Erneut werden an einem Adventssamstag Großdemonstrationen den Verkehr in und um Mainz stark beeinträchtigen: Voraussichtlich ab 11.00 Uhr werde es „zu teils erheblichen Beeinträchtigungen“ im Stadtgebiet kommen, warnte die Mainzer Polizei. Betroffen sind erneut die A60 aus Richtung Hechtsheim, aber auch die Große Bleiche wird zwischen Bauhofstraße und Peter-Altmeier-Allee gesperrt. Der Protest kommt erneut von Landwirten, die mit Lkws und Traktoren anfahren wollen – die Wut über die jüngsten Ampel-Beschlüsse in Berlin ist groß.
Am Dienstag waren im Zuge der Einigung der Berliner Ampel-Koalition erhebliche Spar-Streichungen gerade im Bereich der Landwirtschaft bekannt geworden. So plant die Bundesregierung Streichungen bei der Agrardieselentlastung sowie die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft – das stößt auf vehemente Proteste.
Die Vorhaben seien „ein Affront“ und ein Angriff auf die heimische Landwirtschaft, bei der am Ende alle verlören, schimpfte der Präsident des Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V. (BWV), Eberhard Hartelt. Die Folgen würden vor allem die Verbraucher zu tragen haben, warnte er: Die Maßnahmen erhöhten die Kosten in den Betrieben zusätzlich, damit aber würden die Preise für Lebensmittel weiter steigen, weil die Erhöhung weitergereicht werden müssten.
Bauernpräsident: Angriff auf Landwirtschaft & steigende Preise
„Für viele Landwirte könnte diese zusätzliche finanzielle Belastung dann der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt und zur Entscheidung führt, das Hoftor für immer zu schließen“, kritisierte Hartelt. Die Berliner Koalition nehme „billigend in Kauf“ dass der Selbstversorgungsgrad in Deutschland weiter sinkt und die Importe von Lebensmitteln zunehmen – mit negativen Effekten auf Klima und Umwelt“, warnte der Bauernpräsident. Denn die Agrardieselentlastung diene als Ausgleich für die deutsche Land- und Forstwirtschaft, um ihre Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu anderen Ländern in der EU zu erhalten.
„Ein Landwirt in Deutschland zahlt nach Rückvergütung immer noch deutlich mehr Steuern für Diesel als Landwirte in den meisten anderen EU-Staaten“, betonte Hartelt. Die Befreiung der KfZ-Steuer hingegen trage der Tatsache Rechnung, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge nur in Ausnahmen das öffentliche Verkehrsnetz nutzten und daher nicht zur Finanzierung herangezogen würden. Deutschland lege offenbar auf „eine regionale und nachhaltige Produktion von Lebensmitteln unter höchsten Standards keinen Wert“, klagte Hartelt.
Bereits am Donnerstag hatten Landwirte vor dem Landtag in Mainz bei einer ersten Demonstration ihrem Unmut Luft gemacht, am Samstag nun soll ein Demonstrationszug aus Lkw und Traktoren durch Mainz rollen. Das Motto lautet “LKW-, Traktor- und Autokorso – Unternehmer gegen Mauterhöhung, CO²-Steuer und Pflanzenschutzmittelverbot“ – die Anmeldung stammte noch aus den Tagen vor der Ampel-Entscheidung. Die Landwirte wollen sich erneut in Mainz-Hechtsheim auf dem Messegelände treffen, dazu werde ein Demonstrationszug aus Richtung Wiesbaden über die A60 fahren und sich ebenfalls via Hechtsheim in Richtung Innenstadt in Bewegung setzen, sagte die Mainzer Polizei auf Mainz&-Anfrage.
