Wie soll das Regierungsviertel in Mainz künftig gestaltet werden? Ende Juli hatte die Stadt Mainz in einer Experimentierphase die Umwandlung des Parkplatzes Schloss in eine grüne Oase sowie die Sperrung der Großen Bleiche erprobt. Die Vollsperrung der Straße zwischen Schloss und Landtag stieß auf vehemente Kritik – die Verwaltung behauptete anschließend hingegen: Eine große Mehrheit sei für die Sperrung. Am Mittwoch tagt nun das Forum Regierungsviertel zum letzten Mal, es soll konkrete Empfehlungen für die städtischen Gremien erarbeiten – die dauerhafte Stilllegung der Großen Bleiche könnte das Ergebnis sein. Kritik gibt es derweil von den Freien Wählern.

Die Stadt Mainz lädt nun erneut zum "Forum Regierungsviertel". - Foto: Stadt Mainz
Die Stadt Mainz lädt nun erneut zum „Forum Regierungsviertel“. – Foto: Stadt Mainz

Das Regierungsviertel in Mainz zwischen Landtag, Kurfürstlichem Schloss, Allianzhaus und Justizministerium gehört zu den wenigen Grünzonen in der Innenstadt. Trotzdem ist gerade der Bereich mit dem Ernst-Ludwig-Platz und den Grünanlagen entlang der Grüßen Bleiche seit Jahren ungepflegt und weitgehend ungestaltet – bislang gab es viele Ideen von einem Schlosspark über einen Generationenpark, doch umgesetzt wurde nie etwas.

Im April hatte die Stadt Mainz nun das „Forum Regierungsviertel“ wiederbelebt, es soll Empfehlungen für die Umgestaltung des Bereichs zwischen Großer Bleiche, Kurfürstlichem Schloss, Landtag und der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz erarbeiten. Die Stadtverwaltung spricht von einem „breit angelegten Bürgerbeteiligungsprozess“, tatsächlich aber bestand das Forum aus 60 geladenen Vertretern gesellschaftlicher Gruppierungen, Experten, Anliegern sowie der Politik und Verwaltung.

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Punktuelle Umgestaltungen auf dem Ernst-Ludwig-Platz

Diese 60 Teilnehmer wurden in fünf sogenannte „Bänke“ eingeteilt, in denen Vorschläge und Ideen erarbeitet wurden. „Ziel ist ein Stadtentwicklungskonzept mit Maßnahmen, die dem Regierungsviertel eine eigene Identität verleihen, den öffentlichen Raum aufwerten und die Lebens- und Aufenthaltsqualität steigern“, heißt es von Seiten der Stadtverwaltung. Mit diesem „breit angelegten Öffentlichkeitsprozess soll ein stadtgesellschaftlicher Konsens über die städtebauliche Entwicklung des Areals entstehen.“

Rote Installationen auf dem Ernst-Ludwig-Platz bei der "Intervention" Ende Juli:; Ratlosigkeit statt Denkanstoß. - Foto: gik
Rote Installationen auf dem Ernst-Ludwig-Platz bei der „Intervention“ Ende Juli:; Ratlosigkeit statt Denkanstoß. – Foto: gik

Doch von Konsens war zumindest im Sommer wenig zu spüren: Vom 22. Juli bis zum 6. August 2023 führte die Stadt auf der Fläche des Regierungsviertels sogenannte „Interventionen“ durch: punktuelle Umgestaltungen vor allem rund um den Ernst-Ludwig-Platz, die die Bürger dazu anregen sollten, über die Gestaltung des öffentlichen Raumes nachzudenken. Die dazu aufgebauten Elemente wirkten indes eher verwirrend als anregend: Da tauchten auf dem Platz rote Wände auf, Blumen-Regale oder ein Sprühnebel-Bogen.

Kernpunkte des Experiments waren denn auch vor allem wohl zwei Bausteine: Die Umgestaltung des Parkplatzes Schloss zu einer Verweiloase mit Sitzgelegenheiten und Pflanzeneinrichtungen – und die Vollsperrung der Großen Bleiche für jeglichen Verkehr. Die Folge: Eine menschen- und fahrradleere Straße, auf der sich gar nichts tat, während sich gleichzeitig Busse und Autos durch die Flachsmarktstraße quälten und weitgehend im Stau standen. Die Tiefgarage unter dem Landtag war ebenso wenig erreichbar wie der Innenhof des Schlosses – die zentrale Zufahrt für Künstler und Caterer.

