Paukenschlag am Mittwochabend im Mainzer Regierungsviertel: Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) tritt nach einem Skandal um rechtswidrige Beförderungspraktiken im Umweltministerium zurück.  „Ich lege mein Amt zum Ende des Jahres nieder“, teilte Höfken am Abend schriftlich mit, mit ihr geht auch ihr Staatssekretär Thomas Griese. Damit muss Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vier Monate vor der nächsten Landtagswahl ihr Kabinett neu ordnen – heiße Kandidatin für Höfkens Nachfolge ist die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne).

Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) kündigt ihren Rücktritt zum Jahresende 2020 an. - Foto: MUEEF
Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) kündigt ihren Rücktritt zum Jahresende 2020 an. – Foto: MUEEF

Die 65 Jahre alte Höfken war seit dem 18. Mai 2016 Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten in der rot-gelb-grünen Ampel-Koalition von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und zuvor fünf Jahre lang Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft und Weinbau. Seit Wochen stand die Ministerin unter erheblichem Druck, seit die Rhein-Zeitung publik gemacht hatte, dass in ihrem Ministerium jahrelang bei Beförderungen gegen geltendes Recht verstoßen worden war. So hatte das Ministerium zwischen 2011 und 2020 in 160 von 248 Fällen auf eine Beurteilung verzichtet, die bei Beförderungen dazu dienen soll, den besten Bewerber zu ermitteln.

Die Opposition argwöhnt, in Höfkens Ministerium herrsche „Günstlingswirtschaft“, offenbar seien grüne Parteifreunde einfach nach Gutdünken befördert worden. Die Ministerin zeige zudem keinerlei Unrechtsbewusstsein und ducke sich weg, kritisierte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf: „Es haben sich Abgründe aufgetan. Eine solch vehemente eklatante Form von Rechtsverstößen ist mir in den 20 Jahren noch nicht vorgekommen“, sagte der Rechtsanwalt, der auch Spitzenkandidat der CDU für die Landtagswahl 2021 ist.

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Tatsächlich war die illegale Beförderungspraxis auch in den vergangenen vier Jahren Jahren weitergegangen: in 85 von 95 Fällen blieben Beurteilungen aus – und das, obwohl das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht (OVG) schon 2014 die Beförderungspraxis im Höfken-Ministerium massiv gerügt hatte. Das Gericht sprach damals von nichts weniger als „Ämterpatronage“, Stellen seien nach „Gutsherrenart“ besetzt worden, das System im Umweltministerium sei „von Willkür geprägt“, so das Koblenzer Gericht.

Auch Höfken Staatssekretär Thomas Griese geht zum Jahresende 2020. - Foto: MUEEF/ Feisal Grombali
Auch Höfkens Staatssekretär Thomas Griese geht zum Jahresende 2020. – Foto: MUEEF/ Feisal Grombali

Für die Opposition von CDU und AfD war die Ministerin danach nicht mehr zu halten, wiederholt forderte vor allem die CDU, Höfken müsse zurücktreten. Im Landtag schickte Höfken zunächst ihren Staatssekretär Thomas Griese vor. Der entschuldigte sich zwar wortreich, doch angesichts der bis zuletzt herrschenden Praxis blieben Zweifel an der Glaubwürdigkeit. Höfken selbst entschuldigte sich erst Anfang November im Mainzer Landtag für die Rechtsverstöße, behauptete aber erneut, ihr Ministerium habe nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Rheinland-Pfalz sofort reagiert und dafür gesorgt, dass die Beförderungspraxis geändert werde.

