Neuer Ärger für die Stadt Mainz in Sachen Dieselabgase: Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat nun Klage gegen die Kfz-Zulassungsstelle der Stadt Mainz eingereicht. Der Grund: Die Behörde müsse Betrugs-VW aus dem Verkehr ziehen, die noch immer mit illegaler Abschalteinrichtung fahren und nicht nachgerüstet wurden. Deren Betriebsgenehmigung sei erloschen, argumentiert die DUH, die Fahrzeuge seien außer Betrieb zu setzen. Auf entsprechende Anträge der DUH sei aber nicht reagiert worden, deshalb nun die Klage. Damit setzt die DUH ihren Kampf gegen die Belastung der Städte durch Diesel-Abgase fort. Ihr Ziel: Eine umfassende Nachrüstung der schädlichen Diesel und eine deutliche Entlastung der Luft in unseren Städten.
Zehn deutsche Kfz-Zulassungsbehörden hat die DUH vergangenen Freitag insgesamt auf ihre Klageliste gesetzt, darunter sind neben Mainz auch Wiesbaden, Frankfurt, Düsseldorf, München, Stuttgart und Berlin. Die DUH hatte im Oktober 2016 ihre Klage gegen die Stadt Mainz insgesamt nach drei Jahren Ruhezustand wieder aufleben lassen – die Stadt tue einfach nicht genug, um ihre Bürger vor den giftigen Diesel-Abgasen zu schützen, argumentierte die DUH, nun wolle man Diesel-Fahrverbote ab 2018 durchsetzen.
Tatsache ist: In Mainz sinken die giftigen Stickoxid-Werte seit Jahren nicht und liegen damit weit über den erlaubten Grenzwerten. Die DUH argumentiert, die Verschmutzung sei hausgemacht, der lokale Verursacheranteil liege zwischen 49 und 66 Prozent – und rund 35 Prozent der Autos in Mainz sind Diesel. Allein ein Viertel der NO2-Belastung werde zudem von Bussen des öffentlichen Nahverkehrs verursacht, 15 Prozent durch Transporter und Lkw. Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) kritisiert hingegen, die DUH würdige die Anstrengungen der Stadt zur Verringerung der Schadstoffbelastungen wie durch die Steigerung des Radverkehrs und den Bau der Mainzelbahn nicht.
Die DUH aber will sich nicht weiter hinhalten lassen und fordert Fahrverbote – in Düsseldorf hatte sie damit bereits Erfolg. Das Urteil des dortigen Gerichts liegt derzeit zur Revision beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dessen Grundsatzentscheidung noch in diesem Jahr erwartet wird. Der Hintergedanke des Umweltverbands dabei: Verhängen die Gerichte tatsächlich Fahrverbote für Diesel in bundesdeutschen Städten, wird es zu einem Aufschrei der Bürger kommen – und zu massenhaften Klagen gegen die Autoindustrie. „Wir wollen erreichen, dass die Bundesregierung die Autoindustrie zwingt, alle Fahrzeuge durch einen amtlichen Rückruf kostenfrei nachzurüsten“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch im Interview mit Mainz&. Die Klagen zeigen bereits erste Erfolge: Erstmals wird in der Bundesregierung ernsthaft über Elektro-Mobilität und Konsequenzen gegen die Autoindustrie diskutiert.
Genau in dieser Situation zieht die DUH die Daumenschrauben noch eine Runde weiter an: Die Kfz-Zulassungsstellen müssten endlich die VW-Fahrzeuge, die noch immer mit der Schummel-Software herumführen, aus dem Verkehr ziehen, fordert die DUH. Dabei geht es um die vom Abgasbetrug betroffenen VW-Fahrzeuge der Eurostufe 5 mit einem Motor des Typs EA 189. Diese Fahrzeuge waren mit illegalen Abschaltvorrichtungen ausgestattet, die die Abgasreinigungsanlagen in den Fahrzeugen im Realbetrieb auf der Straße außer Kraft setzen – damit stoßen diese Fahrzeuge ein Erhebliches mehr an Schadstoffen wie Stickoxide, Rußpartikel und Feinstaub aus als erlaubt, während sie auf den Prüfständen saubere Motoren vorgaukelten.
Die Betriebserlaubnis dieser Fahrzeuge sei durch die Verwendung illegaler Abschalteinrichtungen erloschen, die Fahrzeuge seien daher „außer Betrieb zu setzen“, betont die DUH. Zwar habe das Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 für die betroffenen Fahrzeuge einen amtlichen Rückruf zur Durchführung eines Software-Updates verordnet, dieser aber sei nicht verbindlich gewesen – zahlreiche Fahrzeughalter hätten deshalb darauf verzichtet, das Software-Update vornehmen zu lassen. „Es wird also weiterhin so sein, dass Fahrzeuge mit offenkundig illegalen Abschalteinrichtungen unterwegs sein werden“, heißt es in der Mitteilung der DUH weiter.
