Hessen hat es tatsächlich getan: Das Nachbarland verbietet bereits ab dem kommenden Schuljahr Schülern die private Handynutzung im Schulgebäude und auf dem Schulgelände – und zwar an allen Schulen. Ausnahmen an weiterführenden Schulen und in Notfällen sind möglich, gleichzeitig soll die Medienbildung deutlich gestärkt werden. Und die Hessen sind nicht die einzigen: Am Vortag beschloss das Saarland ein Handyverbot an Grundschulen – in Mainz hingegen sperrt sich die Ampel-Regierung weiter gegen eine solche landesweite Regelung. Trotz Forderungen von Lehrern und eindeutiger Befunde von Experten.

Klaus Zierer war sehr klar: „Wir stecken in einer Bildungskrise, die Lernleistungen sinken, und die Daten sind sehr eindeutig: Allein die Anwesenheit des Smartphones in der Schule hat einen negativen Effekt auf Lernleistung und Aufmerksamkeit – deshalb müssen die Smartphones raus aus dem Klassenzimmer.“ Zierer ist nicht irgendwer, der Erziehungswissenschaftler ist Experte für Grundschulpädagogik und seit 2015 Professor für Schulpädagogik an der Universität Augsburg. In einer Studie stellte Zierer 2024 fest: Ohne Smartphones lernt es sich besser.
Zierer und sein Team untersuchten unter anderem, welchen Einfluss die Nähe eines eingeschalteten eigenen Smartphones auf die Lernleistung von Schülern hat, und sogar, welchen Einfluss ein ausgeschaltetes Handy hat. Die Ergebnisse sind deutlich: „Je näher das Smartphone ist, desto geringer ist die Aufmerksamkeit und Lernleistung“, sagte Zierer im April auf einer Tagung der SPD-Landtagsfraktion in Mainz. Mehr noch: Gerade soziale Medien spülten Kinder und Jugendlichen Bilder in die Köpfe, die sie nicht gar nicht verarbeiten könnten, dazu kämen Mobbing und schiere Überforderung mit der hohen Taktung an Informationen.
Forscher: Smartphones müssen raus aus dem Klassenzimmer
„Der Punkt der Kontrolle hat einen neurologischen Aspekt“, erklärte Zierer den anwesenden Politikern sowie Vertretern von Lehrern und Erziehungsverbänden: „Soziale Medien funktionieren mit Belohnungssystemen, die Impulssteuerung ist aber bis zum 18. Lebensjahr – längstens sogar bis zum 35. Lebensjahr – nicht ausgereift ist“, sagte der Forscher: „Um diese Impulse steuern zu können, braucht der Mensch eine gewisse körperliche Entwicklungsstufe – Kinder mit 12 Jahren etwa können es nicht, ihre körperliche Entwicklung ist gar nicht so weit, dass sie es können.“

Die klare Analyse des Forschers lautet deshalb: Was auf den Smartphones passiert, schadet Kindern und Jugendlichen, die Informationsflut überfordert die jungen Gehirne, Eindrücke von Gewaltszene, Sex oder Krieg schadeten den jungen Menschen. 70 Stunden pro Woche seien Kinder heutzutage im Internet unterwegs, der Forscher ist sich sicher: Das hat auch einen negativen Einfluss auf Konzentrationsfähigkeit und Wohlbefinden und schadet der Lernleistung in der Schule.
Zierers Forderung deshalb: „Die Smartphones müssen raus aus dem Klassenzimmer“ – nur: Gehör fand er damit bei der SPD nicht. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Kinder und Jugendliche vor den negativen Auswirkungen vor allem von Social Media und dessen Nutzung zu schützen“, es brauche „eine breite Diskussion über sinnvolle Maßnahmen, ein Verbot allein reicht dafür nicht aus“, sagte nach der Veranstaltung Sven Teuber, damals noch Bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion – und seit Mai 2025 Bildungsminister von Rheinland-Pfalz. Man sei „gegen starre und einseitige Verbote“ und setze stattdessen „auf konstruktiven Dialog und situationsspezifische Absprachen mit allen Beteiligten“ – so tönt es aus der SPD.
Bundesländer erlassen Handyverbote: Saarland, Hessen
Auch als Minister hat Teuber seine Haltung nicht geändert, dabei steht die rheinland-pfälzische Regierung mit ihrer Haltung zunehmend alleine da: Am Dienstag legte das Bundesland Schleswig-Holstein einen neuen Erlass vor, nach dem es schon im kommenden Schuljahr ein Verbot der Nutzung privater Handys an Schulen bis zur 9. Klasse geben soll, das kündigte Bildungsministerin Dorit Stenke (CDU) an. Am Mittwoch beschloss der Landtag im Saarland ein Handyverbot an Grundschulen und Förderschulen für die Klassen 1 bis 4, so wolle man die Kinder vor Gewalt und Mobbing schützen. Geleitet wird die Regierung von SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger.

