„Wir haben verstanden“, lautete die Ansage der Ampel-Koalition im Rathaus. Es werde „eine neue Planung geben“, und die werde „so ausführlich diskutiert, dass uns das nicht noch einmal passiert“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Es war der 15. April 2018, und die Mainzer hatten soeben den Bibelturm am Gutenberg Museum mit 77,3 Prozent krachend abgelehnt. Mehr als ein Jahr danach ist praktisch nichts passiert. Die Stadt setzte eine Arbeitswerkstatt ein, die bislang immerhin acht Sitzungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Informationen zu den Ergebnissen gibt es so gut wie keine. Teilnehmer der Sitzungen berichten, sie dürften nichts sagen – ein allgemeiner Facebook-Post eines Teilnehmers musste zurück gezogen werden. Am Freitag wurde bekannt: Es werden zwei Alternativstandorte diskutiert – für Nachfragen war man nicht erreichbar. Mainz& fasst in einer Analyse zusammen, was seit dem 15. April 2018 geschah.

Das Gutenberg-Museum in Mainz am Liebfrauenplatz mit Gutenberg-Büste davor. - Foto: gik
Quo vadis Gutenberg-Museum? Ein Jahr und drei Monate nach dem Bürgerentscheid gibt es dazu weder ein Konzept noch Informationen. – Foto: gik

Das Bürgerbegehren am, 15. April 2018 hatte ein klare Botschaft: Mit 77,3 Prozent lehnten die Mainzer einen Bibelturm auf dem Liebfrauenplatz klar ab, von einer „Ohrfeige“ für die Stadtspitze, aber auch für die Nicht-Beteiligungspolitik der Handelnden war danach die Rede. Die städtischen Politiker gelobten zerknirscht Besserung: Man habe verstanden, werde die Bürger künftig einbeziehen – man werde alles besser machen, hieß es. Am 9. Mai 2018 beschloss der Stadtrat die Einrichtung einer Arbeitswerkstatt zur Modernisierung des Gutenberg-Museums, hier werde ein umfassendes Konzept entwickelt, von einem „Großen Wurf“ fürs Gutenberg-Museum war die Rede.

Am 21. Februar 2019, also fast ein Jahr danach, teilte die Stadt per Pressemitteilung mit: Die Arbeitswerkstatt sei nach mehreren vorbereitenden Treffen nun am 5. Februar 2019 erstmals zusammengetroffen. Die 25 Teilnehmer wollten „im Rahmen eines Workshops über die Zukunft des Gutenberg-Museums diskutieren.“ Man habe sich geeinigt, künftig alle vier Wochen im Zeitrahmen von vier Stunden zu tagen. Und man sei sich einig, „dass neben der inhaltlichen Arbeit die Information der Öffentlichkeit eine große Rolle spielt.“

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Entwurf für einen Bibelturm am Gutenberg-Museum. - Grafik: DFZ Architekten
Diesen Vorschlag für einen Bibelturm am Gutenberg-Museum lehnten die Mainzer mit großer Vehemenz ab. – Grafik: DFZ Architekten

Davon ist bislang jedoch nichts zu sehen. Die Arbeitswerkstatt tagt hinter verschlossenen Türen, Presse ist nicht zugelassen und erhält auch nach den Sitzungen keine Informationen. Anfragen an die zuständige Dezernentin Marianne Grosse (SPD) wurden in den vergangenen Wochen weggelächelt. Als das BI-Mitglied Gregor Knapp Anfang Mai 2019 in einem Facebook-Post oberflächlich die Arbeitsweise der Arbeitswerkstatt schilderte, war das Donnerwetter aus dem Kulturdezernat so groß, dass Knapp den Post zurückzog. Man habe Stillschweigen vereinbart und wolle in einem großen Konsens am Ende ein Ergebnis präsentieren, sagte Grosse der „Allgemeinen Zeitung“.

Am Freitag, den 5. Juli, wurde dann eine Pressemitteilung zu dem Fortgang der Arbeitswerkstatt verschickt – um 14.30 Uhr. Unmittelbar danach waren weder das Kulturdezernat noch die städtische Pressestelle per Email oder Telefon für Nachfragen zu erreichen.