Die CDU reagierte regelrecht geschockt und forderte nun Dreyer auf, die Ministerin zu entlassen. Dreyers Regierungssprecherin Andrea Baehner sorgte daraufhin für Erstaunen: Baehner wies die Forderung dnach Entlassung mit der Begründung zurück, die Ministerpräsidentin sei „weder Dienstvorgesetzte noch Vorgesetzte der Mitglieder der Landesregierung.“ Dabei heißt es in der Landesverfassung explizit, noch in der rein männlichen Form: „Der Ministerpräsident ernennt und entlässt die Minister.“

Als dann noch die Rhein-Zeitung berichtete, Höfken habe eine langjährige Vertraute zur Präsidentin des Landesumweltamtes gemacht, wuchs der Druck auf Höfken weiter – die Ministerin drohte zur Belastung ihrer Partei im anstehenden Landtagswahlkampf zu werden. Die CDU drohte offen mit einem Misstrauensvotum gegen die Ministerin in der kommenden Landtagssitzung, Höfken zog nun die Konsequenzen: „Als Umweltministerin lege ich mein Amt zum Ende des Jahres nieder“, teilte die Ministerin mit, Staatssekretär Griese bitte um Versetzung in den Ruhestand zum 31. Dezember 2020.

Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) bei der Entgegennahme von Unterschriften gegen den Ausbau der A643 durch den Mainzer Sand. - Foto: privat
Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) bei der Entgegennahme von Unterschriften gegen den Ausbau der A643 durch den Mainzer Sand. – Foto: privat

„Wir möchten dem Umweltministerium mit unserer Entscheidung die Rückkehr zu den ureigenen Themen, die immer wichtiger werden, ermöglichen“, schrieben Höfken und Griese. Es gelte, „die zentralen Zukunftsthemen Klimaschutz, Energiewende und Biodiversität wieder an erste Stelle zu rücken und zum Schutz ihrer Mitarbeiter die Konsequenzen zu ziehen.“

Die Fehler, die bei Beförderungen im Ministerium passiert seien, „bedauern wir zutiefst und haben diese im Sinne des Oberverwaltungsgerichts umgehend korrigiert“, heißt es im Schreiben weiter. Auch im Hinblick auf die Mitarbeiter weise man die öffentlich erhobenen Vorwürfe der Parteipatronage entschieden zurück. „Wir sind uns ganz sicher, dass die Koalition hinter uns steht und ein mögliches Misstrauensvotum der CDU nicht die mindeste Chance hätte“, betonten Höfken und Griese weiter.

„Uns ist es immer um die Inhalte und die Sache gegangen“, betonten die beiden Grünen-Politiker, „unser Schwerpunkt lag immer im Erreichen des Möglichen und Konkreten.“ Als Erfolge sehe man die Gründung des Nationalparks Hunsrück-Hochwald, das Artenschutzprogramm „Aktion Grün“, die „Aktion Blau Plus“ zum Schutz der Gewässer, den Aufbau der Energieagentur und der Solar-Offensive, die naturnahe Waldwirtschaft sowie die Unterstützung des Öko-Landbaus.

Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) auf ihrer Sommertour 2015. - Foto: MUEEF
Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) auf ihrer Sommertour 2015. – Foto: MUEEF

Höfken stand für eine eher fundamental-praktische Politik der Gründergeneration der Grünen, für die Diplom-Agraringenieurin, die lange im Bundestag saß, waren Umweltschutz und Ökolandwirtschaft sowie der Ausbau von Windenergie Leib- und Magenthemen – Höfken stand damit auch für die Kernthemen der Grünen. Mit ihr als Ministerin blockierten die Grünen aber auch den sechsspurigen Ausbau der A643 durch den Großen Mainzer Sand sowie den Bau neuer Rheinbrücken.

In Mainz machte sich Höfken zuletzt wenig Freunde, weil sie hartnäckig Messungen zum Ultrafeinstaub in den Einflugschneisen zum Frankfurter Flughafen verweigerte – obwohl sie die ursprünglich selbst angekündigt hatte. In gleich zwei Fällen legten deshalb Kritiker Untätigkeitesbeschwerden gegen die Ministerin in der Staatskanzlei ein: Wegen der Ultrafeinstaubmessungen sowie wegen viel zu hoher Pestizidwerte in Honigpollen, wegen der rheinland-pfälzische Imker vehement Abhilfe forderten, allerdings vergeblich.

