Nach stundenlangem Warten stand dann mitten in der Nacht endlich das Ergebnis der Bundestagswahl in Mainz: Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis geht der Wahlkreis Mainz klar an die SPD – der junge Spitzenkandidat Daniel Baldy holte sich im ersten Anlauf das Direktmandat. Auch bei den Zweitstimmen ging der Wahlkreis mit 26,7 Prozent klar an die Sozialdemokraten, im Stadtgebiet Mainz festigten allerdings die Grünen mit 27,5 Prozent der Zweitstimmen ihren Platz als stärkste Partei in Mainz. Für die CDU wurde der Wahlabend zum Desaster: Nur Zweite im Bund, schlechtestes Ergebnis jemals im Land Rheinland-Pfalz – und am Ende verlor die CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich auch noch ihren Platz im Bundestag.
„Aufregend, richtig, richtig spannend“, sagte Sabine Bätzing-Lichtenthäler, SPD-Fraktionschefin im Mainzer Landtag, im kurz vor 18.00 Uhr auf der Wahlparty der Mainzer SPD: „Wir haben einen tollen Wahlkampf gemacht und werden dafür belohnt werden“, sagte sie optimistisch – und behielt Recht. Der Sieg der Sozialdemokraten hatte sich in den Wochen vor der Wahl abgezeichnet, am Wahlabend selbst wurde es dann erst einmal noch so richtig spannend: 25 zu 25 – in den allerersten Prognosen um 18.00 Uhr lagen SPD und CDU sogar noch gleichauf.
Doch das änderte sich schnell, die SPD zog wieder leicht nach vorne, am Ende lagen die Sozialdemokraten mit 25,7 Prozent doch klar vor der CDU, die auf 24,1 Prozent kam. „Der Kandidat war ein Hauptgrund, sich für die SPD zu entscheiden“, analysierte denn auch der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun am Wahlabend im Gespräch mit Mainz&. Es war Olaf Scholz, der die Sozialdemokraten nach vorne brachte und letztlich zum Sieg führte, auch weil die Konkurrenten im Wahlkampf Fehler um Fehler machten.
Bei den Sozialdemokraten in Mainz herrschte denn auch am Wahlabend weithin Seligkeit – zumal die SPD auch in Rheinland-Pfalz zum ersten Mal seit 1998 wieder stärkste Kraft im Land bei einer Bundestagswahl wurde. 29,4 Prozent für die SPD landesweit – das waren 5,3 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2017. „Wir haben einen tollen Wahlkampf mit einem tollen, junge Team gemacht“, schwärmte SPD-Spitzenkandidat Thomas Hitschler, und unterstrich schon am frühen Abend: Olaf Scholz müsse jetzt Kanzler werden.
Für die CDU wurde der Wahlabend hingegen zum Debakel. „Katastrophe“ war die wohl meist gebrauchte Vokabel des Abends. Auf der Wahlparty der Mainzer CDU in Hechtsheim gab es versteinerte Gesichter angesichts des historischen Absturzes. 24,7 Prozent nur n och in Rheinland-Pfalz, ein Absturz um 11,2 Prozentpunkte – das war das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der rheinland-pfälzischen CDU bei einer Bundestagswahl. Und auch in Mainz war die Lage nicht rosiger: Mit 21,2 Prozent der Zweitstimmen landete die CDU nur noch auf dem dritten Platz im Wahlkreis Mainz, in der Stadt Mainz landeten die Christdemokraten gar mit 19,1 Prozent unter der 20-Prozent-Marke.
Das Rennen um das Direktmandat gestaltete sich deutlich enger: Bis eine Stunde vor Mitternacht lieferten sich die CDU-Bundestagsabgeordnete Ursula Groden-Kranich und ihre Herausforderer Daniel Baldy von der SPD ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Erst in der Nacht stand endgültig fest: Baldy holte mit 24,9 Prozent das Direktmandat im Wahlkreis vor Groden-Kranich mit 23,9 Prozent – die Hechtsheimerin verlor am Ende ihr Mandat ganz, weil über die CDU-Landesliste nur zwei CDU-Kandidaten in den Bundestag einziehen werden. Für Groden-Kranich reichte es auf Platz vier deshalb nicht zur Rückkehr nach Berlin.
Auf Platz drei der Direktkandidaten kam die Grüne Tabea Rößner mit 16,7 Prozent. Im Stadtgebiet Mainz holte Rößner mit 22,1 Prozent sogar Platz zwei und lag nur hauchdünn hinter Baldy, der im Stadtgebiet selbst auf 22,9 Prozent kam. Überhaupt festigten die Grünen auch bei der Bundestagswahl ihre Position als stärkste Kraft in Mainz und lagen mit 27,5 Prozent der Zweitstimmen erstmals bei einer bundesweiten Wahl deutlich vor den übrigen Parteien. In der Stadt Mainz kam die SPD mit 25,1 Prozent auf Platz zwei, die FDP lag bei 11,1 Prozent, die Linke kam immerhin auf 5,6 Prozent.
