Erst eine Via Appia, dann eine Venusstatue, und nun reich verziertes Essgeschirr, Trinkgefäße und Amphoren – das Mainzer Zollhafengebiet war schon zur Römerzeit ein Ort von Handel und gehobenem Bürgertum. Vor 2000 Jahren genoss man hier offenbar schon gutes Essen, schöne Kleidung und gehobenes „Wohnen am Wasser“, das belegen nun Funde, die 2018 beim Neubau der Landesbank Baden-Württemberg ausgegraben und jetzt präsentiert wurden. Direkt an der heutigen Rheinallee fanden die Archäologen reich verziertes Essgeschirr aus Südfrankreich, Mantelspangen aus Emaille, Schreibblöcke, eine Nase aus Ton und einen wunderschönen Delphin aus Bronze.

Innenminister Roger Lewentz (SPD), GDKE-Chefin Heike Otto, Landesarchäologin Marion Witteyer und LBBW-Regionalvorstand Peter Hähner (von links) mit antiken römischen Amphoren im Innenhof der LBBW am Mainzer Zollhafen.. - Foto: gik
Innenminister Roger Lewentz (SPD), GDKE-Chefin Heike Otto, Landesarchäologin Marion Witteyer und LBBW-Regionalvorstand Peter Hähner (von links) mit antiken römischen Amphoren im Innenhof der LBBW am Mainzer Zollhafen.. – Foto: gik

Es war an einem Freitagnachmittag, als Landesarchäologin Marion Witteyer einen Anruf bekam: „Fahrt doch mal an die Rheinallee, da liegen römische Funde in einer Grube….“ Gesagt, getan – was dann folgte, waren eine Menge Überraschungen und ein Wunder. Direkt gegenüber der neuen Feuerwache an der Rheinallee entdeckten die Archäologen tatsächlich in einer Baugrube Fundamente aus der Römerzeit. Dass auch auf dieser Seite der Rheinallee einst römisches Siedlungsgebiet war, das wussten die Archäologen sehr wohl war doch ganz in der Nähe vor Jahren schon die große Jupitersäule gefunden worden. Doch das Gebiet zwischen Rheinallee und Rhein, der alte Zollhafen, galt als totes Gebiet für Archäologen. „Wir gingen davon aus, dass alles zwischen Rheinallee und Rhein zerstört ist, durch den Bau des Hafens und der Festungsanlagen“, sagte Witteyer.

Doch das war ein Trugschluss: Der Neubau der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) förderte ganz neue Erkenntnisse zutage. Das Wunder dabei: Die Landesbank gab den Archäologen Raum und Zeit für ihre Grabungen, keineswegs selbstverständlich, zumal die Bauherren mit Römerfunden nicht gerechnet hatten. „Wir erhielten eine archäologische Insel, auf der haben wir gearbeitet, und das lange“, berichtete Witteyer.

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Trinkgefäße, Gewandspangen und jede Menge Amphoren

12 Wochen lang gruben sich die Forscher im Sommer 2018 durch das Erdreich, tief schürfen mussten sie dabei gar nicht: In nur drei Metern Tiefe traten Fundamente und Brunnen zutage, dazu jede Menge Essgeschirr, Kannen, Trinkgefäße, Schreibtäfelchen, Gewandspangen aus Emaille – und jede Menge Amphoren.

Landesarchäologin Marion Witteyer mit den antiken römischen Funden in der Kantine der LBBW. - Foto: gik
Landesarchäologin Marion Witteyer mit den antiken römischen Funden in der Kantine der LBBW. – Foto: gik

Am Mittwoch präsentierte die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) gemeinsam mit dem zuständigen Innenminister Roger Lewentz (SPD) und der LBBW die Funde an der Rheinallee, denn das besondere: Die Überreste der Römerzeit werden in der LBBW in Teilen ausgestellt. Im Innenhof des neuen Gebäudes liegen etwa Amphoren in einem eigenen Viereck, die großen Gefäße dienten nicht etwa der Aufbewahrung von Öl oder Wein – mit den Amphoren wurden die Fundamente unter den Häusern verstärkt. Mit den Hohlkörpern habe man den Untergrund angehoben, nebeneinander gelegt werde daraus ein stabiles Fundament im weichen und nassen Uferboden, erklärte Witteyer.