Demo in Mainz: Große Bleiche gesperrt, Autobahn A60 betroffen
In der Mainzer Innenstadt wird bereits ab 11.00 Uhr die Große Bleiche in Höhe des Landtags, zwischen Bauhofstraße und Peter-Altmaier-Allee gesperrt, die Sperrung dauert voraussichtlich bis in den Nachmittag hinein. Im Bereich der Innenstadt sei ab etwa 12.00 Uhr mit den meisten Verkehrsstörungen zu rechnen, hieß es weiter. Damit kann Mainz mitten an einem Adventssamstag schon einmal zusehen, was eine Vollsperrung der Großen Bleiche in genau diesem Bereich für Auswirkungen haben kann – die Ampel-Fraktionen in Mainz wollen genau diesen Bereich dauerhaft für den Verkehr stilllegen. Eine Folge: Das Parkhaus am Deutschhausplatz kann dann nicht mehr angefahren werden.
Unterstützung für die Landwirte kommt aber auch von höchster Stelle in Mainz: Auch die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) kritisierte die Vorhaben der Ampel in Berlin – obwohl ihre eigene Partei dort mitregiert. „Wir können nicht wieder und wieder bei der Landwirtschaft kürzen“, sagte Schmitt: „Wir brauchen unsere regionale Landwirtschaft für gute Lebensmittel, für kurze Lieferwege sowie zur Versorgung einer wachsenden Bevölkerung.“ Die Landwirtschaft stärke und erhalte auch die ländlichen Räume, Kürzungen bei den Landwirten bedeuteten in der Konsequenz höhere Preise für die Verbraucher.
„Auch dafür ist nach einer hohen Inflationswelle und steigenden Energieausgaben gerade nicht die Zeit“, betonte Schmitt. Sie appelliere daher dringend an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), die Kürzungen im Agrarbereich zu überarbeiten und neue Vorschläge auf den Tisch zu legen. Scharfe Kritik kam aber auch von CDU, AfD und Freien Wählern, die AfD sprach gar von einem „Wortbruch“ und einer „Herabwürdigung“ der Landwirtschaft.
Streit: „Berliner Ampel wird zum Inflationstreiber“
„Was die Ampel-Regierungen in Bund und Land machen ist absolut agrarfeindlich“, schimpfte CDU-Landwirtschaftsexperte Johannes Zehfuß. Die angekündigte Streichung der Steuervergünstigungen für Agrardiesel und KfZ-Steuer für Traktoren sei „ein dreister Griff ins Portemonnaie unserer heimischen Landwirte.“ Dabei seien bei deutschen Landwirten die Betriebskosten bereits jetzt viel höher als bei ihren Berufskollegen in anderen Ländern, kritisierte Zehfuß: Das belaste viele landwirtschaftliche Betriebe und führe zu einer Verteuerung der heimischen Lebensmittel für die Verbraucher.
Die Berliner Ampel werde „zum Inflationstreiber“, schimpfte auch der Fraktionschef der Freien Wähler im Mainzer Landtag, Joachim Streit. „Anstatt endlich den Rotstift bei überflüssigen Prestigeprojekten anzusetzen, wird kräftig an der Steuerschraube gedreht“, kritisierte Streit. Höhere Benzin- und Heizkosten seien vorprogrammiert, „so wird die Ampel ihrem Ruf als Inflationstreiber gerecht und der kleine Mann bleibt auf der Strecke.“
Mit den geplanten Streichungen in der Landwirtschaft drohten den deutschen Bauern zudem der Verlust von rund 900 Millionen Euro, rechnete Streit vor. Damit aber gefährde die Bundesregierung die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte, für die reduzierte Preise für Agrardiesel und landwirtschaftliche Kfz „von existenzieller Bedeutung“ seien. „Es geht um nicht weniger als die Fähigkeit, uns eigenständig zu ernähren, anstatt teuer zu importieren“, warnte Streit.
Er erwarte von den Vertretern der Landesparteien, dass diese sich in Berlin für die Landwirtschaft stark machten, betonte auch der Mainzer Kreisvorsitzende der Freien Wähler, Christian Weiskopf: „Den Politikern muss klar sein, dass wir nur mit unseren Bauern eine nachhaltige Landwirtschaft haben. Wenn die Verantwortlichen lieber klimaschädliche Lebensmittelimporte aus aller Welt haben wollen sind sie auf dem richtigen Weg.“ Er fordere eine Abkehr dieser kontraproduktiven Politik, „wir müssen dafür sorgen, dass unsere Landwirte erhalten bleiben“, betonte Weiskopf.
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