Der Mitteilung zufolge kam die Arbeitswerkstatt zuletzt am 28. Juni 2019 zu ihrer achten Sitzung zusammen. Der Mitteilung zufolge beschäftigte sich die Arbeitswerkstatt zuletzt mit dem Thema bauliche Entwicklung und der Frage des Standortes, man setze sich „mit unterschiedlichen Szenarien“ auseinander: Sanierung des heutigen Schellbaus, ein möglicher Neubau an einem neuen oder dem bestehenden Standort oder auch die Umnutzung eines bestehenden Gebäudes.

Der Schellbau des Gutenberg-Museums ist offenbar doch maroder als bislang bekannt. – Foto: gik

Nach Mainz&-Informationen erstellten die Teilnehmer im Brainstorming-Verfahren ein Liste von 20 möglichen Standorten für das Gutenberg-Museum und beauftragten die Verwaltung im Juni damit, diese nach einem Kriterienkatalog zu prüfen. Die Mitarbeiter der Verwaltung hätten sich damit viel Arbeit gemacht, lobten Teilnehmer. Die Standorte seien unter anderem nach Machbarkeit, Eigentumsfragen oder Denkmalschutz untersucht worden, übrig blieben am Ende drei Standorte.

Da ist zum einen der aktuelle Standort am Liebfrauenplatz, der jedoch stark sanierungsbedürftig und eigentlich für das Weltmuseum der Druckkunst zu klein ist. Genau deshalb hatte das Museum selbst den ambitionierten Plan der Erweiterung des Museums mit Bibelturm und unterirdischen Räumen gefasst, der allerdings nie durch ein seriöses Finanzkonzept unterfüttert wurde. Der Schellbau sollte nach diesem Konzept saniert werden.

Mainz& erfuhr nun, dass die Verwaltung im Rahmen der Arbeitswerkstatt einräumte: Der Schellbau selbst ist so marode, dass eine Sanierung im Bestand wohl nicht wirtschaftlich sei – genau davor hatte die Bürgerinitiative Gutenberg-Museum stets gewarnt. Die Öffentlichkeit erfuhr davon bisher nichts.

Der Innenhof des Mainzer Schlosses mit Blick Richtung Große Bleiche und St. Peter. - Foto: gik
Entsteht neben dem Kurfürstlichen Schloss mit Blick auf die Große Bleiche ein neues Gutenberg-Museum? – Foto: gik

So hielt die Arbeitswerkstatt auch nach alternativen Standorten für ein neues Museum Ausschau, heraus kamen „der Parkplatz zwischen Sozialgericht und Schloss sowie die Fläche des so genannten Allianzhauses an der Bauhofstraße“, teilte die Stadt am Freitag mit. Diese Flächen sollten nun vertieft untersucht werden.

Der Parkplatz neben dem Mainzer Schloss war zuletzt eigentlich als Raum für einen öffentlichen Park im Gespräch, vor allem der Ortsbeirat Altstadt fordert hier vehement Grünflächen für die Mainzer ein. Aus Teilnehmerkreisen erfuhr Mainz& nun, ein Park ließe sich nach Vision der Arbeitswerkstatt durchaus mit einem neuen Museum zu einem höchst attraktiven neuen Anziehungspunkt verbinden. Das Allianzhaus wiederum, in dem derzeit Flüchtlinge untergebracht sind, gehört der städtischen Mainzer Aufbau Gesellschaft und harrt schon seit einiger Zeit einer neuen Entwicklung.

Das Allianzhaus an der Großen Bleiche harrt noch immer seiner zukünftigen Bestimmung. – Foto: Geografisches Institut.

Der Sprecher der Bürgerinitiative und derzeitige OB-Kandidat Nino Haaase kritisierte unterdessen im Gespräch mit Mainz&, dass die Stadt noch immer kein Konzept für das neue Museum entwickelt habe. Auch nach mehr als einem Jahr „wurde bisher nichts erreicht“, sagte Haase. Dass man ein Gesamtkonzept auch unabhängig von einem Standort entwickeln könne, zeige das Beispiel Hafenmuseum in Hamburg: Dort seien Fördergelder auf der Grundlage eines spannendes Konzeptes bewilligt und dann erst ein Standort gesucht worden, berichtete Haase.