Ärger um Sperrung der Großen Bleiche und des Schloss-Parkplatzes

Die Sperrung führte denn auch zu scharfer Kritik in den sozialen Netzwerken, fassungslosen Reaktionen und großem Kopfschütteln. Die Mainzer CDU kritisierte zudem, der Test sei völlig unrealistisch, weil der ÖPNV ebenfalls umgeleitet werde – der solle aber auch in Zukunft durch die Große Bleiche rollen. Zudem führten die Umleitungen zu einer hohen Anwohnerbelastung an den Ausweichrouten, kritisierte CDU-Kreischef Thomas Gerster.

Gespenstige Leere: Die gesperrte Große Bleiche Ende Juli - ohne Autos, aber ebenso auch ohne Fahrräder oder Menschen. - Foto: gik
Gespenstige Leere: Die gesperrte Große Bleiche Ende Juli – ohne Autos, aber ebenso auch ohne Fahrräder oder Menschen. – Foto: gik

Ärger gab es wiederum in Sachen Schloss-Parkplatz, das rheinland-pfälzische Justizministerium intervenierte gar, weil in den angrenzenden Gerichten nun plötzlich Verhandlungen reihenweise verspätet begannen – die Stadt hatte nicht bedacht, dass der Parkplatz von Gerichtsbesuchern benötigt wird. Das Justizministerium habe deshalb die Stadt Mainz gebeten, den Parkplatz „Schloss“ wieder freizugeben, berichtete der SWR. Gerichte und Justizministerium seien zudem vorab nicht in die Pläne der Stadt eingebunden worden, habe das Ministerium kritisiert.

Die Einschränkungen im Justizbetrieb beschäftigten sogar den Mainzer Landtag: Eine Kleine Anfrage des rechtspolitischen Sprechers der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, an die Landesregierung bestätigte die Probleme an mehreren Gerichten in der Nachbarschaft durch die Sperrung. „Aufgelöste, gestresste Verfahrensbeteiligte, dazu nicht unerhebliche Verzögerungen im Sitzungsbetrieb der Gerichte, bedingt durch Verspätung der Verfahrensbeteiligten aufgrund der Parkplatzsuche“, berichtete der Mainzer Vorsitzende der Freien Wähler, Christian Weiskopf.

Stadt Mainz hatte Gerichte und Justizministerium nicht informiert

„Es zeigt sich, dass die Stadt gut daran getan hätte, alle Anlieger frühzeitig und umfassend zu informieren, um solche Problemlagen für unsere Justiz zu vermeiden“, betonte Weiskopf – die Stadt hatte einräumen müssen, dass die Justizstellen nicht informiert und eingebunden gewesen waren. „Es kann nicht sein, dass die Information über die Sperrung des Schlossparkplatzes und weiterer Parkplätze das Justizministerium und die betroffenen Gerichte erst am 17. Juli, dem ersten Tag der Sperrung, erreicht“, kritisierte Weiskopf.

Blumenregal am Jubiläumsbrunnen: Mehr Gestaltung war nicht. - Foto: gik
Blumenregal am Jubiläumsbrunnen: Mehr Gestaltung war nicht. – Foto: gik

Nach Angaben der Freien Wähler sei es der Intervention durch den Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) zu verdanken gewesen, dass es schnelle Lösungen für die Justiz gab; Haase habe „unmittelbar auf die Schreiben seitens der Justizverwaltung reagiert und Lösungen umgesetzt hat, um die Folgen der temporären Sperrung zu reduzieren“, teilten die Freien Wähler weiter mit. „Der neue Oberbürgermeister hat bewiesen, dass er bereit ist sich Kritik zu stellen und im Folgenden um zeitnahe Lösungen für alle Beteiligten bemüht ist“, lobten Weiskopf und Wefelscheid.

Bei einer zukünftigen Neugestaltung des Regierungsviertels müssten der mobilisierte Individualverkehr und die Parkplatzsituation unbedingt mit bedacht werden, betonte Weiskopf zudem: „Gerichte müssen auch in Zukunft für das rechtssuchende Publikum gut erreichbar bleiben, ebenso wie Ministerien und der Landtag – nur so kann Bürgernähe hier verwirklicht werden.“

Grosse: Mehrheit für Sperrung Große Bleiche und Parkplätzen

Bei der Stadt sieht man das offenbar anders: Ende August zog Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) ein zufriedenes Fazit der Sperrungsaktion. Einer Umfrage zufolge stimmten die Bürger mehrheitlich den Umgestaltungen, der Sperrung der Großen Bleiche und der Umgestaltung von Parkplätzen in Grün- und Erholungsflächen zum behauptete Grosse dabei. Tatsächlich hatte die Stadt nach der Experimentierphase ein Umfrageportal im Internet eröffnet, auf dem Bürger ihre Meinung und Ideen zu dem Test abgeben konnten – eine repräsentative Umfrage war das indes nicht. Zudem fand die Umfrage mitten in den Sommerferien statt, beworben wurde sie vor allem auf Stellwänden vor Ort – wer dort nicht langkam, wurde auf die Umfrage wahrscheinlich auch nicht aufmerksam.