Weil der Wahlkreis Mainz aber erstmals auch weite Teile von Nieder-Olm, Bingen und Ingelheim umfasste, lag hier am Ende die SPD mit 26,7 Prozent der Zweitstimmen vor den grünen, die mit 23 Prozent noch vor der CDU mit 21,2 Prozent lagen. Die FDP kam im Wahlkreis Mainz auf 11,5 Prozent, die AfD lag bei 5,7 Prozent und die Linke kam auf 4,7 Prozent. Die Linkspartei hatte sich bei der Wahl deutlich mehr ausgerechnet, doch bundesweit verfehlte sie sogar mit 4,9 Prozent die 5-Prozent-Hürde für den Bundestag. Im Bundestag sitzt sie nur deshalb noch, weil ihre Spitzen in Berlin und in Ostdeutschland drei Direktmandate holten – damit zieht die Linke dennoch in den Bundestag ein.
Vor allem aber hatte die Linke in Mainz darauf gehofft, dass sie mit dem parteilosen Direktkandidaten Gerhard Trabert einen Coup landen könnte. Am Ende landete der bekannte Sozialmediziner bei 12,4 Prozent der Erststimmen, dem besten Ergebnis, das die Linkspartei je in Mainz hatte. Trabert äußerte sich dennoch enttäuscht, zeitweise hatte er aufgrund der breiten Unterstützung für seine Person, auch über Parteigrenzen hinaus, sich gar Hoffnung auf das Direktmandat gemacht.
FDP und Grüne hingegen avancierten mit ihrem Abschneiden im Bund nun zu den Kanzlermachern der Republik: Sowohl eine Ampel-Koalition unter Führung der SPD, als auch eine Jamaika-Koalition unter Führung der CDU wären mögliche Optionen, CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet beanspruchte trotz des desaströsen Abschneidens seiner Partei noch am Wahlabend ein Recht auf Regierungsbildung: Auch er wolle Gespräche mit FDP und Grünen über eine Regierungsbildung führen, sagte Laschet: „Die Wähler wollen, dass wir regieren.“
Bei den Mainzer Grünen setzt man hingegen eher auf eine Ampel: „Es ist nicht das einfachste Ergebnis, aber für die Grünen ergeben sich Chancen“, sagte Integrationsministerin Katharina Binz am Wahlabend gegenüber Mainz&. Sie persönlich habe ja „schon fünf Ampel-Verträge ausgehandelt“, sagte die Mainzerin mit einem Schmunzeln – Binz war sowohl bei den Ampel-Koalitionen auf Stadteben, wie auch bei der Landes-Ampel dabei. Mit der SPD habe man große Schnittmengen, mit der FDP sei es auch mal schwierig, räumte sie ein: „Es muss ja kein Traumteam sein, es muss dann eben gehen.“
Auch die Grünen hatten sich indes ursprünglich mehr ausgerechnet für die Bundestagswahl, im Frühjahr lag die Partei bei deutlich über 20 Prozent – dann verspielte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit einer wahren Serie an Fehlern die historische Chance der Grünen auf eine Kanzlerschaft. Baerbock sei vor allem bei älteren Wählern jenseits der 50 Jahre auf Skepsis gestoßen, sagte Uwe Jun, dort habe vielfach die Einschätzung vorgeherrscht: „Jemand, der so unprofessionell seinen Wahlkampf betreibt, ist für das Kanzleramt nicht geeignet – die ist noch nicht so weit.“
„Wir sind nicht Kanzlerin, aber dritte Kraft“, sagte Grünen-Landeschef Josef Winkler am Wahlabend gegenüber Mainz&. Die Grünen fuhren ihr historisch bestes Ergebnis in Rheinland-Pfalz bei einer Bundestagswahl ein, die Stimmung auf der Wahlparty war trotzdem erstaunlich nüchtern. „Robert Habeck wäre vielleicht der Kandidat der Herzen gewesen“, sagte Winkler, aber sehr viel mehr hätte auch der Mann aus dem Norden nicht geholt, glaubt er – die Erwartungshaltung, auch von außen, sei zu hoch gewesen, glauben sie hier. „Da wäre keiner ohne Fehler rausgekommen“, sagt einer.
„Das ist jetzt ein guter Auftrag für uns, und der Auftrag heißt: mehr Klimaschutz in der Bundesregierung“, betonte Winkler. Das sagte auch die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin Tabea Rößner in der SWR-Runde: „Viele Menschen sind an unsere Wahlkampstände gekommen und haben gesagt. es muss sich etwas ändern“, sagte Rößner, „ich habe noch nie so viel Zuspruch erlebt.“ Jetzt gelte es, im Bund „eine Klimapolitik zumachen, die anpackt und handelt“, betonte die Mainzerin.
Info& auf Mainz&: Alle Ergebnisse der Bundestagswahl in Mainz könnt Ihr hier beim Landeswahlleiter im Internet nachschlagen. Mehr zum Thema „Zwei Kanzler am Wahlabend“ lest Ihr hier bei Mainz&.