Ein Dieselfahrverbot in Mainz kommt nun doch: Zum 1. Juli 2020 erlässt die Stadt Mainz ein Dieselfahrverbot für ältere Diesel der Euro Norm 4 und 5 auf der Rheinallee und der Rheinstraße. Betroffen ist damit eine gut 3,5 Kilometer lange Strecke zwischen dem Fort Malakoff und dem Kaiser-Wilhelm-Ring am Mainzer Zollhafen. Das Verbot soll auch für ältere Benziner der Klassen 1 und 2 gelten, Anwohner sollen aber Ausnahmeregeln bekommen. Parallel dazu führt Mainz Tempo 30 auf der Rheinachse sowie auf der Kaiserstraße und der Parcusstraße ein, das soll den Verkehr flüssiger machen. Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) sprach von einem „bitteren“ Tag – Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hatte stets betont, Mainz habe ein Dieselfahrverbot verhindert.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte im Oktober 2018 mit ihrer Klage gegen die Stadt Mainz vor dem Mainzer Landgericht Recht bekommen: Danach hätte die Stadt eigentlich zum 1. September 2019 ein Dieselfahrverbot in der Innenstadt einführen müssen. Das Gericht hatte geurteilt, schaffe es die Stadt nicht, dass die Stickoxidwerte im ersten Halbjahr 2019 unter den EU-weiten Grenzwert von 40 Mikrogramm sinken, müsse ein Fahrverbot kommen. Tatsächlich lag der Durchschnittswert im ersten Halbjahr 2019 aber bei 42 Mikrogramm in der Mainzer Parcusstraße und damit erneut zu hoch. Die Stadt Mainz lehnte trotzdem die Einführung eines Dieselfahrverbots ab, die Deutsche Umwelthilfe reagierte mit neuen Klagen gegen den Luftreinhalteplan der Stadt – aktuell sind vier Klagen gegen Mainz anhängig.
Dazu tauchte ein weiteres Problem auf: Die am stärksten belastete Zone verlagerte sich von der Parcusstraße in die Rheinallee, die dort installierten Passivsammler zeigten 2019 steigende Werte an – im Schnitt sogar 49 Mikrogramm. Eder räumte am Freitag ein, es gebe „einen neuen Hotspot in der Rheinallee“ – die Deutsche Umwelthilfe hatte allerdings schon in der Gerichtsverhandlung im Oktober 2018 vehement darauf hingewiesen, die Stadt müsse auch die Passivsammler in der Rheinallee berücksichtigen, denn die zeigten erheblich höhere Werte als am Hauptbahnhof. Die Stadt lehnte das allerdings stets ab und verwies auf die Messstation des Landes Rheinland-Pfalz in der Parcusstraße.
„Wir haben prognostiziert bekommen, dass wir auf der Rheinachse ein Problem bekommen“, räumte Eder nun am Freitag ein, die Werte hätten sogar bei 56 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gelegen. „Wir haben das Land gebeten, das zu verifizieren“, sagte Eder weiter, daraufhin seien mehrere Passivsammler installiert worden, die seit dem 11. Februar 2019 in Betrieb seien. Das Ergebnis: „Die Passivsammler zeigen sehr stark überhöhte Werte“, sagte Eder – mit diesen Werten hatte die Dezernentin auch im Januar die Vollsperrung der Theodor-Heuss-Brücke begründet.
Obwohl seit der Vollsperrung am 12. Januar der Verkehr in der Innenstadt erheblich sank, blieben die Werte an den Messstellen jedoch weiter hoch – regelmäßig zwischen 50 und 60 Mikrogramm. Eder sagte dazu auf Mainz&-Anfrage vergangene Woche, der Grund sei eine anhaltende Inversionswetterlage. „Wir haben ganz stark Maßnahmen diskutiert“, sagte Eder, alle Maßnahmen müssten zudem mit Gutachten unterlegt werden. So sei etwa diskutiert worden, auf der Rheinachse eine Umweltspur einzurichten, darauf konnte man sich im Rathaus aber offenbar nicht einigen. „Wir sind aufgrund des Zeitdrucks nicht zu einer abschließenden Beurteilung gekommen“, sagt Eder dazu.
So entschied sich die Stadt, ein streckenbezogenes Dieselfahrverbot für ältere Fahrzeuge entlang der Rheinachse auszuweisen. Ab dem 1. Juli 2020 müssen demnach Diesel der Euronorm 4 und 5 sowie Benziner der Klasse 1 und 2 die Rheinallee, die Peter-Altmeier-Allee und die Rheinstraße meiden. Eine Verkehrsverlagerung in die Nebenstraßen sei laut Gutachtern nicht zu befürchten, sagte Eder: Entlang der Rheinachse gebe es zu 40 bis 50 Prozent Durchgangsverkehr nach Hessen. Tatsächlich bildet die Rheinachse die einzige Zufahrt zur Theodor-Heuss-Brücke, die ist die einzige Nicht-Autobahnbrücke zwischen Koblenz und Worms. Die Zufahrt zur Tiefgarage des Fort Malakoff bleibe erreichbar, sagte Eder zudem – nicht mehr erreichbar für ältere Fahrzeuge sind dann hingegen die Tiefgaragen Rathaus und Rheinufer, Hilton, Löhrstraße und das Parkhaus am Brand.