Am Donnerstag machte Hessen Nägel mit Köpfen: Der Hessische Landtag beschloss mit den Stimmen der CDU-SPD-Koalition ein Gesetz für Smartphone-Schutzzonen – und das gleich an allen Schulen. Danach ist shcon ab dem Schuljahr 2025/2026 die private Verwendung mobiler Endgeräte für Schüler im Schulgebäude und auf dem Schulgelände ist grundsätzlich verboten, das Mitführen ist aber gestattet. Ausnahmen kann es an weiterführenden Schulen geben, hier können Bereiche für eine private Nutzung in der Schulordnung getroffen werden. Das können etwa Räume für Schüler der Oberstufe sein. Und natürlich ist die Benutzung von Smartphones oder Tablets für den Unterricht auch weiter erlaubt.
Hessen setze damit „ein klares Zeichen für mehr Konzentration, soziales Miteinander und seelische Gesundheit im Schulalltag“, betonte Bildungsminister Armin Schwarz (CDU), die gesetzliche Verankerung von Smartphone-Schutzzonen sei „ein großer Erfolg.“ Hessen setze damit bundesweit Maßstäbe, schütze die Gesundheit seiner Kinder – und beende eine andauernde Diskussion. „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie sich eine ausufernde Smartphone-Nutzung mit teilweise verstörenden Inhalten auf Social Media weiter negativ auf die psychische Gesundheit und das Lernen junger Menschen auswirkt“, betonte Schwarz, der zugleich ankündigte, die Medienbildung in den Schulen und zur Unterstützung der Eltern weiter zu stärken.

CDU fordert Handyverbot für Rheinland-Pfalz im Mainzer Landtag
Die CDU in Rheinland-Pfalz würde das auch gerne tun, sie brachte im Mai einen eigenen Gesetzentwurf im rheinland-pfälzischen Landtag ein, der kommende Woche zur zweiten Lesung ansteht. „Handys und Smartwatches für die private Nutzung haben in unseren Schulen nichts zu suchen“, betonte die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion, Jenny Groß: „Es geht um den Bildungserfolg unserer Kinder.“ Denn TikTok, WhatsApp oder Instagram schränkten die Konzentration und damit die Lernprozesse der Kinder ein, auch die mentale Gesundheit könne Schaden nehmen.

„Schulen müssen sichere Lernorte sein und bleiben“, die CDU wolle deshalb die Schule „zur handyfreien Zone für private Nutzung“ erklären, sagte Groß. Bislang aber müssten die Schulen solche Regelungen „unterschiedlich und in Eigenregie“ handhaben, das müsse sich jetzt ändern: „Rheinland-Pfalz braucht eine landesweit einheitliche schulgesetzliche Regelung“, forderte die CDU-Politikerin, es sei „zweifelsohne Aufgabe des Landes, dies zu regeln.“ Denn eine landeseinheitliche Regelung nehme den Schulen den Druck, Verbote gegenüber Eltern und Schülern durchsetzen zu müssen – doch bei der SPD lehnt man das ab: Es sei „sinnvoller, die Schulgemeinschaft in die Erstellung von Schulregeln einzubeziehen und beispielsweise mit Empfehlungen zu unterstützen“, sagte SPD-Bildungsexperte Florian Meier.
Nur dass die Schulgemeinschaften das Hick-Hack und die Debatten um die Verbote eigentlich gar nicht wollen: In Rheinland-Pfalz hätten in den vergangenen Jahren viele Schulen eigene Lösungen finden müssen, damit werde die Verantwortung „auf sie abgewälzt“, klagte der Landeschef der Lehrergewerkschaft VBE Lars Lamowski, selbst Schulleiter, in einer Anhörung im Landtag im April. Ein landesweites Verbot würde aus Sicht vieler Lehrer Konflikten in den Schulen vorbeugen: „Wie wäre es mit einer einheitlichen Lösung von oben, sodass nicht jede Schule diesen Kampf allein und von vorn austragen müsste. Das täte tatsächlich etwas für die Lehrergesundheit und würde Ressourcen schonen“, zitiert etwa die Gewerkschaft GEW eine Lehrkraft.
Handyverbote: „positiver Effekt, Schule wird wieder sozialer Raum“
Bei der GEW selbst hält man ein generelles Handyverbort „für realitätsfern“, viel besser sei es, „Kinder und Jugendliche zu befähigen, Smartphones verantwortungsvoll zu nutzen und Lehrkräfte als Bildungsprofis bei der Vermittlung von Medienkompetenz zu unterstützen.“ Dabei machen andere Länder wie Australien oder Frankreich längst gute Erfahrungen mit Handyverboten, und auch Experte Zierer berichtete von positiven Effekten: Ein Handyverbot entlaste die Lehrkräfte, „die können sich wieder stärker dem Kerngeschäft zuwenden“, berichtete er.
Mehr noch: „Man kann aus empirischer Sicht sagen, dass Handyverbote einen positiven Effekt haben“, betonte Zierer, besonders hoch seien die Effekte auf das soziale Wohlbefinden. „Kinder berichten, dass sie wieder lieber in die Schule gehen, sie spielen wieder miteinander“, berichtete Zierer: „Schule wird als echter sozialer Raum wieder sichtbar.“ Gleichzeitig müssten Kinder aber auch „Schritt für Schritt so in die Technik eingeführt werden, dass sie sie bedienen können und dass sie ihnen dient: das nennen wir Medienmündigkeit“, erklärte der Forscher. Dafür brauche es klare Regeln und Zeiträume für die Nutzung digitaler Geräte, aber eines brauche es nicht: „Um Medienbildung zu lernen, braucht ein Kind nicht ein eigenes Smartphone in der Schule.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Debatte um Handyverbote in Schulen lest Ihr auch hier auf Mainz&. Mehr zur Studie „Smartphone-Verbot an Schulen“ der Uni Augsburg unter Professor Klaus Zierer findet Ihr hier im Internet.