noch für ökologisch vertretbar halte, und ob es nicht möglich sei, eine zentrale Licht- und Lasershow als Alternative zu organisieren. Der Antrag wurde damals vertagt – wegen der Rathausumzugs.

Info& auf Mainz&: Mehr zu der Aufforderung der Deutschen Umwelthilfe zum Verzicht auf private Silvesterböllerei samt Zahlen und Fakten dazu lest Ihr hier bei Mainz&. Die Petition „Schluss mit privatem Feuerwerk in Mainz“ findet Ihr hier auf der Plattform Change.org.

 

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