Die Mainzer sind ja wirklich ganz weit vorne, was das Willkommen gegenüber Flüchtlingen angeht. Festgestellt hat das heute mal wieder einer aus der Bundespolitik: Mainz sei „ein Leuchtturm“ in Sachen Willkommenskultur, sagte niemand Geringeres als der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt. Anlass war die Vorstellung eines Modellprojektes: Die Mainzer Ausländerbehörde soll sich zu einer Willkommensbehörde entwickeln. Die Mainzer machen unterdessen praktische Willkommenskultur – mit einem Benefizkonzert und PC-Schulungen.
Das Mainzer Ausländeramt ist eines von bundesweit zehn Behörden, die bundesweit Ideen und Konzepte für eine Willkommenskultur entwickeln. Einfach ist das nicht, Ausländerämter haben eine riesige Bandbreite von Leistungen: Visum erteilen, Aufenthaltsgenehmigung ausstellen, beim Familiennachzug helfen – und eben auch, Asylanträge zu bearbeiten. Alles zwischen Integration und Abschiebung eben. Nun sollen die Ämter zu Willkommensbehörden werden, in Mainz erarbeiten sie deshalb seit Oktober 2013 Änderungen.
„Wir haben viele Workshops hinter uns“, sagte Dieter Hanspach, Leiter des Bürgeramtes der Stadt Mainz und damit auch der Ausländerbehörde, am Donnerstag bei einem Pressetermin. Die 20 Mitarbeiter der Ausländerbehörde hätten zusammen gesessen, Ideen entwickelt, Projekte angestoßen. Heraus kam eine Wissensdatenbank und eine neu gestaltete Internetseite. Die Datenbank fasst alle konkreten Infos, Anordnungen und Gesetze zum Thema in einer Computerdatei zusammen, so soll der Service besser und schneller werden. Die Internetseite soll mit verbesserten Informationen auch die neue Willkommenskultur ausdrücken.
Ein anderes Projekt: Der Service-Point. Im Zimmer 174 lagern derzeit noch 20.000 Akten, im Sommer soll hier ein „Service-Point“ entstehen, eine erste Anlaufstelle in der Behörde. Jeder kenne das schließlich, sagt Hanspach: Man komme in eine Behörde, und wisse nicht wohin. Das gehe auch den Ausländern so, der Service-Point soll deshalb erste Informationen vermitteln, informieren über notwendige Papiere und auch Unsicherheiten nehmen.
„Wir wollen die Kunden an die Hand nehmen und ihm so das Gefühl geben, willkommen zu sein“, sagt Hanspach. Das sei auch im Interesse der Stadt selbst, ähnlich wie in einem Hotel: Wenn die Rezeption schmuddelig sei, sei auch das ganze Hotel nix. Die Ausländerbehörden – sie verstehen so langsam, dass sie die Visitenkarten der Kommunen sind.
Die Beispiele klingen banal, aber das sind sie nicht: Für eine grundlegende Änderung im Servicecharakter müssen die Mitarbeiter völlig umdenken. „Jahrzehntelang waren Ausländerbehörden nur auf den ordnungsrechtlichen Teil ihrer Arbeit fokussiert“, sagt Bülent Arsland vom Institut für Interkulturelles Management und Politikberatung in Düsseldorf. Arslan berät das Modellprojekt wissenschaftlich, mit Ordnungspolitik meint er die „bösen“ Seiten des Geschäfts: Ablehnung von Asylanträgen, Haftbefehl, Abschiebung.
Aus dem „Abschiebeamt“ eine Willkommensbehörde zu machen, das sei eine „tiefgreifende Veränderung“, sagt Arslan, ja: „Ein Kulturwandel.“ Und Arslan vergleicht das mit einem Eisberg: An der (kleinen) Oberfläche zeige sich die Veränderung in der Behörde an einer anderen Sprache oder einer neuen Webseite. Darunter aber liege der große Teil: eine neue Überzeugung, dass ein Willkommenskultur gut für die Stadt und gut für die eigene Arbeit ist.
In Mainz sei das gelungen, lobte Manfred Schmidt, die Mitarbeiter hätten „das Projekt als ihres angenommen“, die Unterstützung auch durch die Stadtspitze sei groß: „Mainz ist ein Leuchtturm, auf den andere Kommunen schauen.“ 1,1 Millionen Euro ließ sich der Bund übrigens das Projekt kosten, in Mainz gab das Land noch 10.000 Euro dazu, die Stadt richtete zwei zusätzliche Stellen ein.