Die Reste der alten Römersiedlung stammten aus der Zeit um Christi Geburt, betonte die Archäologin: „Das ist genau die Zeit der Gründung des Mainzer Legionslagers.“ Es war um 13 oder 12 vor Christi Geburt, als in Mainz ein großes Legionslager an der Mündung des Mains in den Rhein entstand, strategisch günstig und womöglich noch vor der Gründung rheinabwärts gelegener Lager wie Bonn oder Köln.

Antikes Kaufmannsviertel mit Via Appia, Venusstatue

Dass neben dem Römerlager auch eine zivile Siedlung – das römische Mongontiacum – stand, wissen die Archäologen schon lange, bislang war die Siedlung aber wenig greifbar – bis in den vergangenen Jahren bei Bauarbeiten immer neue Funde ans Licht kamen.

Krüge, Kannen, Schalen und Teller - römisches Essgeschirr, gefunden im Mainzer Zollhafen. - Foto: gik
Krüge, Kannen, Schalen und Teller – römisches Essgeschirr, gefunden im Mainzer Zollhafen. – Foto: gik

Da fanden die Archäologen 2019 bei Bauarbeiten an der Wallaustraße Fundamente eines großen Wohngebäudes mit Brunnen, Wasserbecken und Fußbodenheizung. Ein Vorstadtbereich, fast wie in Pompeii oder Herculaneum, mit Handwerkern, Kaufleuten, Läden – und einer Via Appia-gleichen Einfallstraße nach Mainz samt Gräbermeile mit Stelen. Im Herbst 2020 dann tauchten bei Grabungen auf dem Baufeld der Sahle Wohnen an der Rheinallee zwei antike römische Statuen auf, eine davon eine Venus-Statue, wie es sie nur selten gibt – die Funde stützten das Bild von einem wohlhabenden Handwerkerviertel mit einer sehr gehobenen Bevölkerung.

Und dieses Bild bekommt nun deutliche Verstärkung durch die neuen Funde, denn gefunden wurden unter der LBBW nicht nur Amphoren, sondern auch jede Menge Hinweise auf Genuss und Gourmets. „Wir haben Gefäße, Kannen, Schüssel und Teller, die zeigen, dass das Essen in einem gehobenen Umfeld stattgefunden hat“, berichtete Witteyer am Mittwoch. Wer immer hier wohnte, benutzte feines Geschirr und war reich genug, das einfach wegzuschmeißen, wenn es kaputt ging. So fanden die Ausgräber Trinkgefäße und Esslöffel, zwei Kannen aus Ton, die einst mit Metallen verziert waren, eine Kanne, die wohl einst zu einem Set mit Schale zum Fingerwaschen genutzt wurde, und hölzerne Schöpflöffel, die nur selten erhalten sind.

Schalen aus leuchtend rotem Ton, gefertigt in Südfrankreich, gefunden im Mainzer Zollhafen, aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. - Foto: gik
Schalen aus leuchtend rotem Ton, gefertigt in Südfrankreich, gefunden im Mainzer Zollhafen, aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. – Foto: gik

Ins Auge fallen zudem Schalen aus leuchtend rotem Ton, deren Oberfläche glänzt, als wäre sie aus modernem Plastik, die Schalen sind reich verziert – und wurden in Südfrankreich hergestellt. „Der Transport hierher war teuer, also hat man Filialen gegründet und dort ebenfalls solches Geschirr hergestellt“, sagte Witteyer. Die roten Tonschalen stammen wohl aus dem 2. Jahrhundert nach Christus, von der Zeit um Christi Geburt bis ins 4. Jahrhundert hinein reichen die Funde, „da ist Kulturgeschichte in allen Facetten vertreten“, sagte Witteyer.

