Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wird Mainz das nicht-erlassene Dieselfahrverbot nicht durchgehen lassen: Man werde gegen die Stadt erneut gerichtlich vorgehen, sagte DUH-Anwalt Remo Klinger am Donnerstag gegenüber Mainz&, welche Schritte genau werde derzeit noch geprüft. In Frage kämen ein Antrag auf Zwangsvollstreckung des Dieselfahrverbots oder auch eine neue Klage, sagte Klinger – und warf Mainz „Aufschieberei“ vor. Der Grund: Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft werde zwar inzwischen an der Parcusstraße nur noch leicht überschritten – dafür explodierten die Werte entlang der Rheinachse. Die Stadt Mainz habe daraufhin der DUH geantwortet, man wolle neue Gutachten in Auftrag geben. „Das ist die billigste politische Ausrede, die man hat“, kritisierte Klinger, „das werden wir nicht hinnehmen.“
Das Verwaltungsgericht Mainz hatte im Oktober 2018 verfügt, Mainz müsse zum 1. September 2019 ein Dieselfahrverbot für ältere Pkw einführen – sofern die Stickoxidwerte im ersten Halbjahr 2019 nicht auf den Grenzwert von 40 Mikrogramm sänken. Tatsächlich schaffte es die Stadt Mainz mit Hilfe des Masterplans M3, die giftigen Stickoxide im ersten Halbjahr 2019 deutlich abzusenken, trotzdem lagen die Messwerte in der Parcusstraße noch immer bei 42 Mikrogramm. Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) kündigte im Juli trotzdem an, Mainz werde kein Dieselfahrverbot erlassen.
Die Stadt habe es geschafft, die Stickoxide im Vergleich zu 2018 um 5 Mikrogramm zu senken, begründete Eder im Juli die Entscheidung: „Das ist ein Riesenerfolg“ und zeige, dass die Maßnahmen der Stadt wirkten. Sie gehe deshalb auch davon aus, dass die Werte im zweiten Halbjahr weiter sinken „und wir irgendwann unter die 40 Mikrogramm kommen.“
Doch das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Die Deutsche Umwelthilfe begründet ihre neuerliche Ankündigung damit, dass die Werte in Mainz wieder stiegen. „Es werden weiterhin Stickoxid-Grenzwerte deutlich überschritten, und zwar nicht an der Parcusstraße, sondern – wie wir befürchtet haben – an der Rheinachse“, sagte DUH-Anwalt Klinger nun auf Mainz&-Anfrage. Die jüngsten Werte entlang Rheinstraße und Rheinallee „deuten alle darauf hin, dass wir bei 48 oder 49 Mikrogramm liegen werden“, sagte Klinger. Das sei zudem nicht ein punktueller Wert an einer Messstation, sondern verstetige sich derzeit in Messungen entlang der gesamten Rheinachse.
Tatsächlich hatte die DUH schon in der Gerichtsverhandlung im Oktober 2018 immer wieder darauf gedrungen, Mainz müsse den gesetzlichen Grenzwert im gesamten Stadtgebiet einhalten – und dürfe nicht nur die Parcusstraße in den Blick nehmen. In Mainz werden Grenzwerte EU-konform an drei Messstationen gemessen: in der Parcusstraße, auf der Zitadelle und in der Rheinallee. Bislang hatte bei allen Messungen stets die Parcusstraße vorn gelegen, doch das scheint sich nun zu ändern.
Eder hatte im Juli selbst eingeräumt, man habe in der Rheinallee noch ein Problem – hier lagen die Messwerte im ersten Halbjahr zwischen 43 und 47 Mikrogramm, letztere in Höhe der Fachhochschule. Zuletzt wuchsen vor allem die Werte auf der Rheinachse erneut an: Bei der neuen Luftqualitäts-App des Bundesumweltamtes, „Luft“, die täglich die aktuellen Messwerte für Stickoxide und Feinstaub anzeigt, lagen die Werte für die Rheinallee zuletzt stets höher als in der Parcusstraße – oft sogar gab die Luft-App für die Rheinallee „inakzeptabel“ an, wenn sie in der Parcusstraße noch im Mittelwert lagen. Ein Grund könnte die zunehmende Verdichtung des Autoverkehrs auf der Rheinachse sein: Durch die Baustellen in der Boppstraße und entlang der Großen Langgasse hat sich der Verkehr auf der Rheinschiene zuletzt deutlich erhöht.