„Die Erreichbarkeit der Innenstadt ist weiter gegeben“, betonte Eder zugleich, Ärzte Parkhäuser und die Geschäfte seien weiter über die Kaiserstraße und den Altstadtring mit Großer Langgasse und Weißliliengasse erreichbar. „Wir agieren hier sehr verhältnismäßig und mit Augenmaß“, betonte die Dezernentin, die Stadt wolle mit der Streckensperrung auch einem Dieselfahrverbot in der gesamten Innenstadt vorbeugen. „Es ist bitter“, betonte Eder gleichzeitig, die Stadt habe alles getan, um diesen Schritt zu vermeiden – allerdings vergeblich. Gründe seien dafür auch, dass bestellte Elektrobusse von der Industrie nicht geliefert würden, und dass die Bundespolitik die Autoindustrie weiter „nicht verpflichtet, die Fahrzeuge nachzurüsten“, kritisierte Eder: „Wir sind dem Schutz der Bevölkerung verpflichtet, und wir sind als Verwaltung verpflichtet, Rechte und Gesetze einzuhalten.“ Dazu gehöre auch der Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm.
Da die Stickoxidwerte aber auch in der Parcusstraße weiter nicht eingehalten werden, verkündete Eder weitere Maßnahmen: Die Stadt werde den Katalog des Masterplans M3 weiter konsequent umsetzen. Zwei neue Stellen im Amt der Radfahrbeauftragten seien bereits ausgeschrieben, die Bewerbungslage dafür „ausgesprochen gut“, sagte Eder. Mit den beiden neuen Stellen könne die Stadt Radmaßnahmen wie Lückenschlüsse bei Radwegen beschleunigen, die Planung für neue Radschutzstreifen intensivieren und Fahrradparkplätze sowie die Auffahrtspindel an der Kaiserbrücke planen.
Dazu werde zum 1. Juli 2020 auch Tempo 30 auf der Rheinachse sowie auf Kaiserstraße und in der Parcusstraße eingeführt. „Damit schaffen wir es laut den Gutachten, perspektivisch unter die 40 Mikrogramm zu kommen“, sagte Eder. Dazu gehört allerdings auch, dass die Stadt die Ampelschaltungen anpassen müsse, um grüne Wellen zu ermöglichen. Dazu werde die Stadt das Linksabbiegen auf der Rheinstraße stadteinwärts verbieten, um die dadurch entstehenden Staus zu vermeiden. Auch solle stärker gegen das Parken in zweiter Reihe vorgegangen werden.
Für Anwohner der Rheinachse werde es zudem Ausnahmen für das Dieselfahrverbot geben, betonte Eder. Welche Ausnahmen es sonst noch geben könne, werde sie zwei Monate vor dem Starttermin bekannt geben. „Wir nehmen uns die Zeit, das gründlich abzuarbeiten und Planungssicherheit herzustellen“, sagte die Dezernentin – es solle lebensnahe und praktikable Lösungen geben, die aber auch rechtlich sicher sein müssten.
Die Deutsche Umwelthilfe begrüßte die Entscheidung der Stadt und sprach von einem überfälligen „Einlenken“. Die Stadt Mainz komme damit einer Gerichtsentscheidung durch eine neue von der Deutschen Umwelthilfe angestrengten Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Koblenz zuvor. Damit werde nun nach zehn Jahren „endlich der Grenzwert für das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid eingehalten und die Mainzer endlich saubere Luft atmen können“, sagte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Im Ergebnis würden damit täglich 13.000 weniger Dieselautos die Theodor-Heuss-Brücke und die Mainzer Innenstadt passieren.
Die DUH kritisierte zugleich aber auch, dass Schadstoffmessungen an den parallel zur Rheinachse verlaufenden Straßen wie der Hindenburgstraße und der Boppstraße fehlten. „Damit ist nicht überprüfbar, ob durch mögliche Verlagerungsverkehre die Grenzwerte zukünftig an diesen beiden Straßen überschritten werden“, sagte Resch. Stiegen die Stickoxide an den Parallelrouten an, müssten doch noch Zonenfahrverbote in der Innenstadt erlassen werden. Ob die Entlastungswirkung auf der Rheinachse tatsächlich eintrete, hängt zudem von einer kontinuierlichen Verkehrsüberwachung und Ahndung von Verstößen ab, und dass Ausnahmegenehmigungen „nur in wenigen begründeten Einzelfällen erteilt werden“, mahnte Resch.
Eder kündigte an, es werde einen neuen, fest installierten Blitzer auf der Rheinschiene geben. Bei der Mainzer Polizei hieß es unterdessen, das neue Tempo 30 sowie das Dieselfahrverbot würden „zunächst zu keinen besonderen Maßnahmen“ bei der Polizei führen. Die Polizei werde im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages Kontrollen des fließenden Verkehrs im Rahmen der allgemeinen Verkehrsüberwachung durchführen. Art und Umfang der Maßnahmen würden „regelmäßig den erlangten Erkenntnissen angepasst.“ Die Geschwindigkeitsüberwachung im Stadtgebiet obliege aber grundsätzlich der Stadt Mainz.
Die Fortschreibung des neuen Luftreinhalteplans mit dem Dieselfahrverbot wird nun am 6. Februar in einer Sondersitzung des städtischen Ausschüsse diskutiert und am 12. Februar im Mainzer Stadtrat zur Beschlussfassung vorgelegt. Im Februar und März erfolgt die vorgeschriebene Offenlage von vier Wochen, binnen derer Bürger auch Einwände vorbringen können. Der neue Plan mit Dieselfahrverbot soll dann Ende April in Kraft treten.
Info& auf Mainz&: Mehr Reaktionen zum Dieselfahrverbot lest Ihr in diesem Artikel bei Mainz&, die Reaktion der CDU-Opposition gibt es hier. Das Urteil zum Dieselfahrverbot im Oktober 2018 samt damaligem Kenntnisstand könnt Ihr im Detail hier bei Mainz& nachlesen. Wie die Stadt noch im Juli 2019 einen Verzicht auf ein Dieselfahrverbot begründet hatte, lest Ihr hier bei Mainz&, den Bericht über die neuen Klagen der DUH gibt es hier.