Höfkens Abgang stellt Ministerpräsidentin Dreyer nun vor eine ausgesprochen unangenehme Situation: Nur vier Monate vor der Landtagswahl im Märt 2021 muss sie ein wichtiges Mitglied ihres Kabinetts und gleich eine ganze Hausspitze ersetzen. Einfach wird das nicht: Wer immer auf den Ministerprosten nun nachrückt, muss damit rechnen, in vier Monaten schon wieder ohne Amt zu sein: Wie die Landtagswahl 2021 ausgeht, ist völlig unentschieden, eine Fortsetzung der Ampel-Regierung alles andere als sicher. In den Umfragen liegt seit Monaten die CDU deutlich vor der SPD, die Ampel-Koalition hätte nach derzeitigem Stand keine Mehrheit – und die FDP muss sogar mit Werten von um die fünf Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen.

Liebäugelt schon länger mit einem Aufstieg auf die Landesebene: die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne). - Foto: Stadt Mainz
Liebäugelt schon länger mit einem Aufstieg auf die Landesebene: die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne). – Foto: Stadt Mainz

Als heiße Kandidatin gilt die Mainzer Umweltdezernentin Katrin Eder: Dass die Mainzer Grüne Ambitionen auf das Umweltministerium hegt, gilt in Mainz als offenes Geheimnis. Ein Wechsel nur vier Monate vor einer unsicheren Landtagswahl wäre allerdings ein großes Wagnis: Eders Amtszeit als Umwelt- und Verkehrsdezernentin wurde gerade erst 2019 verlängert und geht noch bis 2027. Andererseits ist die Grüne gerade mit ihrer Verkehrspolitik stark umstritten, ihr rigides Zurückdrängen des Autoverkehrs in der Innenstadt, Tempo 30 und ein massiver Abbau von Parkplätzen machen sie zu einer echten Reizfigur. Ein Wechsel in die meist eher ruhigere Landespolitik käme da vielleicht Recht – und würde schließlich auch einen großen Karriereschritt bedeuten.

Stattdessen könnte auch ein „Einspringer“ zum Zuge kommen, mit den Hufen scharren Nachwuchs-Grüne wie der Mainzer Kreischef Christian Viering, auch die Mainzer Grünen-Chefin Katharina Binz käme dafür womöglich infrage – Binz hat als Landtagsabgeordnete immerhin schon Erfahrungen auf Landesebene und war zudem von 2013 bis 2017 Landesvorsitzende der Grünen. Das ist derzeit als männlicher Teil des Vorstandsteams der langjährige Bundestagsabgeordnete Josef Winkler – er käme mit seiner umfangreichen Erfahrung als neuer Ministeriumschef gut in Frage.

Winkler dankte Höfken und Griese am Abend auf Facebook „für ihre langjährige erfolgreiche Arbeit und für diesen honorigen Akt der Verantwortungsübernahme“. Höfken habe die grüne Politik in Rheinland-Pfalz seit Jahrzehnten geprägt, „die Partei schuldet ihr großen Dank für dieses langjährige intensive politische Engagement“, schrieb Winkler. Und noch eine andere Mainzerin könnte vielleicht im Rennen sein: Die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner war schon 2016 im Gespräch für einen Ministerinnenposten, verzichtete dann aber zugunsten von Anne Spiegel, die das Integrationsministerium übernahm. Ein Aufrücken Rößners in eine Ministeramt erscheint allerdings nach ihrem Scheitern der Mainzer OB-Wahl 2019 unwahrscheinlich – die gelernte Journalistin würde gerne weiter im Bundestag bleiben.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Arbeit von Katrin Eder haben wir in einer Bilanz zu ihrer Wiederwahl 2019 hier auf Mainz& geschrieben.

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