Zwei Tage nach dem überraschenden Rücktritt von Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) haben die rheinland-pfälzischen Grünen die Nachfolge geklärt: Integrationsministerin Anne Spiegel soll kommissarisch bis zur Landtagswahl 2021 und dem danach folgenden Regierungswechsel auch das Umweltministerium führen. Die Leitung zweier Ministerien bedeute „viel Verantwortung, es ist eine Herausforderung“, sagte Spiegel am Freitag in Mainz. Das neue Amt gebe ihr aber die Chance, „mein Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Regierungsmitglied weiter zu führen.“

Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) übernimmt kommissarisch auch das Umweltministerium. - Foto: MFFJIV
Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) übernimmt kommissarisch auch das Umweltministerium. – Foto: MFFJIV

Spiegel ist auch Spitzenkandidatin der Grünen für die Landtagswahl 2021. Ihre beiden Ämter müsste sie dann auf jeden Fall bis zum 17. Mai 2021 ausfüllen, die nächste Regierung tritt traditionell am Verfassungstag des Landes, dem 18. Mai, ihr neues Amt an. Die studierte Politologin wurde 2016 in der Nachfolge von Irene Alt Integrationsministerin in Rheinland-Pfalz und lebt mit ihrem schottischen Mann und vier Kindern in Speyer.

Neuer Staatssekretär im Umweltministerium soll der bisherige Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Ulrich Kleemann, werden, aber nur für den Rest der Legislaturperiode. Höfken war am Mittwoch überraschend wegen eines Beförderungsskandals in ihrem Ministerium mit Wirkung zum 31. Dezember zurückgetreten: In ihrem Haus waren jahrelang mindestens 160 Beförderungen rechtswidrig erfolgt. Auch Höfkens Staatssekretär Thomas Griese reichte deshalb einen Antrag auf Versetzung in den Ruhestand ein.

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Spiegel soll nun bis zum Ende der Legislatur als Superministerin alle beiden Ressorts der Grünen in der rheinland-pfälzischen Ampel-Koalition alleine führen. „Ich werde dann Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration, Verbraucherschutz, Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten“, sagte die 39-Jährige, „da muss man erst einmal tief Luft holen.“ Das sei eine „große Herausforderung“, werde aber möglich, weil sie sich von einem tollen Team getragen fühle, betonte Spiegel. Möglich sei das im Integrationsministerium , weil sie mit Christiane Rohleder „eine wunderbare Staatssekretärin“ habe, die bereits bewiesen habe, dass sie Verantwortung übernehmen könne. Rohleder hatte zwei Monate lang das Integrationsministerium maßgeblich geführt, als Spiegel nach der Geburt ihres vierten Kindes zwei Monate lang in der Babypause war.

Will sich mit Umweltthemen im Wahlkampf profilieren: Integrationsministerin und Grünen-Spitzenkandidatin Anne Spiegel bei einem Klimakongress. - Foto: Anne Spiegel auf Instagram
Will sich mit Umweltthemen im Wahlkampf profilieren: Integrationsministerin und Grünen-Spitzenkandidatin Anne Spiegel bei einem Klimakongress. – Foto: Anne Spiegel auf Instagram

Neuer Staatssekretär im Umweltministerium soll der Geologe Ulrich Kleemann werden, der bislang Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord war, und zum Ende der Legislatur in den Ruhestand gehen wollte. Kleemann werde nur für den Rest der Amtszeit als Staatssekretär wirken, betonten die Grünen. Die Übernahme des neuen zusätzlichen Ressorts gebe ihr „die Chance, mein Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Regierungsmitglied weiter zu führen“, sagte Spiegel: „Ich werde mich engagiert für zentrale Themen wie Umwelt und Biodiversität einsetzen.“

Diese ur-grünen Themen sei der „zentrale Markenkern der Grünen, den wir voranbringen wollen“, betonte Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun. Dass Spiegel das Integrationsministerium aufgebe und ganz ins Umweltministerium wechsele, sei nie eine Option gewesen: Spiegel habe als Integrationsministerin „einen tollen Job gemacht“, betonte Braun, ein Wechsel wäre „ein Bruch gewesen.“ Partei und Fraktion seien sich einig gewesen, dass dies die beste Lösung sei, betonte Grünen-Landeschefin Misbah Khan: „Wir haben verschiedene Perspektiven beleuchtet und waren alle einhellig der Meinung, das dies die beste Lösung ist.“

Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) war am Mittwoch wegen eines Skandals um rechtswidrige Beförderungen zurückgetreten. - Foto: gik
Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) war am Mittwoch wegen eines Skandals um rechtswidrige Beförderungen zurückgetreten. – Foto: gik

Höfken hatte am Mittwoch überraschend ihren Rücktritt angekündigt, nachdem sie wochenlang wegen einer jahrelangen rechtswidrigen Beförderungspraxis in ihrem Ministerium unter Druck gestanden hatte. So hatte ihr Ministerium zwischen 2011 und 2020 in 160 von 248 Fällen auf eine Beurteilung verzichtet, die bei Beförderungen dazu dienen soll, den besten Bewerber zu ermitteln. Auch nach einem ersten Gerichtsurteil 2014 ging die rechtswidrige Beförderungspraxis weiter – befördert wurden vor allem grüne Parteigänger, das Koblenzer Oberverwaltungsgericht bescheinigte der Ministerin nichts weniger als „Ämterpatronage“. Stellen seien nach „Gutsherrenart“ besetzt worden, das System im Umweltministerium sei „von Willkür geprägt“, so das Koblenzer Gericht.