Mainz und Willkommenskultur, das sei doch selbstverständlich, sagte dazu der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). Schließlich sei man hier Zuckmayers Völkermühle vom Rhein, „hier ist alles schon mal durchmarschiert.“ In der Tat. Und viele sind geblieben. Und sie werden noch bleiben: Auch in diesem Jahr werden wieder rund 600 Flüchtlinge in Mainz erwartet, gekommen sollen schon um die 430 sein.
Die Mainzer reagieren mit Wärme und kreativen Aktionen. Gerade läuft in Mainz eine Aktionswoche des Bündnisses
Refugees Solidarity unter dem Motto „Platz da?!“, die zeigen will, dass in Mainz Platz für alle ist – und die kritische Fragen zum Bau von Edelwohngebieten statt Mietwohnungen stellt. Für wen ist Platz in Mainz, und wie könnte eine „Stadt für alle“ aussehen? Zum Abschluss gibt’s am Samstag einen Fahrradkorso ab 11.30 Uhr, einen Straßendialog auf dem Frauenlobplatz und ab 18.00 Uhr eine Demo. Infos dazu findet Ihr hier.
Am Mittwoch, den 29. April, findet dann auf der Zitadelle in der Pfarrer-Landvogt-Hilfe ein Benefizkonzert für Geflüchtete aus Kriegsregionen, vornehmlich Familien statt. Es ist eine Kooperation der Landvogt-Hilfe, dem Verein Armut und Gesundheit, des Mainzer Rotary Clubs, des „Inner Wheel“ Clubs, der Stadt Mainz, der Flüchtlingshilfe Juventu und der Hochschule für Musik – das zeigt wieder einmal, wie breit solche Bündnisse in Mainz aufgestellt sind. Der Verein Armut und Gesundheit betreut ja schon seit 2013 Flüchtlinge in seiner Ambulanz ohne Grenzen, ein ganz praktischer und sehr wertvoller Beitrag zu einer Willkommenskultur.
In einem Amt ist das schwerer: Einen Sprachkurs haben sie gemacht, in Englisch, auch um deutsche Amtsbegriffe auf Englisch erklären zu können. „Wir wollen bei der Amtssprache flexibler werden“, betont Hanspach. Doch genau da zeigen sich auch die Grenzen der Willkommenskultur: Schwierige juristische Begriffe und Zusammenhänge, da müsse man auf Deutsch bestehen, „damit alles seine Ordnung hat.“ Einen Dolmetscher beschäftigen sie bei der Stadt aber nicht, das sei zu teuer. Immerhin: Die Mitarbeiter sprechen Französisch, Polnisch, Griechisch und Türkisch, bei Bedarf kann auf einen Dolmetscher des Malteser Hilfsdienstes zurückgegriffen werden.
Aber kann eine Behörde, die eben auch Flüchtlinge rigoros abschieben muss, wirklich eine echte Willkommensbehörde sein? „Sie können nciht in eine böse Behörde und eine gute Behörde teilen“, sagt Karin Weiss, Abteilungsleiterin Integration im Mainzer Integrationsministerium. Beides gehöre nun einmal zusammen, auch um die Flüchtlinge „kompetent beraten zu können.“
Gerade bei einer Abschiebung sei es wichtig, den Hintergund zu kennen, die Familie, die Umstände, sagt Weiss. „Wenn die Flüchtlinge das Gefühl haben, sie werden ehrlich beraten“, sei das besser, und je besser ein Mitarbeiter den Flüchtling kenne, desto besser könne die Beratung sein. Und im Übrigen gebe es da ja noch die Fachdienste für unabhängige Beratung bei den Sozialverbänden, sagte Weiss, die fördere das Land mit einer Million Euro im Jahr. Das mit der Willkommensbehörde wird also nicht so einfach…
Im November läuft das Modellprojekt des Bundes aus, in Mainz soll es dann eine Abschlussveranstaltung geben. Bis dahin sollen die angestoßenen Projekte realisiert sein, wir sind gespannt. Aus den entwickelten Ideen solle ein Werkzeug-Koffer für andere Ämter entwickelt werden, sagte Schmidt. Man hoffe sehr, dass auch andere sagten: „Das wollen wir auch.“