Luftreinhaltung „funktioniert eben nicht, wenn man den Verkehr nur verlagert, das ist das Problem bei streckenbezogenen Betrachtungen“, sagte Klinger. Die DUH hatte deshalb schon im April einen Vollstreckungsantrag gegen die Stadt Mainz bei Gericht eingereicht und dabei kritisiert, die Stadt Mainz orientiere sich allein an den Stickoxidwerten der Messstation in der Parcusstraße. Das aber reiche nicht aus, sagte DUH-Anwalt Remo Klinger gegenüber Mainz&: „Die Stadt Mainz ist verurteilt worden, den Grenzwert in der ganzen Stadt einzuhalten und nicht nur an der einen Stelle, der Parcusstraße“, sagte Klinger im April gegenüber Mainz&. Das Verwaltungsgericht Mainz lehnte im Mai jedoch den Antrag der DUH ab und bescheinigte der Stadt, sie strebe mit ihren Maßnahmen im Luftreinhalteplan die Einhaltung des Grenzwerts für Stickoxide im gesamten Stadtgebiet an.
Nachdem die Stadt im Juli verkündet hatte, kein Dieselfahrverbot verhängen zu wollen, hatte die DUH zunächst zurückhaltend reagiert und sich zu einer erneuten Klage gegenüber der Stadt Mainz nicht geäußert. „Es wird wohl vor Gericht gehen“, kündigte Klinger nun gegenüber Mainz& an. Den Ausschlag gaben dafür jetzt wohl die neuen Messergebnisse aus der Rheinallee: „Wir haben uns an die Stadt gewandt und gefragt, was wollt Ihr jetzt machen“, berichtete Klinger, die Antwort der Stadt vor wenigen Tagen: Man wolle neue Gutachten in Auftrag geben. „Zehn Jahre Grenzwertüberschreitung, und man gibt neue Gutachten in Auftrag?“, kritisierte Klinger: „Man weiß doch, was man machen muss!“
Die Stadt habe doch einen Maßnahmenkatalog im Luftreinhalteplan stehen, Dieselfahrverbote inklusive, neue Gutachten seien „die billigste politische Ausrede, die man hat“ und reine „Aufschiebrei“, betonte Klinger. Die Stadt müsse ihre eigenen Maßnahmen „sofort umsetzen, damit wenigsten 2020 auf der Rheinachse der Grenzwert eingehalten wird.“ Das werde wohl auf ein Dieselfahrverbot hinaus laufen, sagte Klinger weiter, und betonte: „Wenn mir jemand eine andere Lösung vorlegt, dann her damit.“ Die DUH werde aber nicht akzeptieren, dass die Stadt 2020 erst mal ein neues Gutachten in Auftrag gebe „und dann Ende 2020 mal guckt, was im Gutachten steht – das machen wir nicht mit.“
Klinger betonte dazu erneut, der DUH gehe es „nicht darum, das Auto zu verteufeln“ oder den Menschen wegzunehmen – die DUH fordere weiterhin die Umrüstung der Dieselfahrzeuge mit Stickoxidfiltern. „Wir haben inzwischen funktionierende und zugelassene Nachrüstsysteme“, sagte Klinger, „ich verstehe nicht, warum das so eine politische Quälerei ist.“ Vor zehn Jahren habe das doch mit der Einführung der grünen Umweltplakette schon einmal funktioniert: „Die grüne Plakette hat damals zur Nachrüstung der Fahrzeuge mit Feinstaubfiltern geführt, heute ist das Problem erledigt“, sagte Klinger: „Wir haben seit 2013 kein Feinstaubproblem mehr in Deutschland.“ Bei den Stickoxidfiltern hingegen erlebe er seit zehn Jahren eine massive Blockade, kritisierte Klinger, dabei liege die Lösung auf der Hand: „Blaue Plakette und Nachrüstung – und das Problem wäre weg.“
Info& auf Mainz&: Die neue Luftqualitäts-App des Bundesumweltamtes „Luft“ stellt stündlich aktualisierte Daten für die gesundheitsgefährdenden Schadstoffe Feinstaub (PM10), Stickstoffdioxid und Ozon zur Verfügung, und das bundesweit von über 400 Luftmessstationen – mehr dazu findet Ihr hier. Unseren Bericht über die Ankündigung der Stadt Mainz zu Dieselfahrverboten vom Juli findet Ihr hier, den Artikel über die Forderungen der DUH vom April lest Ihr hier.