Die Frankfurter Historikerin Janina Steinkrüger ist neue Umwelt- und Verkehrsdezernentin von Mainz. Der Mainzer Stadtrat wählte die Grüne am Dienstag mit 31 Stimmen zur Nachfolgerin der in die Landespolitik gewechselten Grünen-Politikerin Katrin Eder. Steinkrüger bekam damit nicht alle Stimmen der Ampel-Fraktionen von Grünen, SPD und FDP – zwei Stimmen fehlten. Damit setzte sie sich denkbar knapp gegen zwei Gegenkandidaten durch: Die CDU hatte ihren Verkehrsexperten Thomas Gerster nominiert, die ÖDP die SPD-Kommunalpolitikerin Gitta Weber. UPDATE&: Die Reden der Kandidaten & die Verabschiedung von Katrin Eder.
Damit ist die 46 Jahre alte studierte Historikerin Steinkrüger für die kommenden acht Jahre Dezernentin für Umwelt, Grün, Energie und Verkehr und tritt damit ein Schlüsselressort in der Landeshauptstadt an. Steinkrüger kommt aus Frankfurt, wo sie seit 2012 für die Frankfurter Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne) arbeitete, zunächst als persönliche Referentin, dann als Büroleiterin. Die Grünen hatten nach dem Abgang von Katrin Eder als Staatssekretärin in das neue Klimaschutzministerium das Vorschlagsrecht für den Posten, hatten in ihren eigenen Reihen aber keine geeignete Nachfolgekandidatin gefunden.
Zuvor hatten sich die drei von den Fraktionen nominierten Kandidaten in Vorstellungsreden dem Stadtrat präsentiert, Steinkrüger blieb dabei weitgehend vage und schöpfte die ihr zustehenden 15 Minuten Redezeit nicht einmal aus. Sie blicke „mit sehr, sehr viel Respekt“ auf die anstehenden Herausforderungen, sagte Steinkrüger, angesichts des fortschreitenden Klimawandels sei Handeln nötig. Als Kernpunkte nannte sie weniger Flächenversiegelung und mehr Grün in der Stadt, dazu gehörten auch mehr Grün auf den Dächern, sowie mehr Grün im öffentlichen Raum, das gelte gerade für die Verdichtungsgebiete. Auch für den Schutz unbebauter Frischluftschneisen sprach sich die Frankfurterin aus, auf die Frage der ÖDP aber, ob sie denn aber das Wiesbadener Ostfeld, ein Neubaugebiet, das die Frischluftschneise für Mainz bedroht, verhindern würde, sagte Steinkrüger lediglich: Das Ostfeld sei „ein schlechtes Beispiel“ für ein Denken, wenn sich eine Kommunen nur selbst betrachte.
Steinkrüger bekannte sich zudem eindeutig für die Verkehrswende und das Zurückdrängen von Autos in der Innenstadt. „Mobilitätswende bedeutet Vorfahrt und mehr Raum für die, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind, oder mit dem ÖPNV“, unterstrich sie. Es gehe „nicht darum, den Menschen das Auto zu verbieten, wie es von den Lobbyisten gerne behauptet wird“, sondern darum, „Alternativen zu schaffen, um die Abhängigkeit vom eigenen Auto zu verringern“, sagte Steinkrüger. Die Alternativen seien „sichere Radwege, auf denen wir unsere Kinder fahren lassen würden“ sowie ein ÖPNV-Angebot rund um die Uhr. „Wir könne zeigen, dass Klimawandel und Verkehrswende mehr Lebensqualität und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum bedeuten“, fügte sie hinzu.