Unterstützung für das Museum, betonten alle Zuständigen nach dem Bürgerentscheid vor einem Jahr, müsse von Bund und Land kommen, man wolle über die Frage des bisher allein von der Stadt Mainz getragenen Museums nachdenken. Mitte April dieses Jahres kündigte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) an, man wolle „in der Frage der Trägerschaft weiterkommen: Wir führen Gespräche mit dem Land Rheinland-Pfalz, und ein Treffen mit der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie dem Land und der Stadt ist geplant.“

OB-Kandidat Nino Haase wurde als Sprecher der Bürgerinitiative Gutenberg-Museum bekannt, die das Bürgerbegehren gegen den Bibelturm initiierte und Gegenvorschläge unterbreitete. – Foto: gik

Ob dieses Gespräch inzwischen stattgefunden hat, ist nicht bekannt. Der rheinland-pfälzische Kulturminister Konrad Wolf (SPD) teilte jedoch auf Anfrage des Mainzer CDU-Landtagsabgeordneten mit, die Landesregierung habe selbst „Gespräche mit der Beauftragten für Kultur und Medien geführt und einen gemeinsamen Gesprächstermin mit der Stadt Mainz angeregt.“ Die Antwort gab Wolf am 11. Juni 2019.

Das Land unterstütze das Gutenberg-Museum derzeit „durch die Abordnung von Lehrkräften im Umfang von 1,5 Stellen und wird dies auch zukünftig tun“, sagte Wolf, und weiter: „Ein Gesamtkonzept mit einem Finanzierungsplan für das Gutenberg-Museum hat die Stadt Mainz bislang nicht vorgelegt.“ Offenbar erreichten auch das Kulturministerium bislang nur wenige Inhalte, so sagte Wolf noch am 26. Juni im Kulturausschuss des Landtag laut Sprechvermerk: „Die Zukunftsperspektiven werden nach Kenntnis der Landesregierung in einer vom Stadtrat der Stadt Mainz eingesetzten ‚Arbeitswerkstatt Modernisierung Gutenberg-Museum‘ diskutiert.“

Johannes Strugalla, Sprecher der BI „Mainz für Gutenberg“. – Foto: gik

Am 15. Oktober 2018, genau ein halbes Jahr nach dem Bürgerentscheid, hatte sich die Bürgerinitiative der Bibelturm-Befürworter „Mainz für Gutenberg“ zu Wort gemeldet: „Stillstand auf der ganzen Linie und keine Anzeichen für eine Besserung“, schimpften die beiden BI-Sprecher Johannes Kohl und Johannes Strugalla. Eine außenliegende Fluchttreppe aus Metall und leer zu räumende Museumsbereiche seien die einzig sichtbaren Entwicklungen, die dringend nötige Sanierung und Erweiterung sei in keinster Weise in Sicht. „Alle Befürchtungen bewahrheiten sich – leider“, kritisierte die BI, „was fehlt, sind Perspektiven.“

Die sollten besser bald entwickelt werden: Laut der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung ist ein Gemeinderat an das Votum einer Bürgerbeteiligung für drei Jahre gebunden – ein Jahr und drei Monate sind davon bereits verstrichen.

Info& auf Mainz&: Die Kritik der BI „Mainz für Gutenberg“ findet Ihr ausführlich hier bei Mainz&, die Bekenntnisse der Parteien im Stadtrat nach dem Bürgerentscheid könnt Ihr hier noch einmal nachlesen. Mainz& hat heute auf fünf verschiedenen Telefonnummern sowie per Email versucht, Vertreter der Stadt Mainz bzw. ihrer Pressestelle für Nachfragen zu erreichen – vergeblich. Alle Recherchen in diesem Artikel beruhen entweder auf schriftlichen Unterlagen und Mitteilungen oder wurden von mindestens zwei Quellen unabhängig voneinander bestätigt. Das Ergebnis des Bürgerentscheids vom 15. April 2018 könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.

 

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