Höfken hatte zu dem Skandal lange geschwiegen, ihr Staatssekretär Griese hatte im Landtag eine Entschuldigung vorgebracht, die die Opposition aber als wenig glaubwürdig rügte. Auch Höfken entschuldigte sich schließlich, die CDU kritisierte jedoch, die Ministerin lasse weiter jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen. Mit dem Rückzug von Ministerin und Staatssekretär wäre auf einen Schlag die gesamte Hausspitze des Umweltministeriums weggewesen, und das vier Monate vor der Landtagswahl am 14. März 2021.

Die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder war als Nachfolgerin Höfkens gehandelt worden. - Foto: Stadt Mainz
Die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder war als Nachfolgerin Höfkens gehandelt worden. – Foto: Stadt Mainz

Unmittelbar nach Höfkens Rücktritt wurden denn auch verschiedene Varianten diskutiert, im Gespräch für eine mögliche Höfken-Nachfolge ist seit Längerem die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne): Eder, die einmal Büroleiterin Höfkens war, macht aus ihren Ambitionen auf ein Ministeramt wenig Hehl, ein Wechsel so kurz vor einer Wahl mit ungewissem Ausgang wäre aber einem Sprung auf einen Schleudersitz gleichgekommen – Eder ist noch bis 2027 als Umweltdezernentin gewählt. Auch andere Varianten, wie eine Übernahme des Umweltministeriums durch einen weiteren Grünen-Politiker waren diskutiert worden, das Haus ist seit den Rücktrittsankündigungen in mehr als einer Hinsicht kopflos.

„Wichtig ist, dass wir Ruhe und Stabilität hinein bringen, und für einen Stabilitätsanker sorgen“, betonte Spiegel denn auch. Für die 39-Jährige ist die Übernahme des Hauses nicht ohne Risiko: Die Leitung von gleich zwei Ministerin mit einem dermaßen großen Verantwortungsbereich ist eine Herkulesaufgabe, dazu müsste Spiegel das Umweltministerium beruhigen und neu ordnen. Zudem befürchteten manche Grünen-Vertreter, der Höfken-Skandal könne auch auf Spiegel als Spitzenkandidatin im Wahlkampf abstrahlen – immerhin muss Spiegel jetzt auch die Aufarbeitung verantworten.

Pressekonferenz der rheinland-pfälzischen Grünen zur Höfken-Nachfolge, von links: Fraktionschef Bernhard Braun, Anne Spiegel, Landeschefin Misbah Khan. - Screenshot: gik
Pressekonferenz der rheinland-pfälzischen Grünen zur Höfken-Nachfolge, von links: Fraktionschef Bernhard Braun, Anne Spiegel, Landeschefin Misbah Khan. – Screenshot: gik

„Es sind zweifelsohne Fehler passiert, es ist wichtig, dass die auch behoben werden“, sagte Spiegel dazu. Für die Beförderungsverfahren bedeute das, es werde einen „kompletten Neustart geben, die ersten Schritte sind schon veranlasst“, kündigte Spiegel an. Verwaltungsexperte Kleemann solle „mit aller Gründlichkeit neue Standards etablieren.“

Offenbar wollte Spiegel aber auch vermeiden, dass sich gerade im Landtagswahlkampf ein grünes Machtzentrum neben ihr aufbaut, zudem sieht sie das Umweltressort als Möglichkeit, sich selbst stärker als grüne Frontfrau mit den Kernthemen der Partei zu profilieren. Das neue Amt gebe ihr die Chance, „mein Engagement für Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Regierungsmitglied weiter zu führen“, sagte Spiegel selbst. Als Integrationsministerin war sie in der Corona-Krise blass geblieben, Kritiker warfen ihr vor, nicht genug für die Sicherheit von Flüchtlingen in den Massenunterkünften des Landes getan zu haben: Immer wieder kam es dort zu Massen-Infektionen.

Spiegels Ernennung zur Ministerin muss derweil noch von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bestätigt werden, laut Landesverfassung ist es die Ministerpräsidentin, die ihre Minister ernennt und erlässt. Auch ist die Frage des Ressortzuschnitts eigentlich Kernaufgabe der Ministerpräsidentin. Spiegel räumte ein, es kämen jetzt „noch weitere Verfahrensschritte ins Spiel“, auch was den Landtag betreffe. „Das ist jetzt unser Vorschlag“, betonte sie zudem.

Für ihr Vorgängerin hatte Spiegel derweil nur Lob: „Ich bedauere den Rücktritt von Uli Höfken und Thomas Griese wirklich sehr“, betonte sie, „ich habe mit beiden intensiv zusammengearbeitet.“ Beide hätten den Klimaschutz und die Erneuerbaren Energien in Rheinland-Pfalz erheblich voran gebracht, „ohne Uli Höfken würde es keinen Nationalpark in Rheinland-Pfalz geben“, betonte Spiegel: „Ich zolle ihr ausdrücklich Respekt.“

Dreyer äußerte sich am späten Nachmittag schriftlich: Sie „beabsichtige, den Ministerrat mit der Zuweisung der weiteren Geschäftsbereiche des Ministeriums für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten an Frau Staatsministerin Anne Spiegel zu befassen“, teilte Dreyer in einer dürren Mitteilung mit. Kleemann solle nach der Versetzung von Grieses in den Ruhestand als Staatssekretär berufen werden. Dreyer dankte zudem Höfken „für die gute und immer vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Regierungskoalition“ sowie Griese für seine Arbeit.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Rücktritt Höfkens lest Ihr hier bei Mainz&.

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