CDU-Gegenkandidat Thomas Gerster wartete hingegen mit einem detaillierten und umfangreichen Programm auf – auch wenn er durch die Mehrheit der Ampel-Fraktionen von vorneherein keine Chance hatte, gewählt zu werden. „Der Klimawandel ist eine Tatsache, wir haben den Klimanotstand beschlossen, daran müssen wir uns messen lassen“, betonte Gerster gleich zu Beginn seiner Rede, und forderte: „Wir müssen künftig verstärkt auf alternative Energien setzen.“ Konkret schlug Gerster große Photovoltaikanlagen auf Parkplätzen wie am Mainzer Fußballstadion vor, auch auf dem Jockel-Fuchs-Platz könne er sich „schattenspendende Pavillons mit Solardächern vorstellen“, mit der so gewonnenen Energie könnten in der Tiefgarage E-Autos geladen werden.
Auch das Mainzer Rathaus und andere Gebäude könnten mit transparenten Solarfolien auf den Fenstern ausgestattet werden, schlug Gerster weiter vor, und stichelte: Ob die Stadtspitze denn wohl schon einen Plan für ein Solardach oder vielleicht eine extensive Dachbegrünung auf dem Rathaus habe? Fassadenbegrünung an Schulgebäuden, energiesparende Bauweise sowie Verpflichtungen zu Dach- und Fassadenbegrünungen nannte der CDU-Mann weiter, und kritisierte: „Es ist mir unbegreiflich, wie man als Stadt eine Betonwüste wie im Zollhafen zulassen kann.“
Mehr Brunnen, mehr Bäche und eine tiefergelegte Kaiserstraße nannte Gerster als weitere Bausteine eines ökologischen Stadtumbaus – mehr dazu lest Ihr ausführlich hier – und forderte, statt einer Bauschuttdeponie im Weisenauer Steinbruch ein Naherholungsgebiet samt Baggersee. „Eine Wasserfläche dieser Größe würde auch zur Abkühlung des gesamten Stadtklimas beitragen“, betonte Gerster. In Sachen Verkehr nannte er ampelfreie und schnelle Radrouten, getrennt vom Autoverkehr, als wichtiges Ziel sowie einen attraktiven und zuverlässigen ÖPNV samt 365-Euro-Ticket. Den Ausbau der Straßenbahn in die Mainzer Neustadt nannte Gerster „sinnlos“, einen Ausbau Richtung Heilig-Kreuz-Areal und Ebersheim hingegen „sinnvoll“. Die Einführung von Tempo 30 auf den Hauptverkehrsstraßen halte er für gescheitert: In der jetzigen Form führe es weder zu einer Verstetigung des Verkehrs noch zu einer Reduzierung der Luftschadstoffe.
„Lassen Sie uns dafür sorgen, dass die Jahre nicht weiter vertan werden“, appellierte Gerster an die versammelten Stadträte, und betonte: „Ich wünschte, ich könnte Sie vom Koalitionszwang befreien, aber das müssen Sie schon selbst hinbekommen.“ Denn selbst aus der Ampelfraktion sei ihm vereinzelt versichert worden: Wenn es keinen Fraktionszwang gäbe, würde man lieber ihn wählen als die grüne Kandidatin, behauptete Gerster. Tatsächlich bekam der CDU-Mann am Ende 14 Stimmen, obwohl nur 12 CDU-Stadträte anwesend waren, eine Stimme kam von den Freien Wählern.
55 Stimmzettel wurden bei der Wahl am Ende abgegeben, 60 Mitglieder hat der Mainzer Stadtrat eigentlich. Gültige Stimmen gab es schließlich lediglich 47, acht Mitglieder hatten ihre Wahlzettel also ungültig gemacht oder sich enthalten. Von den gültigen Stimmen entfielen am Ende 31 auf Steinkrüger, damit bekam sie zwei weniger, als die Ampel-Fraktionen eigentlich Stimmen haben. Lediglich zwei Stimmen entfielen am Ende auf die ÖDP-Kandidatin Gitta Weber, die SPD-Kommunalpolitikerin aus Mainz-Weisenau verhaspelte sich bei ihrer Vorstellungsrede und blieb über weite Strecken vage.