Rote Ringe mit Bäumen während der Sperrung der Großen Bleiche. - Foto: Stadt Mainz
Rote Ringe mit Bäumen während der Sperrung der Großen Bleiche: Spielende Kinder? Radfahrer? Nicht in Sicht. – Foto: Stadt Mainz

Nach Angaben der Stadt beteiligten sich insgesamt 1.249 Bürger an der Umfrage, davon gaben 84 Prozent an, in Mainz zu wohnen, davon aber nur 17,9 Prozent im Regierungsviertel selbst. Ebenfalls 17,9 Prozent gaben an, im Regierungsviertel zu arbeiten. 85,7 Prozent der Umfrageteilnehmenden hielten die Ziele der Umgestaltung für richtig, nämlich Geschichte erlebbar machen, Orte für Gemeinschaft zu gestalten und Stadtgrün zukunftsfähig zu entwickeln.

„Dass in Mainz für einige Orte diskutiert wird, einzelne Straßen für den Durchgangsverkehr mit Autos zu sperren und den Straßenraum stattdessen für die Anlieger, Fußgänger, spielende Kinder und Radfahrer nutzbar zu machen, finden 76,8 Prozent der Umfrageteilnehmenden gut“, heißt es in der Auswertung der Stadt weiter. Die Sperrung der Großen Bleiche hätten 88,9 Prozent wahrgenommen – gut fanden sie allerdings nur 68,5 Prozent. Unter denen, die im Regierungsviertel arbeiteten, fanden zudem nur 54,6 Prozent die Sperrung gut.

Forum Regierungsviertel soll konkrete Empfehlungen verabschieden

Die Umgestaltung des Parkplatzes Schloss hätten 72,8 Prozent der Umfrage-Teilnehmer richtig gefunden, unter den Arbeitnehmern im Regierungsviertel waren das aber nur noch 55,1 Prozent. Parkplätze in Grünflächen umzuwandeln, fanden laut Stadt aber 67,4 Prozent der Teilnehmenden an der Umfrage gut. Ob die Große Bleiche oder der angrenzende Platz aber in der Zeit der Sperrung tatsächlich mehr von Radfahrern und/oder Fußgängern genutzt wurden – dazu gab es von Seiten der Stadt keine Auskunft. Alle Berichte und Fotos zeigen derweil: Platz und Straßen blieben menschenleer, eine stärkere Nutzung fand nicht statt – während die Sperrungen gleichzeitig große Probleme für Anlieger, Besucher und den ÖPNV verursachten,

An diesem Mittwoch tagt nun das „Forum Regierungsviertel“ zum dritten und letzten Mal – und dieses Mal soll es konkret werden: Man wolle nun die Fülle an gewonnenen Erkenntnissen präsentieren, und gemeinsam vorläufige Empfehlungen an die Politik formulieren und verabschieden, heißt es von Seiten der Stadt. Diese Empfehlungen gehen dann in die städtischen Gremien und sollen anschließend als Grundlage für einen Freiraumwettbewerb über die zukünftige Gestaltung des Regierungsviertels dienen. Wer also bei der Umfrage nicht mitgestimmt hat, wird sich in Zukunft stets anhören dürfen: Das haben „die Mainzer“ doch so gewollt.

Info& auf Mainz&: Die abschließende Sitzung des dritten Forums Regierungsviertel findet am Mittwoch, den 20. September 2023, um 15.00 Uhr im Kurfürstlichen Schloss statt, und zwar im Forstersaal. Es handelt sich erneut um eine Veranstaltung mit festem Teilnehmerkreis, die aber öffentlich ist und der Interessierte folgen können. Mehr zu dem Ärger um die Sperrung der Großen Bleiche und die Erprobung findet Ihr hier bei Mainz& – samt einem Mainz&-Kommentar zu den erheblichen Problemen, die eine Vollsperrung nach sich ziehen würde.