Die Funde erzählen Geschichten vom Alltagsleben im römischen Mogontiacum, etwa die von edlen Gewandspangen aus Emaille, die wohl einst verloren gingen. „Ein Gefäß wurde weggeworfen, weil es keinen Deckel mehr hatte“, berichtete Witteyer, das Gefäß ist sehr schön gemustert und wurde wohl für Weihrauch oder Puder gebraucht.

 

Schrifttäfelchen belegen Viertel mit gehobener Bildung

Gefunden wurden auch Schreibtäfelchen aus Tannenholz, Fichte und Lärche, auf ihr vertieftes Innenfeld wurde eine Wachsschicht aufgetragen, in die ein Römer seine Notizen ritzte. „Wir wissen noch nicht, was da drauf steht, der Text muss noch entziffert werden“, sagte Witteyer. Üblicherweise hätten solche Täfelchen aber Briefe, Urkunden oder Geschäftsbelege enthalten, je nach Inhalt wurde das Täfelchen verschlossen und versiegelt. Eines von ihnen war adressiert – ein Quintus Latilius Prudens sollte das Schrifttäfelchen erhalten.

Mehrere antike römische Schrifttäfelchen wurden am Zollhafen gefunden. - Foto: gik
Mehrere antike römische Schrifttäfelchen wurden am Zollhafen gefunden. – Foto: gik

Die Schrifttäfelchen zeigen: Hier bewegten sich einst Menschen mit hoher Bildung und viel Geschäftssinn, dafür sprechen auch Funde wie eine kleine Schnellwaage oder ein gewaltiger Gewichtsstein von 8,2 Kilogramm, der aus dem fernen Belgien stammt. „Was macht der hier“, fragen sich nun die Archäologen, kam der Stein in einem Handelsschiff hierher, und diente er dem Handel oder einfach nur zum Beschweren?

Für die hohe Bildung spricht auch der Fund einer kleinen Nase mit schmalem Bärtchen darunter aus Ton, sie stammte wohl von einer Maske. „Solche Masken wurden zwischen Säulen aufgehängt, um Unheil abzuwehren, oder um zu zeigen, dass man kultiviert war“, sagte Witteyer. Ein ganz besonderes Schmuckstück ist ein wunderbar gebogener und reich verzierter bronzener Delphin, der womöglich einst einen Reisewagen zierte.

Schmuckstück aus Bronze: Ein fein verzierter und geschwungener Delphin, der einst wohl einen Reisewagen oder eine Truhe zierte. - Foto: gik
Schmuckstück aus Bronze: Ein fein verzierter und geschwungener Delphin, der einst wohl einen Reisewagen oder eine Truhe zierte. – Foto: gik

Die Funde sind nun in mehreren Wandvitrinen im neuen LBBW-Gebäude ausgestellt – passenderweise in der Kantine im Erdgeschoss. Erfreulich sei auch, dass die Funde künftig – nach Corona – auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten, sagte Innenminister Lewentz, bei der LBBW hieß es, man könne sich gut Besichtigungen als Teil von Führungen vorstellen. Die Möglichkeit, „einen archäologischen Fingerabdruck zu hinterlassen, ergreifen wir gerne“, fügte Witteyer hinzu: „Dadurch wird unser Netz an römischen Erinnerungsmerkmalen enger, und das Römische Mainz für jeden verständlicher.“

Info& auf Mainz&: Mehr zur Via Appia von Mainz lest Ihr hier bei Mainz&, die Geschichte der „Venus von Mainz“ haben wir hier berichtet. Mehr zur Geschichte des römischen Mainz könnt Ihr hier bei Wikipedia nachlesen. Und natürlich haben wir auch eine Fotogalerie von den Funden für Euch, bittesehr (alle Fotos: gik):

 

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