Diese Fahrzeuge stießen im Realverkehr immer noch erheblich mehr Stickoxid-Emissionen aus, als nach den Prüfvorschriften und den zugrundeliegenden Zulassungsvorschriften erlaubt, betont der Umweltverband: Statt 180 Milligramm NOx pro Kilometer seien es bei Fahrzeugen der Emissionsnorm Euro 5 nach Messungen der DUH über 500 Milligramm NOx/km – und das messe auch die Volkswagen AG so. Der Grund: Die Volkswagen AG verwende selbst in den Fahrzeugen, die einem Update unterzogen worden seien, immer noch Abschalteinrichtungen, behauptet die DUH. Dies habe sie der DUH selbst in einem anderen Verfahren bestätigt. Der Umweltverband argumentiert hingegen, die betroffenen Fahrzeuge hätten damit keine gültige Betriebserlaubnis mehr – die Fahrzeuge müssten still gelegt werden.
Ziel sei, „dass die Luftqualität in diesen Städten nicht weiter durch den Betrieb der Betrugs-Diesel aus dem Volkswagen-Konzern belastet wird“, betonte Resch – denn die VW mit den Abschalteinrichtungen trügen maßgeblich zu den seit Jahren festgestellten Überschreitungen des Luftqualitäts-Grenzwerte bei. „Es kann nicht sein, dass die beklagten Städte einerseits damit argumentieren, vom Dieselskandal bei Volkswagen überrascht worden zu sein, andererseits aber keine Konsequenzen zur Zulassung dieser Fahrzeuge ziehen“, sagte DUH-Rechtsanwalt Remo Klinger.
Die SPD-Stadtratsfraktion kritisierte die neuerliche Klage der DUH hingegen wieder als „unsozial und realitätsfern“: Die DUH „missbraucht immer wieder das schwächste Glied, sprich die Fahrer von Dieselfahrzeugen und die Kommunen, zur Durchsetzung eines Prinzips“, kritisierte SPD-Fraktionsvize Martin Kinzelbach, die DUH solle lieber „an die wahren Verantwortlichen wie die verantwortliche Autoindustrie und den Bundesgesetzgeber herantreten.“ Die Gesundheit der Mainzer Bürger sei „selbstverständlich ein sehr hohes Gut, das es zu schützen gilt.“ Die DUH verkenne aber die seit Jahren unternommenen Anstrengungen der Verwaltung zur weiteren Reduzierung von Schadstoffbelastungen etwa durch die Einführung einer Umweltzone, die kommende Umstellung des ÖPNV auf Brennstoffzellenbusse oder die Mainzelbahn. „Die DUH tritt mit einer unangemessenen ideologischen Heftigkeit auf und verkennt dabei, dass sie ihre eigenen Ziele konterkariert, da sie damit die bisherige Akzeptanz von Umweltpolitik bei den betroffenen Menschen aufs Spiel setzt“, sagte Kinzelbach.
Allerdings hatte die DUH schon mehrfach – unter anderem im Mainz&-Interview – erklärt, dass sie auch diverse Klagen gegen die Bundesregierung sowie gegen die Autohersteller führt. Zudem verweist der Umweltverband darauf, dass trotz Umweltzonen die hohen Abgaswerte in den Städten eben nicht gesunken sind. Nach sieben Jahren mit vorzeitigen Toten durch Abgase sei nun Schluss, wetterte DUH-Geschäftsführer Resch, die Politik halte zu sehr ihre schützende Hand über die Diesel-Fahrzeuge und die Autoindustrie. Und sie verfolgt ihre Strategie konsequent weiter, eine Nachrüstung der Fahrzeuge und damit eine Entlastung von Abgasen zu erreichen: Eine einmal erloschene Betriebserlaubnis kann, informiert die DUH weiter, nicht einfach durch eine Beseitigung des Mangels einfach wiederaufleben, sondern bedürfe eines neuen Genehmigungsverfahrens – damit müssten die VW-Diesel dann der aktuell geltenden Euro 6-Norm entsprechen.
Just am Donnerstag wurde dann noch bekannt, dass auch rund eine Million Mercedes-Fahrzeuge womöglich eine illegale Abschaltvorrichtung eingebaut haben – und dass das Amtsgericht Stuttgart diese Fahrzeuge als „nicht zulassungsfähig“ für den europäischen Markt einstuft. „Das Amtsgericht Stuttgart bestätigt unsere Rechtsauffassung, dass die Betriebserlaubnis für Diesel-Pkw mit illegalen Abschalteinrichtungen erloschen bzw. durch die Behörden zurückzunehmen ist“, sagte daraufhin Resch – die DUH werde den Entzug der Betriebserlaubnis auch für Mercedes Diesel notfalls gerichtlich durchsetzen. Sollten sich Bundesverkehrsministerium und Kraftfahrtbundesamt trotz der umfangreichen Ermittlungsergebnisse „weiterhin weigern, eine vollwertige Nachbesserung der Fahrzeuge anzuordnen bzw. die Typzulassung zu entziehen, wird die DUH den Rechtsweg beschreiten“, kündigte Resch an. Am Abend meldeten Medien, die Bundesregierung wolle nun die Mercedes-Fahrzeuge auf Manipulationen untersuchen lassen – es ist der erste Vorstoß des Bundes dieser Art.
Info& auf Mainz&: Die ganze Mitteilung der Deutschen Umwelthilfe zu der Klage gegen die Kfz-Zulassungsstelle lest Ihr hier im Internet, die Meldung zu den Mercedes-Fahrzeugen gibt es hier. Unseren ausführlichen Artikel über die Klage der DUH gegen die Stadt Mainz samt Details zu den Stickoxidwerten lest Ihr hier, das Interview mit der DUH zu der Strategie ihrer Klagen und das Ziel der Nachrüstung findet Ihr hier.