Auch Weber sprach sich aber für vertikale Gärten aus – und schlug einen Hochgarten auf der gerade stillgelegten Hochstraße vor, analog zur „Grünen Brücke, nur in etwas größer.“ Weber plädierte zudem für Müllvermeidung statt Recycling oder Verbrennung vor, forderte Anreize für den Einsatz von mehr Erdwärme und Solarenergie sowie für sichere Radwege: „Die Kinder auf Radwege in Form von auf die Straße gemalten Piktogrammen, das kann es nicht sein“, betonte sie. Auch Weber forderte ein 365-Euro-Ticket, und schlug vergünstigte Tarife für Einkaufsbummler am Wochenende vor: Warum gebe es keine Aktionen, „dass Paare und Familien für einen Fünfer in die Stadt und zurück fahren können?“
Zu Beginn der Sitzung war zudem Steinkrügers Vorgängerin Katrin Eder feierlich verabschiedet und mit dem Ehrenring der Stadt für ihre 22 Jahre im Mainzer Stadtrat und in der Stadtspitze ausgezeichnet worden. „Wie beginnt man eine Abschiedsrede für eine, die Mainz ein ganzes Jahrzehnt geprägt hat, und die man eigentlich nur ungern gehen lässt“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in seiner Laudatio: „Die Stadt würde ohne Dich heute anders aussehen.“ Eder habe geholfen, die Stadt umzugestalten, wie kaum jemand anderes, sagte Ebling, und zählte auf: Große Langgasse, Boppstraße, der Ausbau der Fahrradinfrastruktur und nicht zuletzt die Mainzelbahn als größtes Einzelprojekt.
Immer wieder habe sich Eder in Auseinandersetzungen um schwierige Themen wie die Klärschlammverbrennungsanlage oder die Mülldeponie begeben, und die Auseinandersetzung nicht gescheut, sagte Ebling: „Du wurdest für Tempo 30 nicht gefeiert, aber das Dieselfahrverbot war vom Tisch.“ Gerade im Bereich Verkehr habe Eder „einen Paradigmenwechsel eingeleitet“, sie habe „das Vorrecht des Autos auf den öffentlichen Raum“ maßgeblich gekippt. „Du hast die Mobilitätswende mit großem Tempo gemeistert und eben auch die Balance gehalten“, würdigte Ebling die im Mai ausgeschiedene Dezernentin, auf sie treffe am besten das Motto eines US-Fahrradbauers zu: „Zeigen sie mir ein Problem dieser Welt, und ich gebe Ihnen das Fahrrad als Teil dieser Lösung.“
„Wir haben uns einmal durch die Stadt gegraben“, sagte Eder selbst, und staunte: „22 Jahre, genau die Hälfte meines Lebens habe ich in städtischen Gremien verbracht.“ Ihr Dezernat sei dasjenige, „das in dieser Stadt den meisten Ärger macht, wir hatten es miteinander nicht immer einfach“, bekannte sie, und kritisierte zugleich: „Ich war immer Schuld, auch wenn ich gar nicht Schuld war.“ Es sei aber gelungen, in Mainz „eine sehr gute Grundlage“ für die Herausforderungen der Klimakrise und der Verkehrswende zu schaffen, es gebe jetzt mehr Lebensqualität und mehr Naturräume, „dass Kinder sicher zu Fuß gehen und Rad fahren lernen können, dass man sich emissionsfrei bewegen kann und dass die Luft, die wir atmen, sauber ist“, bilanzierte Eder – die „Bürgerin Eder“ werde nun beobachten, wie sich das weiter entwickele.
Info& auf Mainz&: Die Stadtratssitzung vom 13. Juli 2021 könnt Ihr Euch im Übrigen selbst ansehen, und die Reden der Kandidaten noch einmal nachhören – hier im aufgezeichneten Livestream des Mainzer Stadtrats. Mehr über die neue Umwelt- und Verkehrsdezernentin könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.